Begründung im Parteiverfahren gegen Ex-Fraktionschefin Wagenknecht hat der Linken »schweren Schaden zugefügt« – darf aber bleiben

Der Versuch, Sahra Wagenknecht aus der Linken auszuschließen, ist gescheitert. Das zuständige Gremium rüffelt in seiner schriftlichen Begründung die Parteispitze – kritisiert allerdings auch die Ex-Fraktionschefin scharf.
Ex-Linkenfraktionschefin Sahra Wagenknecht

Ex-Linkenfraktionschefin Sahra Wagenknecht

Foto: Stefanie Loos/REUTERS

Vor einigen Wochen hat die Landesschiedskommission der Linken in Nordrhein-Westfalen den von einigen Mitgliedern beantragten Parteiausschluss von Sahra Wagenknecht einstimmig abgelehnt. Nun hat das Gremium diesen Schritt schriftlich begründet, zuerst hatte das Portal Queer.de darüber berichtet. Das 43-seitige Dokument liegt dem SPIEGEL vor.

Demnach soll Wagenknecht der Partei zwar »schweren Schaden« zugefügt haben, wird aber nicht ausgeschlossen, weil dieser nicht allein der Antragsgegnerin anzulasten sei. Verantwortung habe ebenso die Partei, »die seit vielen Jahren den mit zunehmender Härte geführten Konflikt« um Wagenknechts Ansichten nicht politisch löse, sondern verschleppe.

Die Parteiführung habe das eigene Programm nicht gegen die Angriffe von Wagenknecht verteidigt: »Spätestens nachdem das vorliegende Parteiausschlussverfahren eingeleitet wurde, wäre es angebracht gewesen, dass der Parteivorstand die inhaltlichen Positionen des Parteiprogramms gegen die Angriffe der Antragsgegnerin verteidigt.« Es sei nicht Aufgabe der Schiedskommission, diesen politischen Konflikt zu klären.

Überraschend ist, wie deutlich die Schiedskommission dennoch Wagenknechts Verhalten kritisiert, insbesondere ihr Buch »Die Selbstgerechten« steht im Fokus. Die dort vertretenen Positionen zur Migrationspolitik, zur Diskriminierung von Frauen und Minderheiten sowie zum Nationalismus würden eindeutig den Grundsätzen der Partei entgegenstehen.

Wagenknecht hatte sich darin etwa für eine harte Begrenzung der Arbeitsmigration auch innerhalb der Europäischen Union ausgesprochen. Zudem verteidigte sie den bei den Linken umstrittenen Begriff der »Leitkultur«. Menschen, die ethnischen oder sexuellen Minderheiten angehören, bezeichnete Wagenknecht in ihrem Buch als »skurrile Minderheiten mit Marotten«.

Wagenknecht befördere »rechtspopulistische Ressentiments«

Es sei aus Sicht der Partei nicht hinzunehmen, wenn Wagenknecht »in herablassender Weise über Menschen urteilt, die sich für Migranten, Frauen, sexuelle Minderheiten, Tier- oder Klimaschutz engagieren«. Wagenknecht befördere »konservative und rechtspopulistische Ressentiments«, so die Landesschiedskommission in ihrer Begründung.

»Auf einer Kreisversammlung so zu formulieren wie die Antragsgegnerin, wäre nur grob unfreundlich. Es in einem Buch zu tun, das es auf die SPIEGEL-Bestsellerliste schafft, ist dagegen ein erheblicher Verstoß gegen das Loyalitätsgebot.«

Die Form und der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buchs kurz vor der Bundestagswahl seien zudem »grob unsolidarisch und illoyal gegenüber der Partei«. Wagenknechts Begrifflichkeit sei »herabsetzend« und mitunter »spöttisch«. Dadurch gefährde sie den »inneren Frieden in der Partei«.

Die Linke befindet sich seit Jahren im Dauerstreit mit ihrer bekanntesten Genossin. Zuletzt hatte Wagenknecht kurz nach der Wahl die eigene Partei kritisiert.

Mehrere Mitglieder werfen ihr vor, sich der innerparteilichen Diskussion zu verweigern. So erscheine Wagenknecht nicht zu Parteitagen oder Fraktionssitzungen, bringe keine Anträge ein, verweigere Gespräche, aber äußere sich öffentlich in Interviews.

til
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