Umstrittene Rüstungsexporte Regierung will weiter Deals mit Saudi-Arabien genehmigen

"Leopard 2"-Panzer
Foto: Katharina Winkler/ dpaDie Bundesregierung will weiterhin Exportanträge deutscher Waffenschmieden für Saudi-Arabien und Länder genehmigen, die unmittelbar am Jemenkrieg beteiligt sind. Trotz einer eindeutigen Klausel im Koalitionsvertrag, die jegliche Ausfuhr an Kriegsparteien in diesem Konflikt untersagt, sollen nach SPIEGEL-Informationen neue Anträge der Saudis weiter einzeln geprüft und nicht kategorisch abgelehnt werden.
Die Haltung der Bundesregierung geht erstmals klar aus einem Brief des von Peter Altmaier (CDU) geführten Wirtschaftsressorts an den Abgeordneten Thomas Hitschler (SPD) hervor. Darin schreibt Staatssekretär Ulrich Nußbaum, die Regierung entscheide über Rüstungsexporte an Kriegsparteien im Jemenkonflikt "weiterhin stets im Einzelfall". Zwar würde die Verwicklung in den Konflikt geprüft. Entscheidend sei aber auch die Art der angefragten Exporte und wozu sie eingesetzt würden.
Dahinter steckt eine Richtungsentscheidung. Monatelang hatte die Regierung intern gerungen, wie man den Jemen-Satz aus dem Koalitionsvertrag umsetzen kann. Die SPD hat eine sehr klare Formulierung durchgesetzt. "Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemenkrieg beteiligt sind", heißt es in dem Fahrplan für die schwarz-rote Regierung.
Faktisch müsste der Satz jeden Waffendeal mit den Saudis ausschließen. Riad ist der Treiber in der hastig zusammengestellten Koalition gegen die im Jemen aktiven Huthi-Rebellen. Fast jeden Tag fliegt die Luftwaffe Einsätze gegen die aus saudi-arabischer Sicht von Iran gesteuerten Rebellen. Dabei kommt es immer wieder zu fatalen Fehlschlägen. Zudem riegelt Saudi-Arabien den Jemen ab und fördert so eine der schwersten Hungersnöte weltweit.
Trotzdem will die Bundesregierung kein striktes Exportverbot gegen die Saudis oder die anderen im Jemenkrieg beteiligten Nationen verhängen. Engster Alliierter der Saudis sind dabei die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten aber auch kleinere Partner wie Marokko oder Jordanien. Daneben werden die Saudis aber auch von den USA und Großbritannien unterstützt, beide haben ständig Verbindungsoffiziere in der Kommandozentrale der Koalition in Riad.
Monatelang stritten das SPD-geführte Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium um eine Definition des Jemen-Satzes. Kurzzeitig war von einer Art roter Liste mit Ländern die Rede, die kinetisch am Jemenkrieg beteiligt sind, also Luftschläge fliegen. Dann hieß es, man wolle sich nur noch auf Kriterien einigen, welche speziellen Exporte abgelehnt würden. Offiziell war von "intensiven Gesprächen" die Rede, eine Phrase für Zoff hinter den Kulissen.
Über zahlreiche Deals ist noch nicht entschieden
Richtig hart wollte keiner der Minister agieren. Altmaier fürchtet bei einem kategorischen Nein für alle Saudi-Deals Schäden für die Rüstungsindustrie. SPD-Außenminister Heiko Maas war ebenso vorsichtig. Gerade erst hat er durch eine Entschuldigung für kritische Aussagen seines Vorgängers mit den Saudis eine diplomatische Wiederannäherung eingeleitet. In dieser Situation wollte Maas Riad nicht unbedingt mit einer roten Liste aus Berlin brüskieren.
Am Ende ist nichts herausgekommen. Stattdessen will die Bundesregierung in jedem Einzelfall prüfen, ob man Deals mit den Saudis abnickt oder nicht. Erst kürzlich genehmigte der Bundessicherheitsrat die Lieferung sogenannter Cobra-Systeme aus Deutschland. Mit dem Hochleistungsradar wollen die Saudis ihre Raketenabwehr verbessern. Um Berlin zu überzeugen, garantierte Riad schriftlich, dass sie die Technik nicht im Jemenkrieg einsetzen.
Folgt die Bundesregierung dieser Linie, dürfte sie in Zukunft weitere Deals mit den Saudis genehmigen. Aus den vorigen Monaten liegen noch reichlich nicht entschiedene Anträge deutscher Waffenschmieden vor. Mal geht es um Einzelteile für die Lizenzproduktion von G36-Sturmgewehren, um 750 Schulterwaffen, 100 Sattelschlepper, Berge- und Pionierpanzer, geschützte "Boxer"-Panzer und massig Munition und Granaten. Ob es auch neue Wünsche gibt, hält Berlin geheim.
Reichlich Irritation bei den Sozialdemokraten
In der Koalition dürfte das Thema für heftige Kontroversen sorgen. Der Sicherheitspolitiker Thomas Hitschler jedenfalls will bei der Erfüllung des Koalitionsvertrags hart bleiben. "Für die Regierung muss für alle kommenden Genehmigungen die Koalitionsvereinbarung gelten und die schließt Lieferungen an am Jemenkrieg beteiligte Staaten aus", sagte er. Ausnahmen seien aus seiner Sicht nur bei sogenannten Altverträgen möglich, die bereits abgeschlossen seien.
Wie groß die Irritationen aufseiten der Sozialdemokraten sind, zeigte sich am Dienstag in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion. Außenminister Maas und Fraktionschefin Andrea Nahles mussten sich eine gute Stunde gegen den Vorwurf rechtfertigen, die Bundesregierung verstoße mit ihren genehmigten Exporten nach Riad gegen den Koalitionsvertrag.
Flügelübergreifend machten Genossen ihrem Unmut Luft, vor allem Maas kam in der Diskussion nicht gut weg. Rolf Mützenich, stellvertretender Fraktionsvorsitzender für das Thema Außenpolitik, beklagte laut Teilnehmern, er habe mit den jüngsten Exporten extreme Bauchschmerzen. Der Arbeitsmarktpolitiker Martin Rosemann kritisierte laut Teilnehmern, bei ihm im Wahlkreis gewönnen manche den Eindruck, der Außenminister mache einen Kotau vor den Saudis.
Keine Eskalation kurz vor den Wahlen gewünscht
Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezog sich noch einmal auf die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag und verlangte dann einen Stopp jeglicher weiterer Exporte. "Das muss das letzte Mal gewesen sein", so Schulz.
Eine Abstimmung über künftige Exporte, wie sie der Wirtschaftspolitiker Florian Post zuvor ins Gespräch gebracht hatte, forderte niemand, wohl auch, um die Diskussion so kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen nicht eskalieren zu lassen. Post mahnte in der Sitzung abermals ein Ende der Exporte an.
Die Regierung entscheide zwar, aber die Abgeordneten müssten die Entscheidung auch vertreten, für ihn als Berichterstatter für das Thema gelte das umso mehr. "Ich könnte es natürlich auch kurz machen und öffentlich sagen: Linke und Grüne haben recht", so Post in der Sitzung laut Teilnehmern. Die Opposition wirft der Regierung seit Monaten vor, bei Thema Rüstungsexporte und der Umsetzung des Koalitionsvertrags zu lügen.