Appell nach Schweizer Votum Schäuble fordert Abgrenzung von Euro-Skeptikern

Nach dem Schweizer Zuwanderungs-Votum wirbt Finanzminister Schäuble für die Freizügigkeit in der EU. Diese sei "Quelle für Wohlstand und Wachstum". Er verlangt vor den Europawahlen eine klare Abgrenzung zu Rechtspopulisten und Euro-Skeptikern.
Finanzminister Schäuble: "Wir müssen im Europawahlkampf klarmachen, wie sehr die Menschen von der Freizügigkeit profitieren"

Finanzminister Schäuble: "Wir müssen im Europawahlkampf klarmachen, wie sehr die Menschen von der Freizügigkeit profitieren"

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Berlin/Bern - Nach dem Schweizer Volksentscheid für harte Zuwanderungsregeln hat sich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu Wort gemeldet. Er bedauerte die Entscheidung der Eidgenossen. Die Politiker müssten ernst nehmen, dass das Thema Zuwanderung die Menschen mobilisieren könne, nicht nur in der Schweiz, warnte der Christdemokrat in den "Stuttgarter Nachrichten".

Dabei sei gerade die Freizügigkeit einer der wesentlichen Fortschritte in Europa. "Auch als Quelle für Wohlstand und Wachstum. Offenheit nützt uns, das müssen wir immer wieder klarmachen", betonte Schäuble. "Wir müssen im Europawahlkampf klarmachen, wie sehr die Menschen von der Freizügigkeit profitieren."

In Umfragen verzeichnen rechtspopulistische Parteien in mehreren EU-Ländern vor der Europawahl Ende Mai deutliche Zuwächse. Erste Projektionen deuten daraufhin, dass die Euro-Skeptiker und Rechtspopulisten ihre Sitze im neuen Europaparlament verdoppeln könnten. Die Projektionen haben allerdings nicht die Bedeutung klassischer Umfragen, da sie oftmals auf Ergebnissen nationaler Erhebungen beruhen.

Allianz gegen Europa

Der rechtsextreme Front national von Marine Le Pen ist laut Umfragen stärkste Kraft in Frankreich mit 23 bis 25 Prozent Zustimmung. Er will im neuen Europaparlament eine Anti-Europa-Allianz mit der "Partei für die Freiheit", kurz PVV, von Geert Wilders schließen. Dieser fordert eine Begrenzung der Einwanderung und warnt immer wieder vor einer "Islamisierung der Niederlande". Vor kurzem hatte er mit Äußerungen für Aufsehen gesorgt, wonach es den Niederlanden bei einem Austritt aus der EU wirtschaftlich besser gehen würde.

Anschließen dürfte sich dem rechtspopulistischen Bündnis unter anderem auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Vorsitz von Heinz-Christian Strache. Er geht mit Parolen gegen Zuwanderung, den Euro und Hilfen für europäische Krisenstaaten auf Stimmenfang.

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat sich von Wilders und Le Pen zwar distanziert, will aber offenbar aus der Diskussion über das Schweizer Votum Profit schlagen - und empfiehlt die Schweiz als gutes Beispiel für die Kontrolle der Einwanderung. "Unabhängig vom Inhalt des Schweizer Referendums ist auch in Deutschland ein Zuwanderungsrecht zu schaffen, das auf Qualifikation und Integrationsfähigkeit der Zuwanderer abstellt und eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam unterbindet", sagte AfD-Sprecher Bernd Lucke am Montag. Seine Partei bekommt derzeit in Umfragen zu den Europawahlen sechs bis sieben Prozent Zustimmung.

Die Europawahlen finden zwischen dem 22. und 25. Mai statt, die Deutschen wählen wie die meisten EU-Bürger am letzten Tag.

Schweizer Votum zu "Masseneinwanderung"

Die deutsche Exportwirtschaft warnte vor den politischen und wirtschaftlichen Folgen des Votums. Es sei zu befürchten, dass die Zuwanderungsgegner auch hierzulande Auftrieb bekommen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands BGA, Gerhard Handke, der Zeitung "Die Welt". Auch auf den Handel werde das Referendum Auswirkungen haben. Man könne nicht für freien Warenverkehr sein und zugleich Menschen aus den Partnerstaaten nicht mehr ins Land lassen. "Wenn die Schweizer ernsthaft die Rollläden herunterlassen, ist das für die Schweiz eine Katastrophe, aber auch für die EU ist das unangenehm."

Er gehe davon aus, dass die Regierung in Bern das Referendum nur ganz vorsichtig umsetzen werde, so Handke. "Möglicherweise überdenken die Schweizer ja auch noch einmal ihren eigenen Standpunkt." Weder die Regierung noch die großen Parteien, die Wirtschaft und die Gewerkschaften in der Schweiz hätten ein Interesse daran, das Land abzuschotten.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet machte sich für eine entschlossene Haltung gegenüber der Schweiz stark. "Wer gegen Deutsche und andere EU-Bürger Stimmung macht, kann nicht gleichzeitig von Geschäften in Deutschland profitieren", sagte er der "Rheinischen Post". Die Abkommen mit den Eidgenossen regelten Freizügigkeit, Zugang zum Binnenmarkt und Zollfreiheit. "Wenn die Schweiz dies nicht mehr will, wird sie in Zukunft auch keinen erleichterten Zugang zur EU haben können."

EU stoppt Gespräche über Stromabkommen

Die EU-Kommission kündigte bereits Folgen für mehrere wirtschaftlich wichtige Abkommen mit den Eidgenossen an. Sie setzte am Montag die Gespräche über einen grenzüberschreitenden Stromhandel aus. Das weitere Vorgehen wolle sie im größeren Kontext der bilateralen Beziehungen analysieren.

Das Abkommen mit der Schweiz soll einen geplanten Energie-Binnenmarkt der 28 EU-Staaten ergänzen. Die Teilnahme der Schweiz wäre wichtig für die Anbindung von Staaten wie Italien.

Die Schweizer hatten am Sonntag mit hauchdünner Mehrheit mit 50,3 Prozent für die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" der rechtskonservativen und EU-feindlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP) gestimmt. Die Regierung hat drei Jahre Zeit, den Volksentscheid umzusetzen.

heb/dpa/Reuters
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