S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Wir neuen Welt-Bösewichte
Ein Vorschlag zur Güte: So wie man früher im Polizeibericht die ethnische Herkunft der Straftäter unterschlug, könnte man in der Berichterstattung über die Euro-Krise künftig auf jede nationale Identität der Hilfsempfänger verzichten. Statt von Griechen oder Portugiesen wäre dann einfach von den Bewohnern eines südeuropäischen Landes die Rede - oder, besser noch: von unseren europäischen Mitbürgern im Süden.
Vielleicht trägt das dazu bei, die Stimmung in Europa zu heben.
Man muss in diesen Tagen aufpassen, was man sagt. Ein unvorsichtiger Satz, und schon schlagen die Emotionen über einem zusammen. Ich weiß, wovon ich rede. Als ich vor kurzem anlässlich des Kreuzfahrtunglücks vor Giglio ein paar launige Bemerkungen über die Italiener im Besonderen und dann auch Allgemeinen machte, stand halb Italien Kopf. Sogar der italienische Botschafter in Berlin schaltete sich ein, um mich ins Gebet zu nehmen. Ich bin nur froh, dass Italien im Schengen-Raum ist. Nachdem, was ich über mich in der italienischen Presse gelesen habe, weiß ich nicht, ob man mich bei der Grenzkontrolle noch ohne Weiteres ins Land gelassen hätte.
Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass ich nicht der einzige bin, der in dieser schwierigen Zeit unwillentlich diplomatische Verwicklungen auslöste. Wer hätte gedacht, dass man auch in Athen SWR 2 hört. Aber kaum hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble vor zwei Wochen in einem Radio-Interview mit seinem Heimatsender Zweifel an den Reformbemühungen der griechischen Politik geäußert, hieß es, er wolle die Griechen verhöhnen. "Wer ist Herr Schäuble, dass er Griechenland kränkt?", donnerte Staatspräsident Karolos Papoulias Richtung Berlin. Auch Schäuble hatte erkennbar die Kränkungsbereitschaft im Süden unterschätzt.
Kanzlerin in Nazi-Uniform
Das Meinungsklima meint es derzeit nicht besonders gut mit uns Deutschen. Kein Tag, an dem die Kanzlerin nicht irgendwo in eine Nazi-Uniform gesteckt wird und man wieder Hakenkreuze hervorkramt. Da nützt es auch nichts, dass wir brav ein Hilfspaket nach dem anderen schnüren. Wenn die Berechnungen der Experten stimmen, sind wir dabei längst über den Punkt hinaus, wo es nur um Bürgschaften geht.
Von den 130 Milliarden Euro, über die heute der Bundestag entscheidet, werden wir einen Gutteil nie wiedersehen. Doch wenn man die Kommentarlage in den Krisenregionen richtig deutet, für die das Geld bestimmt ist, dann wollen wir damit nur vollenden, was unseren Großvätern vor 70 Jahren nicht gelang (ungeachtet der Tatsache, dass sich die Hitler-Forschung außerhalb Griechenlands ziemlich einig ist, dass der Nationalsozialismus seine Terrorherrschaft über Europa nicht mit einem Hilfsprogramm begonnen hat).
Es fehlt nicht mehr viel, und sie verbrennen deutsche Flaggen. Aber halt, auch das tun sie ja bereits. Man kannte das bislang nur aus arabischen Ländern, wo die Jugend bei jeder sich bietender Gelegenheit auf die Straße rennt, um gegen den Satan USA zu Felde zu ziehen. Aber so ist es, wenn man aus Sicht anderer als zu erfolgreich, zu selbstbewusst, zu stark gilt. Wir sind jetzt die Amerikaner Europas. Der Rollenwechsel wird nicht leicht, das kann man schon heute sagen. Wir sind es gewohnt, dass man uns für unsere Effizienz und unseren Fleiß bewundert, nicht, dass man uns dafür hasst.
Das tückische Gefühl der Unterlegenheit
Bevor wir uns über so viel Undank beklagen, sollten wir uns daran erinnern, dass wir dieses Entlastungsspiel jahrelang selber mitgemacht haben. So lange der Weltbösewicht Amerika hieß, waren die Deutschen gerne mit von der Partie, wenn es darum ging, sich auf Kosten anderer gut zu fühlen. Auch die Amerikaner hätten allen Grund gehabt, ein wenig Dankbarkeit zu erwarten, schließlich waren es ihre Männer und Frauen in Uniform, die am Ende für Ordnung sorgen mussten, wenn irgendwo ein Diktator seinen Blutrausch auslebte, während die internationale Gemeinschaft übers Händeringen nicht hinaus kam.
Auf die Funktion der USA als Weltpolizist haben sich alle insgeheim verlassen, so wie sich unsere Nachbarn jetzt darauf verlassen, dass die Deutschen den Euro retten. Leider ist das Gefühl der Unterlegenheit mindestens so tückisch wie das der Überlegenheit.
Natürlich kann man versuchen, sich kleiner zu machen, als man ist. Man wird sehen, wie weit einen diese Selbstverleugnung bringt. Wenn man das Beispiel der USA heranzieht, liegt die Vermutung nahe: nicht besonders weit. Unter Jimmy Carter waren die Amerikaner nicht viel beliebter als unter Ronald Reagan, dabei war der Mann aus Georgia ein herzensguter Mensch, der von so vielen moralischen Skrupeln geplagt war, dass er am liebsten das Regieren gleich wieder eingestellt hätte. Auch die Wahl Obamas hat dem Image der USA nicht lange aufgeholfen, am Ende kann der Hegemon seine Größe nie auf Dauer verhehlen.
Die Zuneigung der Nachbarn erkaufen
Man kann auch versuchen, sich die Zuneigung der Nachbarn zu erkaufen. In gewisser Weise ist das die Politik, die gerade die Deutschen in Europa seit Jahrzehnten verfolgt haben. Nicht wenige Europapolitiker empfehlen deshalb eine Fortsetzung, nichts anderes bedeutet die Schuldenübernahme über eine stärkere Intervention der Zentralbank oder die lange favorisierten Euro-Bonds. Aber für eine Beruhigung der Gemüter per Überweisung sind die Summen vermutlich zu groß. Es geht ja jetzt nicht mehr um Tomatenseen und Kartoffelberge, die man mit deutschem Geld stopft beziehungsweise abträgt, sondern Haushaltslöcher, die so groß sind, dass komplette Volkswirtschaften darin verschwinden.
Wahrscheinlich müssen wir uns einfach daran gewöhnen, dass wir in manchen Ländern Europa für einige Zeit nicht mehr sehr beliebt sind. Notfalls verlegt man seinen nächsten Urlaub zur Abwechslung mal nach Amerika. Oder man gibt sich als Schweizer aus, gegen die hat im Augenblick keiner etwas.