S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Streichelzoo-Journalismus

Seit 350 Journalistinnen eine Frauenquote für Führungspositionen in den Redaktionen gefordert haben, wird in den Verlagshäusern heftig gerechnet. Wenn eines beweist, dass die Zeitenwende unaufhaltsam ist, dann die um Anerkennung bettelnde Reaktion der Männer an der Spitze.

Vor einem Jahr hatte die Chefredaktion der "Zeit" die Idee, den Politik-Teil ihrer ersten Mai-Ausgabe nur von den Frauen der Redaktion schreiben zu lassen. Die Hamburger Wochenzeitung versteht sich seit jeher als progressiv, weshalb ihr selbstverständlich auch die Frauenförderung ein großes Anliegen ist. Als zwei Tage vor Redaktionsschluss die Nachricht vom Tod Osama Bin Ladens hereinplatzte, musste leider kurzfristig umdisponiert werden - weil der weibliche Terrorexperte fehlte, wie es anschließend hieß. Da waren dann wieder die Männer der "Zeit" gefordert, trotz aller guten Vorsätze.

Man mag es mir nachsehen, dass ich an diese Episode aus dem Hamburger Redaktionsalltag denken musste, als ich vergangene Woche die Erklärung von Giovanni di Lorenzo las, warum er jetzt auch für die Quote ist. Es sei mit dem Lavieren einfach genug, "hat sich bei Männern noch nicht herum gesprochen, dass das Leseverhalten in Familie und Gesellschaft in der Hauptsache von Frauen bestimmt wird?", schrieb er zu dem Aufruf von 350 Journalistinnen, im Laufe der nächsten fünf Jahre auf allen Führungsebenen in den deutschen Redaktionen eine Frauenanteil von 30 Prozent durchzusetzen.

Aber vielleicht hat der "Zeit"-Chefredakteur ja inzwischen dazugelernt. Wenn ich seinen Leitkommentar zum Thema richtig verstanden habe, dann wird er demnächst mit einem seiner beiden stellvertretenden Chefredakteure ein ernstes Gespräch führen, warum es Zeit für eine Veränderung ist. Die zwei sind verdiente, allseits respektierte Kollegen, aber eben leider Männer. Ich stelle mir das Personalgespräch nicht einfach vor; dafür können sich die Beteiligten mit dem Gedanken trösten, ein Opfer für die gute Sache gebracht zu haben.

Am Ende geht es um Macht

Im Augenblick wird in deutschen Redaktionen heftig gerechnet. Sobald es um die Gleichberechtigung geht, will niemand auf dem falschen Fuß erwischt werden, schon gar nicht, wenn er im Medienbetrieb Verantwortung trägt, wo man sich in besonderer Weise dem Zeitgeist verpflichtet fühlt. Als Frau würde ich mich allerdings fragen, ob Chefredakteure grundsätzlich davon ausgehen, dass Frauen mit der Mathematik auf Kriegsfuß stehen. Fasst man die Antworten aus den Verlagen zusammen, die bislang bei den "Pro Quote"-Initiatoren  eingegangen sind, dann ist im deutschen Journalismus gendermäßig eigentlich alles in Ordnung.

  • "Von 33 Chefposten sind elf mit Frauen besetzt", meldet der "Stern".
  • Der SPIEGEL kommt in einer internen Rechnung auf eine Frauenquote von 27,7 Prozent - im gesamten Verlag. Wenn nur in Redaktion und im technischen Bereich gezählt wird, sinkt die Quote auf 22 Prozent.
  • Bei SPIEGEL ONLINE sind 23 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt.

Eigenartig nur, dass man bei den meisten Redaktionen noch immer nach weiblichen Ressortleitern suchen muss, wenn man ins Impressum guckt. Tatsächlich gibt es keine führende Zeitung oder Zeitschrift, in der auch nur annähernd Parität erreicht wäre. Das mag man bewerten wie man will, aber das sind die Fakten.

Man kann die Quote moralisch aufladen und zu einer Frage der Gerechtigkeit machen, doch am Ende geht es um Macht. Es spricht für die nach oben drängenden Frauen, dass sie das so offen sagen. In jedem Fall beweisen sie mit ihrem Vorstoß deutlich mehr Schneid als die Männer, die auf den Posten sitzen, um die es jetzt geht. Ich kann die Frauen verstehen, die denken, dass es Zeit für einen Wechsel ist. Sie müssen sich ja nur die geduckten Solidaritätsadressen ihrer Chefs durchlesen, die sonst jede Woche verkünden, wie das Land zu retten sei, und nun ganz eilfertig den Stand ihrer Bemühungen rapportieren. Man wünscht sich fast, einer der Kerle an der Spitze hätte den Mumm zu sagen, warum er die ganze Quotendiskussion für Unsinn hält, das wäre wenigstens eine Position, über die man diskutieren könnte.

Die Kunst der interessegeleiteten Rechenkunst

Meinetwegen können sie die Quote sofort einführen, schon damit uns solche Titelgeschichten, wie sie diese Woche der "Stern" präsentiert, in Zukunft erspart bleiben. Drei erfolgreiche Journalistinnen reden mit vier noch erfolgreicheren Frauen darüber, wie toll es ist, als Frau erfolgreich zu sein. Das Ganze ist von so bestürzender Einfalt, dass ich beim Lesen kurzzeitig den Verdacht hatte, es müsse sich um ein besonders perfides Manöver handeln, Frauen lächerlich zu machen. Man stelle sich nur für einen Moment vor, drei Auto-Journalisten würden vier Auto-Manager unter der Überschrift "Yes he can" dazu befragen, wie es ihnen nur gelungen ist, eine so tolle Karriere zu machen.

Spätestens wenn die Hälfte des journalistischen Himmels in der Hand von Frauen ist, gibt es hoffentlich keinen Grund mehr für solchen Streichelzoo-Journalismus. Dann steht endlich die Leistung im Vordergrund und nicht das Geschlecht.

Mein Problem mit der Quote ist ein anderes. Es geht bei dem Unterfangen nicht nur darum, Frauen auf Führungspositionen zu bringen, es müssen auch die richtigen Frauen sein. Eine Frau, die das Falsche denkt, sagt oder wählt, zählt nicht. Jeder Dichterin, die sich allen Entmunterungen zum Trotz ein paar Verse abgerungen hat, wird heute im Pantheon des Feminismus ein Lichtlein aufgesteckt, aber ausgerechnet bei der Frau, die es als erste in der westlichen Welt an die Spitze einer Regierung schaffte, fehlt bis heute jede Würdigung. Auch Frauen beherrschen die Kunst der interessegeleiteten Rechenkunst, wie man sieht.

Es musste erst Meryl Streep kommen, um der Welt noch einmal vor Augen zu führen, dass eine der größten Feministinnen des 20. Jahrhunderts Margaret Thatcher heißt. "I cannot die washing a tea cup", sagt die als "Iron Lady" zu Ruhm und Hass gekommene britische Premierministerin gleich zu Anfang des Oscar-prämierten Films, womit sie ein Programm formulierte, das bis heute Gültigkeit hat.

Wer wirklich wissen will, "wie Frauen gewinnen", sollte sich eine Kinokarte kaufen. Er lernt dort weit mehr als in jedem "Stern"-Titel über die Härte und den Durchsetzungswillen, die es braucht, um in einer männerdominierten Welt ganz nach oben zu kommen.

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