Ministerpräsident von Sachsen Corona-Leugner besuchen Kretschmers Privatgrundstück

Michael Kretschmer: Schon im Mai im Gespräch mit Corona-Maßnahmen-Skeptikern
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Eine Gruppe von etwa 30 Menschen hat am Sonntagmorgen vor dem Privatgrundstück des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Großschönau gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Laut Polizeiangaben sprach der CDU-Politiker mit den etwa 30 Menschen am Gartenzaun. Nach etwa 15 Minuten endete die Debatte, und alle Personen verließen den Ort.
»Es war für mich keine bedrohliche Situation. Es ist mir wichtig mit den Menschen zu reden, in der Hoffnung, sie zu überzeugen«, sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Als jedoch eine Frau demonstrativ ein Halstuch in den Farben der Reichskriegsflagge über ihren Mund zog, sei für ihn eine Grenze erreicht gewesen.
»Dann habe ich das Gespräch abgebrochen. Das ging zu weit«, sagte der 45-Jährige. Betroffen habe ihn bei dem Gespräch gemacht, dass die protestierenden Menschen vor seinem Haus, einen »derartigen Unwillen zeigen, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.«
Schon im Mai stellte sich der Politiker bei einer Radtour aufgebrachten Corona-Maßnahmen-Skeptikern – ohne großen Erfolg.

Kretschmer am 16. Mai 2020 im Großen Garten in Dresden mit Anhängerinnen und Anhängern von Verschwörungstheorien
Foto: Sebastian Kahnert/ DPAMinisterpräsident gesteht Fehler ein
Eine Vielzahl der diesmal versammelten Menschen trug laut Polizei keinen Mund-Nasen-Schutz und hielt nur teilweise die erforderlichen Abstände ein. Die Beamten stellten die Identitäten der noch Anwesenden fest. Zudem wurde eine Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gestellt.
Am Freitag hatte Kretschmer Fehler in der Corona-Politik eingeräumt. Im Herbst sei die Landespolitik aufgrund der allgemeinen Stimmung zu zögerlich gewesen, mit harten Maßnahmen auf die Pandemie zu reagieren, sagte er im Interview der Chemnitzer »Freien Presse«. In der Rückschau wäre es besser gewesen, das Land deutlich früher herunterzufahren, »auch wenn das bestimmt viel Unverständnis in der Bevölkerung ergeben hätte.«
Erst durch den Besuch mehrerer Klinken in Sachsen am 11. Dezember sei ihm die Dramatik bewusst geworden, sagte Kretschmer: »Mir war nicht klar, dass das Personal in Aue schon seit sechs Wochen vor meinem Besuch am Limit arbeitete (...). Ich hätte mir gewünscht, dass ich früher gewarnt worden wäre.«
Der CDU-Politiker hatte sich im August mit den damals bereits heftig umstrittenen Wissenschaftlern Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg getroffen. Sowohl Bhakdi als auch Homburg gehören zum Lager der Corona-Relativierer, publizieren regelmäßig teils nachweislich falsche Zahlen, die belegen sollen, dass das Ausmaß der Pandemie nicht so schlimm sei. »Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer sagt: Der Lockdown war überzogen«, schrieb Homburg nach dem Gespräch zufrieden auf Twitter: »Da kommt etwas in Bewegung.«
Noch Mitte Oktober hatte sich Kretschmer mit dem Satz »Keine Hysterie, bitte« gegen neue Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche in Deutschland ausgesprochen. Nun hat Sachsen schon seit Wochen bei den Neuinfektionen die höchste Inzidenz aller Bundesländer.