Russland Berlin fordert Kasparows Freilassung
Berlin - Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm äußerten sich besorgt über das Vorgehen der russischen Sicherheitskräfte. Die deutsche Botschaft intervenierte beim Außenministerium in Moskau. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel sei nicht gewahrt worden, sagte Steinmeier in Berlin. "Wir bestehen darauf, dass die Freiheit der Berichterstattung und Meinungsfreiheit in Russland gewährleistet wird." Gerade vor den Wahlen in Russland müsse darauf verwiesen werden, "dass das Bild, was hier vermittelt wird, kein günstiges ist".
Regierungssprecher Wilhelm forderte die Freilassung des zu fünf Tagen Haft verurteilten Ex-Schachweltmeisters und Oppositionellen Garri Kasparow. Die Bundesregierung sei besorgt über das Verhalten der Sicherheitsorgane gegenüber Demonstranten in Moskau und anderen Städten.
Die Polizei war am Wochenende in Moskau und St. Petersburg mit zum Teil massiver Gewalt gegen Tausende Gegner von Präsident Wladimir Putin vorgegangen. Allein in St. Petersburg nahmen die Sicherheitskräfte an die 200 Menschen fest und misshandelten sie zum Teil. Kasparow, einer der Wortführer der Opposition, war am Samstag in Moskau festgesetzt und zu der Haftstrafe verurteilt worden.
Nach außen einig, nach innen uneins
Mit ihrer Reaktion zeigt sich die Große Koalition nach außen einig in ihrer Verurteilung des russischen Vorgehens. Innenpolitisch streiten sich die Regierungspartner jedoch weiter über die richtige Politik: Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg verlangte, Steinmeier müsse "deutlichere Worte für die skandalösen Vorgänge" in Russland finden. Die FDP-Außenpolitikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warf dem sozialdemokratischen Außenminister "Leisetreterei" vor.
Die SPD-Führung warnte die Union ihrerseits vor einer Strategie der offenen "Konfrontation" in der Außenpolitik. Im Verhältnis zu Russland und China müsse weiter auf Zusammenarbeit gesetzt werden, sagte Generalsekretär Hubertus Heil nach einer SPD-Präsidiumssitzung. Nur wenn die bestehenden politischen und diplomatischen Kanäle geöffnet blieben, könne sich die deutsche Seite etwa für Kasparow einsetzen. Nach Heils Ansicht setzen einige Unions-Politiker auf die außenpolitische Ideologie der "Neokonservativen" in den USA.
US-Präsident Bush "zutiefst besorgt"
International rief das Vorgehen der russischen Behörden ebenfalls scharfe Kritik hervor. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, der harte Polizeieinsatz gegen Politiker und friedliche Demonstranten sei bedauerlich. Rede- und Versammlungsfreiheit seien Grundrechte. US-Präsident Bush erklärte am Montag in Washington, er sei "zutiefst besorgt über die Festnahme von zahlreichen Menschenrechtsaktivisten und politischen Führern", die an den "friedlichen Protesten" in Moskau und anderen russischen Städten teilgenommen hätten. Besonders beunruhigend sei die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten und Journalisten. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner forderte von Russland eine Erklärung für die Übergriffe, deren Ausmaß ihn überrascht habe.
Präsident Wladimir Putin wies die Kritik zurück und warf dem Ausland Einmischung vor. So seien die USA für die Entscheidung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verantwortlich, keine Wahlbeobachter zu schicken. Das werde nicht ohne Folgen für das beiderseitige Verhältnis sein, sagte er vor Parteifreunden in St. Petersburg. Russland bedürfe einer starken Verteidigung, "um andere daran zu hindern, ihre Rotznasen in unsere Angelegenheiten zu stecken".
Putins Gegner werfen dem in der Bevölkerung populären Präsidenten vor, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 gewonnenen demokratischen Rechte und Freiheiten beseitigen zu wollen.
Nach Meinungsumfragen kann Putins Partei Einiges Russland bei der Wahl am Sonntag mit 60 Prozent der Stimmen rechnen. Der Präsident, der bei der am Montag endgültig auf den 2. März festgesetzten Wahl des neuen Staatsoberhaupts nicht wieder antreten darf, ist Spitzenkandidat der Kreml-Partei.
ler/Reuters/dpa