Saarland SPD-Chef Maas baggert für Rot-Rot-Grün

Linken-Chef Lafontaine, der Chef der saarländischen Grünen Ulrich und der saarländische SPD-Chef Maas: Die endgültige Entscheidung fällt erst in neun Tagen
Foto: ddpHubert Ulrich zeigt noch einmal den grünen Plastik-Bagger mit den roten Rädern, bevor er geht. Strahlend natürlich, denn der Bagger zeigt, wie wichtig der saarländische Grünen-Chef gerade ist. Das Gefährt hat der SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas Ulrichs Tochter Mira geschenkt. Damit sich das Mädchen nicht so langweilt bei den öden Sondierungsgesprächen. Denn auch am Freitag hatte Ulrich den 19 Monate alte Blondschopf dabei. Wohl um in jeder Hinsicht gleiche Bedingungen zu schaffen. Am Donnerstag war Mira zum ersten Mal mit in der großen Politik, weil der Babysitter ausfiel und Papa mit FDP und CDU über eine mögliche Regierung im Saarland sprechen musste. Natürlich hat niemand gewagt zu protestieren.
Auch beim Baggerzeigen bemüht sich Ulrich nun, um jeden Preis den Eindruck zu vermeiden, dass er eine persönliche Koalitionspräferenz hat. Er und seine Drei-Mann-Fraktion haben es in der Hand, wer Regierungschef im Saarland wird - über den Start von Koalitionsgesprächen soll aber erst der Parteitag am 11. Oktober entscheiden. Eifrig sucht Ulrich deshalb nach dem endgültigen Abschluss aller Sondierungsgespräche nach schwarzen und gelben Stellen an dem Plastik-Gefährt, die für Jamaika stehen könnten. Doch trotz solcher Bemühungen wird man den Eindruck nicht los, dass die Gespräche an diesem Freitag zumindest ziemlich gut gelaufen sind.
Mit FDP und CDU rang Ulrich fast sechs Stunden lang - das Gespräch mit SPD und Linken dauert nur halb so lang. Es gebe "inhaltlich ein hohes Maß" an Übereinstimmung, sagt der Grünen-Chef außerdem am Freitag. Bei Wirtschafts-, Bildungs- und Energiefragen liegen die Parteien nah beieinander, beim Bergbau, den die Linke eigentlich retten wollte, wurde Kompromissbereitschaft signalisiert.
Vor allem aber ist Oskar Lafontaine, der am Morgen noch reichlich miesepetrig angereist war, nach dem Gespräch mit Maas und Ulrich plötzlich wieder blendend gelaunt. Nur mühsam kann dich der Interims-Fraktionsführer der Saarland-Linken ein Sieger-Lächeln verkneifen, als er mit Maas und Ulrich vor die Kameras tritt.
Lafontaines Siegerlächeln
Für Lafontaine ist die Regierungsbeteiligung im Saarland wichtiger denn je. Am Vortag ist der Traum von einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis in Thüringen mit einem lauten Knall geplatzt. SPD-ler und Linke überschütteten sich gegenseitig mit Schuldzuweisungen. Für Lafontaine ein gewaltiger Schlag. Er will über die Länder in der Bundespolitik mitmischen - mit Hilfe des Bundesrats. Wenn dort einmal die von der Union geführten Länder ihre Mehrheit verlieren, lassen sich viele schwarz-gelbe Gesetzesprojekte vortrefflich blockieren, so das Kalkül. Dafür braucht die Linke so viel Macht auf Landesebene wie möglich. Nach der Pleite in Thüringen soll deshalb nun zumindest die Regierungsbeteiligung im Saarland klappen. Unumwunden spricht Lafontaine am Freitag von der "bundespolitischen Aufgabe in diesem Projekt".
Doch trotz der zur Schau gestellten guten Laune müssen Lafontaine und auch Maas noch bibbern, bis in der kommenden Woche eine Entscheidung fällt. Denn sicher ist nichts.
Zwar dürfte auch Grünen-Chef Ulrich derzeit mächtig Druck aus Berlin kriegen. Aus Hauptstadt-Sicht muss ein Gegengewicht zur schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene geschaffen werden, die Präferenz der Bündnis-Grünen ist somit klar. Doch den 51-Jährigen Landes-Chef lassen entsprechende Hinweise offensichtlich ungerührt, das seien "Einzelmeinungen", behauptet er am Freitag. Seine Sturheit ist bis weit über die saarländischen Grenzen hinweg bekannt.
Zudem menschelt es heftig im Saarland. Zwei Landtags-Abgeordnete der Linken bringen Ulrich noch heute zur Weißglut: Das Verhältnis zur ehemaligen Grünen Barbara Spaniol etwa gilt als vergiftet. Sie wechselte 2007 ins Lafontaine-Lager - mitsamt ihrem Abgeordneten-Mandat. Die Fahnenflucht hat Ulrich ihr bis heute nicht verziehen. Zudem ist Spaniol mit Andreas Pollak verheiratet. Der Arzt war einst Weggefährte Ulrichs - und hatte lange verschwiegen, dass wegen dreier nichtbezahlter Badematten in einem Baumarkt gegen ihn ermittelt worden war. Ulrich vermutet Pollak auch hinter den Anschuldigungen bei der so genannten "Dienstwagenaffäre", die Ulrich fast die Karriere kostete. Dem Grünen-Chef wurde vorgeworfen, beim Kauf von mehreren Ford Mondeos Rabatte erschlichen zu haben. Das Verfahren wurde später eingestellt.
Auch den Abgeordneten Ralf Georgi zählt Ulrich zu Pollaks Dunstkreis. Vor den Sondierungsgesprächen forderte er deshalb von den linken Verhandlungsführern eine "Lösung" für die beiden Personalien. Doch was solle man in der Frage schon anbieten, sagt der Chef der saarländischen Linken Rolf Linsler am Freitag zu SPIEGEL ONLINE. Georgi und Spaniol seien schließlich gewählt. Die Frage sei in den Sondierungsgesprächen deshalb auch nur "gestreift" worden.
Am Ende entscheidet die Basis
Nicht zuletzt umschwärmen nicht nur Lafontaine und Maas den grünen Königsmacher derzeit mit Plastik-Baggern und Zugeständnissen. Auch CDU und FPD zeigen sich flexibel wie selten. Die Abschaffung der von den Schwarzen selbst eingeführten Studiengebühren scheint plötzlich genauso möglich wie der absolute Nichtraucherschutz in Kneipen, den die Grünen fordern. Selbst den Zeitplan für den Atomausstieg bezeichnet der bisherige Landesvater Peter Müller (CDU) plötzlich als "zunächst einmal verbindlich". Man solle lieber erneuerbare Energien fördern, statt über die Aufhebung dieser rot-grünen Errungenschaft zu diskutieren.
Nicht zuletzt können Lafontaine, Maas und Ulrich noch so freundliche Gespräche führen - am Ende entscheidet die grüne Basis. Und die Frage, mit wem man sich zusammentut, birgt offensichtlich Konfliktpotential: Zumindest hat Ulrich für die 1000-Mann-Partei kommende Woche gleich drei nicht-öffentliche Regionalkonferenzen angesetzt. Erst danach entscheidet der Parteitag.
Natürlich wird Ulrichs Empfehlung dabei Gewicht haben. Trotzdem weiß auch SPD-Spitzenkandidat Maas: Es geht für viele Grüne um "Grundsätzliches". Einige könnten sich eine Koalition mit den Linken einfach nicht vorstellen, andere scheuten instinktiv CDU und FDP als Bündnispartner, sagt Maas zu SPIEGEL ONLINE. Er ist überzeugt: Wenn sein Projekt scheitert, dann nicht an inhaltlichen Fragen, sondern an "emotionalen".
Anm. d. Red.:
Das Ermittlungsverfahren gegen Andreas Pollak wegen des Vorwurfs des versuchten Diebstahls von drei Badematten aus einem Baumarkt wurde gegen Zahlung von 10.000 Mark eingestellt.