S.P.O.N. - Im Zweifel links Margaret Merkel? So ein Quatsch!

Der Rettungsschirm wird immer größer, die Transferunion kommt, und Gauck wird Präsident: Die Kanzlerin erreicht alles, was sie nicht will. Den Ruf der neuen Eisernen Lady Europas trägt sie deshalb zu Unrecht. Thatcher wollte die Revolution. Merkel will nur das Amt.

Es gibt jetzt diesen Film über Margaret Thatcher. Meryl Streep spielt die frühere britische Premierministerin. Sie hat dafür einen Oscar gewonnen. Das wird ein Welterfolg. Kann man sich vorstellen, dass es mal einen Film über Angela Merkel gibt? In dem Nina Hoss die deutsche Bundeskanzlerin spielt? Dafür gäbe es nicht mal den Bambi. Und die Auslandsrechte würden höchstens nach Serbien verkauft. Merkel ist die mächtigere Politikerin, aber die schlechtere Geschichte. Dennoch lohnt der Vergleich zwischen den beiden Frauen. Vor allem mit Blick auf das Ende.

Für Angela Merkel wird es eng. Beim Bundespräsidenten hat sie sich nicht durchsetzen können, ihr Innenminister stellt sich zwischenzeitlich gegen sie, im Bundestag findet ihre Euro-Politik keine Kanzlermehrheit und in Karlsruhe scheitert ihre Politik der parlamentarischen Entmachtung. Und nun deutet sich auch noch an, dass sie sich nicht gegen den weltweiten Druck stemmen kann: Der Euro-Rettungsschirm wird immer teurer. So viel Niederlage ist Merkel nicht gewohnt.

Jede Amtszeit ist begrenzt, und sei es, dass der große Uhrmacher die Abberufung persönlich vornimmt. Wie aber kündigt sich das Ende an? Gibt es, wie bei Heine, eine Flammenschrift an der Wand, das Menetekel, und alle wissen, jetzt ist bald Sense?

Als Margaret Thatcher aufgab, hatten zwei ihrer wichtigsten Minister sie verlassen: Schatzkanzler Lawson war zurückgetreten, weil die Premierministerin ihren persönlichen Wirtschaftsberater dem Ressortchef vorzog. Und der von ihr des Außenministeramtes beraubte Vize-Premier Howe erklärte seinen Rücktritt, nachdem ihm die Chefin in den Rücken gefallen war.

Im Unterhaus sagte Howe damals einen beklemmenden Satz, der die politische Laufbahn der eisernen Lady beendete: "Nun ist es an der Zeit für andere, ihre eigene Antwort auf den tragischen Loyalitätskonflikt zu finden, mit dem ich selber vielleicht zu lange gerungen habe." Die Partei schickte der Premierministerin daraufhin die berüchtigten "men in grey suits", die ihr den Rücktritt nahelegten. Thatcher verstand und ging.

Der Streit galt Europa und der Währungspolitik. Das selbe Thema bedroht heute, zwanzig Jahre später, Merkels Herrschaft. Aber die CDU ist in schlechterem Zustand als es seinerzeit die Tories waren: Wer sollte der deutschen Kanzlerin eine solche Gesandtschaft von Männern in grauen Anzügen schicken? Und welcher von Merkels Ministern würde sich opfern, wie Howe und Lawson es getan haben?

Beide fanden ihre Parteien in erbärmlichem Zustand vor

Merkel und Thatcher, die Ähnlichkeiten sind ebenso augenfällig wie es der alles entscheidende Unterschied ist: Beide sind Naturwissenschaftlerinnen, Physikerin die eine, Chemikerin die andere. Beide fanden ihre Parteien in erbärmlichem Zustand vor. Thatcher nach der berüchtigten Kehrtwende ihres Vorgängers Edward Heath, der die britischen Konservativen auf sozialdemokratische Abwege geführt hatte. Merkel nach Kohls Ehrenwort-Affäre. Beide traten ihren Job als Trümmerfrauen und Reinigungskräfte an - weil die Männer zu feige für den Job waren. Beide versprachen Erneuerung.

Aber Thatcher wollte die Revolution. Merkel wollte nur das Amt. Das ist der Unterschied.

Thatcher hielt bis zum Ende an ihrer totalitären Vision fest, einer eigentümlichen Mischung aus radikalem Liberalismus und traditionellem Glauben an den starken Staat. Auch Merkel ist eine Radikale - aber ihre Radikalität liegt in ihrem grenzenlosen Pragmatismus. Sie ist zu buchstäblich jeder noch so atemraubenden Wende bereit und bleibt ihrem Kurs dennoch treu. Denn ihr Kompass weist immer dorthin, wo das nächste Ziel liegt. Es ist ein bisschen wie bei dem Piraten Jack Sparrow, nur dass Merkel ihre Ziele nicht selber wählt - weil sie außer dem Amtserhalt keine hat. Merkel hat die Maxime begriffen, die Brecht über Ibsens Theater aufgestellt hat: "Es ist nicht mehr der Mensch, der handelt, sondern das Milieu. Der Mensch reagiert nur."

Merkel opfert die Strategie zugunsten der Taktik

Sie wollte eigentlich weder Wehrpflicht noch Atomkraft abschaffen. Sie wollte weder eine europäische Wirtschaftsregierung noch eine Transferunion. Dennoch ist all das Ergebnis ihrer Politik. Und Joachim Gauck wollte sie sowieso nicht - und auch den wird sie bekommen.

Das Problem dabei ist aber, dass Merkels Politik, gerade weil sie keinem Prinzip und keinem Plan folgt, voller handwerklicher Fehler und Schwächen ist. Merkel opfert die Strategie zugunsten der Taktik. Und gleichzeitig werden dabei ihre Spielräume immer kleiner. Sie betreibt eine Form der Politik-Simulation, die nur einem Ziel dient: dem Amtserhalt. Auf Dauer hilft Merkels Impromptu-Politik aber weder der Energiewende noch der europäischen Integration. Gerade in Europa sind die Folgen der Durchwurstelei verheerend: Die Europäer verlieren zusehends die Geduld miteinander, die Gebenden ebenso wie die Nehmenden. Aber Merkel, die an anderer Stelle eine Spielerin sein kann, scheut das Risiko, die teure Euro-Rettung in den Sinnzusammenhang einer politischen Union zu stellen, der allein eine ausreichende Rechtfertigung für die verschifften Milliarden sein könnte. Sie wird dafür einen Preis zahlen: Beim nächsten Care-Paket für Europa wird Merkel die Vertrauensfrage stellen müssen.

Wenn man Margaret Thatcher, die voller politischer Überzeugungen war, mit Angela Merkel vergleicht, bei der man solche vergebens sucht, kommt einem das berühmte Gedicht über die "Hollow Men" von T. S. Eliot in den Sinn, über die hohlen Männer. Darin heißt es:

This is the way the world ends
Not with a bang but a whimper.

Thatchers politische Welt endete mit einem Knall. Worauf soll man sich bei Merkel einstellen? Auf eine ewige Kanzlerschaft mit stillem Ende. Oder doch auf einen krachenden Zusammenbruch?

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