Debatte über Polizeieinsatz gegen ZDF-Team Einer pöbelt, alle streiten

Sachsens Innenpolitiker beschäftigen sich mit dem Polizeieinsatz gegen ein ZDF-Team in Dresden. Einige finden: Die Beamten haben sich seltsam verhalten. Die CDU sieht es anders.
Demo von Pegida und AFD in Dresden

Demo von Pegida und AFD in Dresden

Foto: imago/Paul Sander

Der sächsische LKA-Mitarbeiter Maik G. pöbelt gegen Journalisten, er schreit "Lügenpresse, Lügenpresse" und wirft dem Kamerateam vor, eine Straftat zu begehen. Die herbeigerufenen Polizisten kontrollieren Presseausweise, nehmen Personalien auf - offenbar aber nicht die des Krakeelers.

Die Szene, die sich in der vergangenen Woche am Rande einer Pegida-Demo in Dresden abspielte, zieht weite Kreise. Die Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) nennt den Vorgang "besorgniserregend", sogar die Kanzlerin, gegen die sich die Demo richtete, hat sich inzwischen zu Wort gemeldet - aus Georgien, wo sie am Donnerstagnachmittag zur ersten Station ihrer Südkaukasus-Reise eintraf. "Ich will mich ausdrücklich zur Pressefreiheit bekennen. Jeder, der zu einer Demonstration geht, muss wissen, dass er Objekt dieser Pressefreiheit ist", mahnte Angela Merkel.

In Sachsen befasste sich an diesem Donnerstag nun der Innenausschuss des Landtags mit dem Fall. Dabei, so berichtete es ein Teilnehmer der Sitzung, habe sich insgesamt der Eindruck erhärtet, dass die Polizei ein seltsames Verhalten gegenüber den Journalisten an den Tag gelegt habe.

Zum einen seien die Personalien des "Mannes mit Hut", der am Mittwochabend als "Tarifbeschäftigter" des sächsischen Landeskriminalamts identifiziert worden war, nicht aufgenommen worden. Zum anderen seien die Beamten auf ein Angebot der Reporter, ihr Filmmaterial zur Beweissicherung zu sichten, nicht eingegangen. Obwohl offenbar eine Beweissicherungs- und Dokumentationseinheit der Polizei vor Ort war.

Maik G. arbeitet im LKA als Buchprüfer für Wirtschaftskriminalität, offenbar schreibt er für die Behörde auch Gutachten und tritt in Gerichtsprozessen auf. Verbindungen von Maik G. zur rechten Szene sollen der Polizeiführung und dem Inneministerium bisher nicht bekannt sein. In der Ausschusssitzung konnte nicht ausgeschlossen werden, dass G. mit Staatsschutzakten befasst war, allerdings würden dafür strenge Regeln gelten.

Unklar, ob es Konsequenzen für Maik G. geben wird

Der Fall sorgt auch deshalb für Aufregung, weil sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits am vergangenen Samstag via Twitter hinter die Polizisten gestellt hatte. Über das kursierende Video von dem Vorfall urteilte Kretschmer, die Polizisten seien die einzigen Personen, die darin seriös auftreten - was im Umkehrschluss bedeutete, dass er das Verhalten der Journalisten für unseriös hielt.

Von dieser Sichtweise hatte sich unter anderem der sächsische SPD-Landeschef und Wirtschaftsminister Martin Dulig distanziert. Es sei eine "journalistische Aufgabe, von öffentlichen Demos zu berichten", schrieb er Twitter. "Wer meint, sich kritiklos vor die Polizeibeamten stellen zu müssen, richtet eher Schaden an", sagt er.

Frank Kupfer, CDU-Fraktionschef in Sachsen, hatte später den Beitrag der Journalisten für das ZDF-Magazin "Frontal 21" kritisiert. Auf Facebook schrieb er: "Öffentlich rechtliche... dafür bezahlen wir Beiträge...". Kupfer erklärte, er habe den Beitrag als "sehr einseitig und tendenziös" empfunden. Grundsätzlich gelte, "wie Politik und Polizei müssen auch Medien Kritik aushalten und lernen damit umzugehen, besonders wenn sie gebührenfinanziert sind".

Ob Maik G. Konsequenzen drohen, ist noch unklar. Das LKA habe den Mann gebeten, seinen derzeitigen Urlaub zu unterbrechen, sagte der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU). Ungeachtet der Meinungsfreiheit erwarte er von "allen Bediensteten meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten".

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann verteidigte noch einmal das Vorgehen der Polizisten. Diese hätten "grundsätzlich korrekt" gehandelt. "Die Polizei genießt ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Dies darf nicht beschädigt werden."

Rechtfertigung der Polizei sei "Quark"

Anders sieht das der sächsische Innenexperte der Grünen, Valentin Lippmann. Die Polizeikontrollen des ZDF-Teams seien "rechtlich sehr schräg" hergeleitet worden. So habe die Polizei auf eine Gefahrenabwehr verwiesen - tatsächlich sei G. zu diesem Zeitpunkt der Kontrolle aber bereits verschwunden gewesen. "Es gab keine Gefahr", sagt Lippmann. Die Rechtfertigung der Polizeiführung sei "Quark".

Vorwürfe, die sächsische Polizei habe ein gestörtes Verhältnis zu Journalisten, sind nicht neu. Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hatte schon vor Jahren entsprechende Kritik an den Behörden geäußert. 2011 beklagte er im Nachgang zu drei Demonstrationen gegen rechts in einem Bericht für den Landtag, die Staatsanwaltschaft Dresden und das LKA Sachsen hätten die spezifischen Rechte von Abgeordneten, Rechtsanwälten und "Journalisten in Ausübung ihrer Tätigkeit unzureichend beachtet". Beide Behörden hätten "damit mangelnden Respekt vor der Pressefreiheit gezeigt". Er bewertete das Vorgehen als "besonders schwerwiegend".

Teilnehmer der Innenausschusssitzung fordern nun, die Ausbildungsstandards der Polizei zu überprüfen und auszubauen. Am Freitag wollen sich die Journalisten mit der Polizei treffen und ihre Sicht der Dinge schildern.

Mit Material der Agenturen
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