
Deutschland, Iran und Saudi-Arabien Schrecklich unverzichtbare Partner

Innerhalb von wenigen Tagen hat sich im Nahen Osten ein neuer Großkonflikt zusammengebraut: Das saudische Königshaus lässt an einem Tag 47 Menschen hinrichten, darunter einen schiitischen Geistlichen, kurz darauf brennt die saudische Botschaft in Teheran, dann kappt das sunnitische Riad die diplomatischen Beziehungen zum schiitischen Teheran, schließlich zieht auch das mit Saudi-Arabien verbündete Königshaus von Bahrain nach.
Noch ist nicht abzusehen, wie diese explosive Mischung, die den ganzen Nahen Osten erschüttern kann, zündet. In Teheran reagieren zwar die Konservativen erwartungsgemäß schrill, doch die gemäßigten Kräfte in der Regierung sind bislang zurückhaltend. Sie tun gut daran, hoffen sie doch nach dem Atomkompromiss auf ein Ende des westlichen Boykotts und einen Wirtschaftsaufschwung ihres Landes.
In dieser Lage wird von Teilen der deutschen Opposition und von Einzelnen in der Koalition, wenn auch gemäßigter im Tonfall, nach einer Überprüfung der Beziehungen zu Saudi-Arabien gerufen, auch nach dem Stopp oder weiteren Restriktionen bei Waffenexporten. Riad eignet sich eben zu gut als böser Bube. Allein die politisch-kulturelle Differenz ist so groß wie zu kaum einem anderen Gesprächspartner. Hier werden elementare Menschenrechte missachtet, Menschen hingerichtet, Frauen und Mädchen (trotz einiger Fortschritte) weiter diskriminiert.
Diplomatie kann nicht ausschließlich moralisch sein
Es ist eine Krux: Mit moralischen Appellen allein steht man in der Außenpolitik bald ziemlich einsam da. Folgte Deutschland allein der Moral, dürfte es auch keine Kontakte zu China, Kuba, Vietnam, Russland und so vielen anderen Staaten dieser Erde pflegen und mit ihnen Geschäfte machen. Auch dort werden die deutschen Maßstäbe für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte nicht eingehalten. Warum gibt sich die Bundesrepublik dann mit solchen Staaten ab? Ein Blick auf die Welt-und Wirtschaftskarte gibt die Antwort, in diesem Falle sind es die Ölvorkommen: Saudi-Arabien ist einer der wichtigsten Faktoren der Weltökonomie.

Nimr-Hinrichtung: Schiiten weltweit wütend auf Saudi-Arabien
Das Königshaus in Riad war schon immer ein schwieriger Partner. Erschwerend kommt nun hinzu, dass die saudische Führung nach dem Tod von König Abdullah verunsichert wirkt und einen aggressiveren außenpolitischen Kurs einschlägt. Das sunnitische Land interveniert nicht nur mit eigenen Truppen im Jemen, es ist - neben dem schiitischen Teheran - auch einer der maßgeblichen Akteure im Krieg in Syrien.
Dieser Krieg ist eine der Ursachen dafür, dass Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Allein schon aus Eigeninteresse muss Berlin daher an tragfähigen Beziehungen zu Riad gelegen sein, will es auch nur eine Aussicht auf ein Ende des gegenseitigen Abschlachtens bewahren. Mit großen Mühen ist es dem Westen zuletzt gelungen, Riad und Teheran zur Teilnahme an den Syrien-Gesprächen in Wien zu bewegen. Saudi-Arabien hat dabei eine Schlüsselrolle übernommen - es versucht, die syrische Opposition zu einigen und will so mithelfen, einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden. Ob das realistisch ist und was am Ende dabei herauskommt, weiß im Augenblick niemand. Doch gerade das ist die Aufgabe der Außenpolitik - das scheinbar Unmögliche möglich zu machen.
Im diplomatischen Umgang mit dem stolzen Königshaus in Riad war schon immer viel Fingerspitzengefühl nötig. Dafür braucht es Kontakte, Gesprächskanäle, auch Zurückhaltung, wo sich andere, die nicht im diplomatischen Korsett stecken, deutlichere Worte und Taten wünschen.
Berlin hat einen Vorteil, um den es manche im Westen beneiden: Es unterhält Kontakte zu beiden Seiten, seit dem Atomkompromiss verstärkt wieder zu den Gemäßigten in Teheran und seit Langem zum Königshaus in Riad. Man mag in Deutschland über (noch restriktivere) Rüstungsexporte nachdenken, das wird Saudi-Arabien längst eingepreist haben. Es wäre jedoch fahrlässig, wenn die Bundesregierung in dieser - um es vorsichtig auszudrücken - komplexen Lage ihren Kurs dramatisch ändern würde. Niemandem wäre damit gedient - am wenigsten Deutschland.