Runderneuerung Neue SPD-Führung pokert um letzten Machtposten

Andrea Nahles, Sigmar Gabriel: Wer kriegt den "BGF"?
Foto: A3397 Gero Breloer/ dpaBerlin - Vier Tage ist die SPD-Katastrophe bei der Bundestagswahl jetzt her. Seitdem wurde gerungen und beraten - jetzt steht das neue Personaltableau. Die engere Führungsspitze einigte sich am Donnerstagmorgen abschließend auf einen Vorschlag, von dem die meisten Namen und Postenbereits vorab bekannt geworden waren.
Umweltminister soll demnach neuer Parteichef werden, Andrea Nahles neue Generalsekretärin, die Zahl der Stellvertreter soll von drei auf vier erhöht werden. Arbeitsminister wird darin ebenso vertreten sein wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft, sowie - das war dann doch eine Überraschung - Manuela Schwesig, die junge Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Mitte November wird ein Parteitag über die Personalien abstimmen.
Genau genommen ist jetzt nur noch ein Posten zu vergeben, der von Bedeutung ist: der des Bundesgeschäftsführers. Der "BGF" wirkt zwar eher nach innen als nach außen, aber gerade deshalb ist er äußerst wichtig für die Machtbalance in der neuen Führungsspitze.
Dass der derzeitige Amtsinhaber Kajo Wasserhövel nach dem historisch schlechten Wahlsonntag auf dem Posten bleibt, ist nicht recht vorstellbar. Seinen Ruf als glänzender Wahlkämpfer ist er los, zudem ist er enger Gefolgsmann von Noch-Parteichef , weshalb man davon ausgehen kann, dass er mit diesem das Willy-Brandt-Haus verlässt, so wie er mit ihm vor gut einem Jahr einmarschierte.
Nur kleine Sticheleien in Gesprächen
Bei den entscheidenden Gesprächen in den letzten 24 Stunden spielte die Frage, wer Wasserhövels Nachfolger wird, wenn überhaupt, nur am Rande eine Rolle. Vornehmlich ging es um das "Paket" mit Gabriel und Nahles an der Spitze. Zwar betonen alle Beteiligten, darunter sowohl die künftigen Führungsfiguren als auch Müntefering, Frank-Walter Steinmeier und einige Landeschefs, dass sämtliche Beratungen in weitgehend vertrauensvoller Atmosphäre abliefen. "Allen ist die Nase noch im Gesicht geblieben", sagt einer, der dabei war. Was durchaus erstaunlich ist, angesichts der doch eher merkwürdigen Allianzen, die sich da in der neuen Struktur bilden, und natürlich des Abgrunds, an dem die SPD sich seit Sonntag befindet.
Aber richtig kuschelig ging es in den Runden auch nicht zu. Müntefering soll am Mittwochabend versucht haben, die neue Stellvertreterriege noch stärker zu erweitern als von Gabriel und Nahles geplant. Von Teilnehmern wurde das als Zeichen dafür gedeutet, dass er dem neuen Personaltableau wenigstens einen Hauch münteferingscher Handschrift verpassen wollte. Steinmeier soll sich deutlich stärker zurückgehalten haben.
Der hessische Landeschef kritisierte noch einmal die "Hinterzimmerdiplomatie", die die letzten elf Jahre und leider auch den jetzigen Neuanfang präge. Der saarländische Landeschef Heiko Maas fand diesen Einwand eher albern, gab das in der Runde aber erst zu erkennen, nachdem Schäfer-Gümbel sie frühzeitig verlassen hatte. "Kungelrunden sind für manche wohl immer die Runden, in denen man selbst nicht dabei ist", stichelte er gegen den Hessen, was ein bisschen gemein war, die noch Anwesenden aber köstlich amüsierte.
Mehrere Kandidaten als "BGF" im Gespräch
Und eben auch die Frage, wer neuer Bundesgeschäftsführer werden soll, sorgt für Anspannung. Aber wohl vor allem zwischen Nahles und Gabriel, denn beide haben da besondere Interessen. Die künftige Generalsekretärin wird einen engen Vertrauten auf den Posten hieven wollen, um ihre Macht in der Parteizentrale noch zu verstärken. Wie sie hat der "BGF" Zugriff auf den gesamten Apparat - ein Privileg, das in der Art nicht einmal die stellvertretenden Parteivorsitzenden haben. Gabriel, der mit dem linken Flügel, vornehm formuliert, noch nie besonders viel zu tun hatte, dürfte einen Nahles-Vertrauten zu verhindern suchen. Andernfalls wäre er - der Mann, dessen Machtbasis in der Parteizentrale ohnehin überschaubar sein dürfte - im Willy-Brandt-Haus gewissermaßen umstellt von Linken. Nicht ganz unwichtig also für die Machtbalance in der neuen Führungsriege, der Bundesgeschäftsführer.
Dem Vernehmen nach ist einer von Nahles' Wunschkandidaten Björn Böhning. Böhning ist Sprecher der SPD-Linken, hat seit Jahren einen ausgezeichneten Draht zur 39-Jährigen und arbeitet an führender Position in der Berliner Staatskanzlei von Klaus Wowereit. An Selbstbewusstsein mangelt es dem 31-Jährigen nicht, insofern dürfte er selbst sich den Job zutrauen.
Seit dem Wahlsonntag ist Böhning einer der prominenten SPD-Linken, die auf allen Kanälen eine "Rundumerneuerung" der SPD fordern. Allerdings fragen sich seitdem selbst Weggefährten von ihm, ob er fähig ist, eine Parteizentrale zu führen, wenn er nicht einmal seinen Wahlkreis direkt gewinnen kann.
Auch andere Namen werden genannt. Benjamin Mikfeld zum Beispiel. Der 36-Jährige ist bisher Leiter der Abteilung "Planung" im Willy-Brandt-Haus, kennt das Innenleben der Parteizentrale also gut. Mikfeld war von 1999 bis 2001 Juso-Chef - als Nachfolger von Andrea Nahles. Ebenfalls genannt wird Michael Rüter, der zwar seit 2008 Landesgeschäftsführer der SPD in Gabriels Landesverband Niedersachsen ist, aber dennoch eher als Nahles-Mann gilt.
Unter Nahles war Rüter schon einmal Bundesgeschäftsführer - bei den Jusos.