"Schlächter von Lyon" Nazi-Verbrecher Barbie war BND-Agent

NS-Verbrecher Barbie (r., 1987 bei seiner Verurteilung in Lyon): "Kerndeutsche Gesinnung"
Foto: ? Luc Novovitch / Reuters/ ReutersHamburg - Klaus Barbie arbeitete zeitweise für den Bundesnachrichtendienst (BND). Der Nazi-Verbrecher, am Ende des Zweiten Weltkriegs Hauptsturmführer der SS und zwischen 1942 und 1944 Gestapo-Chef in Lyon, lebte seit 1951 unter dem Falschnamen Klaus Altmann in Bolivien, dort wurde er im Frühjahr 1966 vom BND angeworben. Er sei "kerndeutscher Gesinnung" und "entschiedener Kommunistengegner", heißt es in BND-Akten über den Mitarbeiter "Adler" mit der Registriernummer V-43118.
Barbie alias Altmann lieferte als "politische Quelle" mindestens 35 Berichte, die Honorare dafür wurden ihm über eine Filiale der Chartered Bank of London in San Francisco überwiesen. Was er dem BND meldete, ist nicht bekannt. Wenige Wochen nach seiner Anwerbung übernahm er die bolivianische Repräsentanz eines Bonner Unternehmens, das weltweit überschüssiges Rüstungsmaterial der Bundeswehr verkaufte. Nach den BND-Aufzeichnungen sollte er immer dann einen Hinweis geben, wenn es den Bolivianern an Waffen oder Munition mangelte.
Der BND trennte sich im Winter 1966/67 von Barbie alias Altmann. Offenbar war der Zentrale in Pullach das Risiko zu groß, feindliche Geheimdienste könnten den Mörder mit seiner Vergangenheit erpressen. Damals ermittelten deutsche Staatsanwälte gegen ihn wegen NS-Verbrechen, zuvor hatten französische Gerichte Barbie in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach seiner Auslieferung nach Frankreich 1983 wurde er in Lyon zu lebenslanger Haft verurteilt, 1991 starb er im Gefängnis.
Immer mehr Inhalte aus den Geheimakten des BND kommen zurzeit ans Licht. Erst vor wenigen Wochen kam heraus, dass der deutsche Nachrichtendienst bereits acht Jahre vor dessen Verhaftung durch israelische Agenten wusste, wo sich der Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann aufhielt.
In den kommenden Monaten könnte es zu noch mehr Enthüllungen aus dem umfangreichen Geheimarchiv kommen. Der BND verhandelt seit Wochen mit vier namhaften Historikern, weil diese die Geschichte des Dienstes in seinen ersten Jahrzehnten aufarbeiten und dafür vollen Zugang zu allen BND-Akten bekommen sollen, auch zu den "geheim" und "streng geheim" gestempelten Papieren. Noch ist der Vertrag zwischen dem BND und den Wissenschaftlern nicht unterschrieben, aber alle Beteiligten sind optimistisch, dass man sich demnächst einigt. Es wäre der Start für das wohl ungewöhnlichste und spannendste Geschichtsprojekt der vergangenen Jahre.