»Dämliches Stück Hirn-Vakuum« Landgericht Heilbronn weist Cheblis Beleidigungsklage ab

Sawsan Chebli ging juristisch gegen einen üblen Facebook-Kommentar vor – und ist mit ihrer Beleidigungsklage nun vor dem Landgericht Heilbronn gescheitert. Die SPD-Politikerin reagiert empört.
Sawsan Chebli

Sawsan Chebli

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Christophe Gateau / dpa

Die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung ist nicht eindeutig bestimmt. Was noch in Ordnung und was justiziabel ist – darüber gehen die Meinungen auseinander. Das Landgericht Heilbronn hat nun eine Entscheidung gefällt, die die Grenzen des Erlaubten ziemlich weit zieht.

Im Zentrum des Falls steht eine Klage der Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Über sie war in einem Facebook-Eintrag von 2020 geschrieben worden: »Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli«. Das fasste Chebli, einst Mitglied des Berliner Senates, wenig überraschend als Beleidigung auf – und verlangte eine Entschädigung.

Richterin sieht Bezug zu sachlicher Auseinandersetzung

Doch daraus wird nichts. Eine Richterin des Heilbronner Gerichts wies die Klage ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass die Aussage »noch von der Meinungsfreiheit« umfasst sei.

Nicht von der Meinungsfreiheit umfasst sei im Falle von Wertungen die »Schmähkritik, Formalbeleidigung sowie Angriffe auf die Menschenwürde«, so die Richterin. Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn sei gegeben, wenn eine Äußerung keinen nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe. Dieser Bezug sei aber in dieser Sache laut Richterin anzunehmen.

Die Entscheidung wurde am 22. März verkündet, wie das Gericht auf SPIEGEL-Anfrage mitteilte. Das Urteil lag der Nachrichtenagentur dpa vor. Bislang ist dem Gericht nicht bekannt, dass gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wurden.

»Das Gericht sendet mit dieser Entscheidung ein fatales Signal«

Sawsan Chebli

Chebli äußerte sich entsetzt über die Entscheidung des Landgerichts. »Das Gericht sendet mit dieser Entscheidung ein fatales Signal. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man Menschen aufs Übelste beleidigen und diffamieren darf«, sagte sie. Hass und Hetze seien keine Meinung und das Netz kein rechtsfreier Raum. Die Organisation HateAid, die Chebli bei der Klage unterstützt hatte, sprach von einem »ernüchternden Urteil«.

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Chebli ist online immer wieder Ziel von Anfeindungen und Morddrohungen. Sie hat über das Thema ein Buch geschrieben. Darin wird die Politik aufgefordert, US-Plattformen wie Facebook und Twitter noch stärker als bisher zu regulieren, damit Menschen sich angstfrei im Netz bewegen könnten. Zudem sei das Buch als Aufruf an die Zivilgesellschaft zu verstehen, »die Beobachterrolle zu verlassen und Zivilcourage zu zeigen«, sagte Chebli. Die Menschen müssten ihr Verhalten im Netz reflektieren und erkennen, dass Hass gegen Einzelne nicht allein die Betroffenen etwas angehe, sondern etwa auch eine Gefahr für die Demokratie sei.

Anmerkung: In einer früheren Version hieß es aufgrund einer Mitteilung des Gerichts, die Entscheidung sei am 23. Februar verkündet worden. Tatsächlich geschah dies am 22. März, wie das Gericht inzwischen richtiggestellt hat. Wir haben die entsprechende Stelle angepasst.

ulz/dpa

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