Ärger um Rundfunkbeitrag Magdeburger Störsender

Die CDU in Sachsen-Anhalt lehnt eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab. Im Landtag will sie gegen den neuen Staatsvertrag stimmen – gemeinsam mit der AfD. Die SPD ist empört: »Nazis reicht man nicht die Hand.«
Landtag in Magdeburg: Um 86 Cent soll der Beitrag steigen – es sei denn, Sachsen-Anhalt blockiert

Landtag in Magdeburg: Um 86 Cent soll der Beitrag steigen – es sei denn, Sachsen-Anhalt blockiert

Foto: Christian Schroedter / imago images

Am Ende kamen sie alle noch einmal nach Magdeburg. Zum Domplatz, Sitz des Landtages Sachsen-Anhalts, der Medienausschuss hatte zu einer Anhörung geladen. Da waren: Tom Buhrow, Intendant des Westdeutschen Rundfunks. Thomas Bellut, Intendant des ZDF. Karola Wille, Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks. Zudem der Chef des Deutschlandradios, Filmproduzenten, Vertreter der Handwerkskammer. Insgesamt 13 Gäste.

Es war am vergangenen Freitag, so kann man sagen, das finale Aufgebot. In einem letzten Versuch sollte es Überzeugungsarbeit bei einem Thema leisten, das in Sachsen-Anhalt so erbittert diskutiert wird wie in keinem anderen Bundesland: die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Zum 1. Januar 2021 soll der auf 18,36 Euro steigen. Zurzeit beträgt er 17,50 Euro.

Es geht also um 86 Cent. Das klingt nach nicht viel. Zumal es die erste Beitragserhöhung seit dem Jahr 2009 wäre. Doch für einige Abgeordnete ist sie nur ein weiteres Indiz für ein verschwenderisches System, zu dem sich ARD, ZDF und Deutschlandradio entwickelt haben. Die AfD-Fraktion lehnt die Erhöhung ab. Und auch die CDU-Landtagsabgeordneten sträuben sich.

Gerade um deren Stimmen wollten die Intendanten im Ausschuss werben. Im Sommer hatten die Ministerpräsidenten zwar einen neuen Staatsvertrag unterzeichnet und damit die Erhöhung der Beiträge abgesegnet – unter ihnen auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Doch bei der vorherigen Abstimmung hatte sich Haseloff enthalten. Zustimmen müssen in letzter Instanz die Landesparlamente. Lehnt der Landtag Sachsen-Anhalts somit den neuen Beitrag ab, kippt der Staatsvertrag. Die Erhöhung wäre gescheitert. Manche fürchten, dies könnte gar das öffentlich-rechtliche System ins Wanken bringen.

Vier Stunden sprachen die Abgeordneten mit den Intendanten. Es wurde über die Höhe der Intendantengehälter diskutiert, über mögliche Sparvorschläge, über einen zu starken Fokus der Sender auf westdeutsche Bundesländer. Die Debatte sei sachlich gewesen, berichten Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Intendanten seien offen gewesen für Kritik.

CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt (im Gespräch mit Grünenministerin Claudia Dalbert)

CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt (im Gespräch mit Grünenministerin Claudia Dalbert)

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert / dpa

Doch das Werben blieb erfolglos. Am Mittwoch erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Siegfried Borgwardt, die Christdemokraten blieben bei ihrem Nein. »Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist über Jahrzehnte zu groß und zu teuer geworden«, sagt Markus Kurze, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, dem SPIEGEL. »Wir haben heute fast 90 Fernseh- und Hörfunksender. Braucht man die für den Grundauftrag?«

Die CDU steht dabei nicht allein mit ihrer Kritik. In Teilen hört man sie auch von Vertretern von SPD, Grünen oder der Linken in Sachsen-Anhalt. Doch keine Partei gibt sich in den vergangenen Jahren so unnachgiebig wie die Union. Es geht dabei meist um eines: Gerechtigkeit.

So mahnte etwa im Jahr 2017 Ministerpräsident Haseloff in der »Zeit«, das Öffentlich-Rechtliche sei Westfernsehen geblieben. »Die Nachrichtensendungen im Ersten bilden den Osten nicht fair ab.« Ein Vorwurf, der bis heute immer wieder zu hören ist. Wenn es Nachrichten aus ostdeutschen Bundesländern gebe, handle es sich meist um Krisen und Katastrophen.

Ein weiterer Kritikpunkt: die Standorte von ARD und ZDF. Von den 50 Gemeinschaftseinrichtungen befinden sich zurzeit nur einige wenige in Ostdeutschland: das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin, der Kinderkanal (Kika) in Erfurt und das Deutsche Rundfunkarchiv mit einem Teilstandort in Potsdam-Babelsberg.

Ungebrochener Widerstand

Die Verantwortlichen von ARD und ZDF haben teilweise auf die angesprochenen Mängel reagiert. So gestand der amtierende ARD-Vorsitzende Tom Buhrow im März dieses Jahres ein, man sei in den ostdeutschen Bundesländern zu wenig vertreten. Seit September sendet die Nachrichtensendung »Tagesthemen« fünf Minuten länger, um mehr Zeit für regionale Beiträge zu haben. Im kommenden Jahr soll zudem ein neues, bundesweites Kulturprogramm  unter Führung des MDR starten.

In Sachsen-Anhalt haben sie damit den Widerstand noch nicht gebrochen. Die CDU sieht weiterhin zu wenig Reformbemühungen und Sparwillen. Grüne und SPD können die Blockadehaltung nicht nachvollziehen. Sie stellen zusammen mit der CDU die Regierung in Sachsen-Anhalt in der sogenannten Keniakoalition. »Die Kritik der CDU bleibt diffus und populistisch«, sagt Dorothea Frederking, medienpolitische Sprecherin der Grünenfraktion. »Wenn die Politik Einsparungen will, muss sie den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen per Staatsvertrag ändern. Das ist Aufgabe der Parlamente und nicht der Rundfunkanstalten.«

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff

Foto: Ronny Hartmann / dpa

Am Ende könnte es dazu kommen, dass CDU und AfD zusammen gegen die Beitragserhöhung stimmen und sie damit kippen. Ein Szenario, das in der SPD als »Sprengsatz für die Koalition« gesehen wird. »Wir sind in diese Keniakoalition gestartet, um Mehrheiten jenseits der AfD zu bilden. Und wenn jetzt die CDU mit der AfD zusammen abstimmt in einer Entscheidung, die für die Bundesrepublik nicht unwesentlich ist, hat das Konsequenzen«, sagt Holger Hövelmann, Medienexperte der SPD-Fraktion.

Auch in Berlin herrscht Unverständnis angesichts der Ablehnung bei der CDU. »Die CDU in Sachsen-Anhalt verbündet sich mit der offen rechtsextremen Landes-AfD«, kritisiert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gegenüber dem SPIEGEL. In einer Woche, in der die AfD mit Rechtsextremen auf die Straße gehe, wolle die CDU mit Demokratiefeinden gemeinsame Sache mache, sagt Klingbeil. Nötig sei jetzt ein Einschreiten der CDU-Führung in Berlin. »Wo bleibt die Mahnung, das Einmischen von der CDU-Bundesebene, was sagt Annegret Kramp-Karrenbauer zu diesem Vorgang? Das kann man nicht einfach so unter den Teppich kehren.«

»Die CDU in Sachsen-Anhalt verbündet sich mit der offen rechtsextremen Landes-AfD.«

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil

Klingbeil kritisierte, die CDU kündige mit Unterstützung der AfD einen Kompromiss der 16 Landesregierungen auf. »Das ist weder demokratisch noch anständig. Offenbar hat die CDU aus den Ereignissen in Thüringen nichts gelernt.« Wieder einmal bringe ein CDU-Landesverband den demokratischen Grundkonsens ins Wanken, so Klingbeil: »Nazis reicht man nicht die Hand. Egal, wie man zu einem Thema steht.«

In Magdeburg kann CDU-Politiker Kurze diese Rüge nicht nachvollziehen. »Wir hören jetzt die bundesdeutsche Erregung: Auweia, die CDU stimmt mit der AfD. Aber das ist unehrlich«, sagt er. Die CDU setze lediglich ihre Politik um und löse ein Wahlversprechen ein. »Ansonsten könnte man uns Wortbruch vorwerfen, und das würde noch zu mehr Politikverdrossenheit führen.«

So steht im Koalitionsvertrag des Keniabündnisses, man wolle an der Beitragsstabilität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festhalten. Kurze sagt, SPD und Grüne würden den Koalitionsvertrag brechen, nicht die CDU.

Aus der Staatskanzlei war in dieser Woche zu diesem Thema keine Stellungnahme zu hören. Es hieß lediglich, die Entscheidung liege jetzt beim Parlament. Mitte Dezember kommt der Landtag ein letztes Mal in diesem Jahr zusammen. Dann soll auch über die Beitragserhöhung abgestimmt werden.

Mitarbeit: Christian Teevs
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