
Rüstungsexporte: Streit um Bauteile für Kampfjets
Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien Großbritannien wirft Berlin mangelnde Bündnistreue vor
Großbritannien kritisiert die Bundesregierung heftig, weil die einen Lieferstopp für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien verhängte. London droht nach SPIEGEL-Informationen mit Konsequenzen, sollte Berlin das Embargo für gemeinsame Rüstungsprojekte nicht umgehend aufheben.
In einem Brandbrief an seinen Amtskollegen Heiko Maas (SPD) wirft Außenminister Jeremy Hunt Deutschland vor, die britische Rüstungsindustrie zu schädigen. Da deutsche Bauteile für Kampfjets oder Raketen nicht mehr nach Saudi-Arabien geliefert werden dürfen, könnten britische Unternehmen ihre Verträge nicht erfüllen.
Der zweiseitige Brief vom 7. Februar beginnt harmlos mit einem handgeschriebenen "Dear Heiko", kommt dann aber schnell zur Sache. Hunt schreibt, er müsse Maas seine "ernsten Bedenken" mitteilen. "Ich bin tief besorgt über die Auswirkungen der deutschen Regierungsentscheidung auf die britische und die europäische Rüstungsindustrie und die Konsequenzen für die Fähigkeit Europas, seine Nato-Zusagen zu erfüllen."
"Unter Druck, das Problem zu lösen"
Dann skizziert Hunt, dass britische Rüstungsunternehmen wegen der Berliner Entscheidung gleich mehrere Verträge mit den Saudis nicht erfüllen könnten. Als Beispiele nennt er das Eurofighter-Modell "Typhoon" oder den Kampfjet "Tornado". Beide enthielten deutsche Bauteile, die vom Lieferstopp betroffen seien.
Konkret warnt Hunt in dem Brief, dass dem britischen Hersteller BAE Systems bereits Schadenersatzforderungen von den Saudis drohten, weil das Unternehmen seine vertraglichen Zusagen an Riad nicht einhalten könnte. 500 weitere Zulieferer der Rüstungsschmiede BAE seien von diesem Risiko ebenso betroffen, so der Außenminister.

Jeremy Hunt und Heiko Maas (im Juli 2018 in Berlin)
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesDa die britische Regierung die Geschäfte miteingefädelt habe, stehe man "unter Druck, das Problem zu lösen". Auch für die deutsche Rüstungsindustrie habe der Lieferstopp erhebliche Folgen. So müssten die deutschen Waffenschmieden bis 2026 mit Umsatzeinbußen von 2,3 Milliarden Euro rechnen.
Die Bundesregierung hatte im Herbst 2018 nach dem brutalen Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi entschieden, vorerst keine Rüstungsgüter mehr nach Saudi-Arabien liefern zu lassen. Dies betrifft neben deutschen Produkten nun auch deutsche Teile, die im Ausland verbaut werden.
Deutschland gilt auf dem Rüstungsmarkt als echte Größe, wenn es um bestimmte Bauteile von Spezialunternehmen geht. Manchmal, so erklärt ein Insider aus der Branche, gehe es bei den von Hunt geschilderten Problemen nur um einzelne Schrauben, Cockpitscheiben für Flugzeuge oder optische Geräte.
Hunt warnt vor Vertrauensverlust
Hunt fordert Maas unmissverständlich auf, sofort umzusteuern. "Es ist unerlässlich, dass Sie große europäische Verteidigungsprojekte wie den Eurofighter und den Tornado umgehend vom Waffenembargo ausnehmen", schreibt er. Berlin riskiere sonst "einen Vertrauensverlust in die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Partner".
Die deutsche Begründung, der Exportstopp sei rechtens, da man an die Zulieferungen für die britischen Unternehmen nicht durch formale Verträge, sondern lediglich durch Absichtserklärungen gebunden sei, lässt Hunt nicht gelten. Das ändere nichts an der "Ernsthaftigkeit unserer gegenseitigen Verpflichtungen und Zwänge".
Das Schreiben des Top-Diplomaten zeigt, wie ernst London die Sache nimmt. "Es sind bedeutende Projekte von hohem Stellenwert, zu denen sich Ihre Regierung politisch verpflichtet hat", schreibt Hunt. Viel deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass man den einseitig verhängten Lieferstopp für einen Affront sondergleichen hält.
Hunt zeigt durchaus Verständnis für die deutsche Sorge, dass Waffen aus Europa im blutigen Jemenkonflikt eingesetzt werden könnten. Gleichwohl argumentiert er, mit Waffenlieferungen, die an Konditionen gebunden seien, habe man mehr Einfluss auf Riad, als wenn man sich völlig verweigere.
Sogar die Verteidigungsfähigkeit der Nato sieht Hunt durch Deutschlands Alleingang in Gefahr. Seit dem Embargo dürfen demnach keine Luft-Luft-Raketen des Typs Meteor mehr aus Deutschland ausgeführt werden. Das gelte nicht nur für Saudi-Arabien, sondern auch für Lieferungen an europäische Partner.
Anspielung auf Trump
"Mein Verteidigungsministerkollege hat mir berichtet, dass sich die Lieferung von 260 Raketen an die Royal Air Force ebenso verzögert wie die an Frankreich, Spanien, Italien und Schweden." Solche Verzögerungen hätten "operationale Folgen", so Hunt, "einschließlich unserer Fähigkeit, Nato-Verpflichtungen zu erfüllen in einer Zeit der wachsenden Überprüfung unserer Entschlossenheit durch unsere Verbündeten".
Damit spielt Hunt kaum verhohlen auf den kritischen Blick von US-Präsident Donald Trump an. Trump moniert seit Langem die aus seiner Sicht unzureichenden Beiträge der europäischen Verbündeten zum westlichen Verteidigungsbündnis, besonders hat er sich dabei auf Deutschland eingeschossen. Dass sich jetzt auch Großbritannien dieser Kritik anschließt, ist bemerkenswert.
Das Schreiben illustriert deutlich, wie sehr Berlin innerhalb Europas unter Druck gerät. Neben Frankreich gilt Großbritannien als einer der engsten Verbündeten auch in der Nato. Paris hat das Waffenembargo gegen Saudi-Arabien ähnlich deutlich kritisiert.
Außenminister Maas dürfte mit seinem Kollegen also einiges zu besprechen haben, wenn dieser am Mittwoch zu Gast im Berliner Außenamt ist. Er freue sich auf den Besuch in Berlin, schreibt Hunt in seinem Brief - dann könne er unter vier Augen noch einmal alle Punkte im Detail erläutern.