Schleswig-Holstein und die Folgen FDP feiert ihr Comeback, SPD ernüchtert

FDP in Feierlaune: Ist das schon die gelbe Wiederauferstehung?
Foto: Sven Hoppe/ dpaBerlin/Kiel - In den vergangenen Monaten liefen Wahlabende so ab: Lange Gesichter bei der FDP, bräsige Zufriedenheit bei der CDU. Doch diesmal durften die Liberalen jubeln. Der Überraschungserfolg von Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein gibt der Partei Auftrieb. Dass die Liberalen knapp sieben Prozent verloren haben im Vergleich zur letzten Landtagswahl, egal. Mit dem klaren Wiedereinzug der FDP in den Kieler Landtag kann auch der dortige Spitzenkandidat Christian Lindner auf einen Erfolg in Nordrhein-Westfalen hoffen. Darauf setzen die Liberalen. Die Krise der FDP scheint fürs erste überwunden.
So schnell kann das gehen. Noch vor über einem Monat im Saarland demütigende 1,2 Prozent, jetzt über acht Prozent in Schleswig-Holstein. "Das Ergebnis stabilisiert die Partei, es stabilisiert auch Personen", sagt einer aus der FDP-Führung.
Ist der 39-jährige Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister nun also aus dem Schneider? Philipp Rösler kann zumindest für einen Moment aufatmen - die Diskussion darüber, ob er der richtige an der Spitze ist und die Partei in die Bundestagswahl 2013 führen sollte, dürfte aber weitergehen. Einzelne in der FDP-Führung denken über seine Ablösung nach, wie der SPIEGEL berichtet. Das zeigt zumindest eines: wie labil das Kräfteverhältnis ist. Denn von Rösler ist im Zusammenhang mit Schleswig-Holstein kaum die Rede, der Parteichef tritt am Wahlabend nicht vor die Kameras, erst am Montag wird er vor die Presse gehen.
Neue Machtoption: die Ampel
Umso mehr rückt der Kieler Spitzenkandidat ins Zentrum, der darauf bedacht war, Distanz zur Bundespartei zu halten. "Das ist ein großartiger Erfolg von Wolfgang Kubicki und seinem Team, der die ganze FDP stärken wird", sagt Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle, wobei das Wort vom "Team" den liberalen Solotänzer von der Kieler Förde gleich wieder einhegen soll. Kubickis Erfolg ist gut für die FDP, aber er soll ihm nicht zu Kopfe steigen. Doch der Mann aus den Norden hat schon jetzt viel mehr für die Liberalen bewegt - und vielleicht auch für Lindner am kommenden Sonntag in NRW.
Die Wahl in Schleswig-Holstein hat die FDP nicht nur wiederbelebt, sondern auch ihrer Machtoptionen erweitert. In Kiel ist zumindest schon jetzt theoretisch auch eine Koalition aus SPD, Grünen und der Kubicki-FDP möglich.
Die CDU kann mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Zwar beschwört man am Abend im Konrad-Adenauer-Haus eine Große Koalition unter Führung von Spitzenkandidat Jost de Jager - aber das klingt doch arg bemüht. Natürlich wissen die Strategen um Generalsekretär Hermann Gröhe und Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier ganz genau, dass die Sozialdemokraten alles tun werden, um nicht als Juniorpartner in ein Bündnis mit der CDU zu gehen. Da können sie noch so sehr an die "staatspolitische Verantwortung" appellieren und de Jager zum nächsten Ministerpräsidenten ausrufen.
Zum Feiern ist den Sozialdemokraten dennoch nicht zu Mute: Sie hatten sich mehr erhofft. Wie so oft liegt die SPD wohl knapp hinter der Union, das Ergebnis von etwa 30 Prozent ist alles andere als berauschend - Spitzenkandidat Thorsten Albig hatte sein Wahlziel mit "40 Prozent plus x" beziffert. Das ist gründlich schief gegangen. Eine Woche vor den wichtigen Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen ergibt das nicht gerade Rückenwind für Düsseldorf, entsprechend gedämpft ist die Stimmung in der Bundeszentrale der SPD.
Parteichef Sigmar Gabriel hat die undankbare Aufgabe, vor den verunsicherten Genossen im Atrium des Willy-Brandt-Hauses das Wahlergebnis schön zu reden. Gerade einmal fünf Minuten dauert sein Auftritt. "Es gibt zwei Parteien, die verloren haben, das sind CDU und FDP", ruft er. Die SPD dagegen habe "drastisch" zugelegt. Wer das nicht erkenne, habe mathematische Schwächen. Da kommt so etwas wie Jubel auf.
SPD setzt auf die Dänen-Ampel
Klar ist: Das Ergebnis aus Kiel dürfte in der SPD noch für Diskussionen sorgen, auch mit Blick auf die Strategie für die Bundestagswahl. Teile der Berliner SPD-Spitze, darunter Gabriel selbst, hatten keinen Hehl aus ihrer Skepsis gegenüber dem Watte-Wahlkampf von Albig gemacht. Schon im Saarland war die wenig konfrontative Herangehensweise der Sozialdemokraten schief gegangen. Gabriel und all jene, die sich eine härtere Auseinandersetzung mit der Union wünschen, dürften die beiden Urnengänge nun als Beleg dafür interpretieren, dass Kuschelwahlkämpfe den Sozialdemokraten eher schaden als nutzen.
Bei den Grünen nimmt man vor allem eines mit aus der Wahl in Schleswig-Holstein: Klare Kante im Wahlkampf mit einem markanten Spitzenkandidaten wie Robert Habeck zahlt sich aus, genau wie die offene Auseinandersetzung mit der Piratenpartei. Die Politik-Aufsteiger des Jahres schaffen zwar auch in Kiel souverän den Sprung in den Landtag, aber die Grünen haben dennoch ihr Ergebnis verbessern können. "Wir haben Platz 3 in Schleswig-Holstein erobert", sagt Parteichef Cem Özdemir unter dem Jubel seiner Anhänger in der Berliner Grünen-Zentrale. Das Signal aus Sicht von Özdemir & Co: Wir machen weiter unser Ding - und trotzen den Piraten.
Auch in NRW soll das kommenden Sonntag klappen: Dann wollen die Grünen die Minderheitsregierung mit der SPD ablösen - durch eine gemeinsame Koalition mit eigener Mehrheit.
Es wird eine ganz enge Kiste in Düsseldorf, aber auch wegen der schwächelnden Linkspartei ist Rot-Grün weiterhin möglich in NRW. Denn die Linke fliegt in Kiel aus dem Landtag und muss sich kommenden Sonntag auf die nächste Niederlage einstellen. "Wir haben uns in den letzten Monaten viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt", sagte Linke-Chef Klaus Ernst in der Berliner Parteizentrale. Umfragen sehen die Partei derzeit zwischen drei und vier Prozent in NRW. Was für den Einzug ins Parlament fehlt, könnte am Ende Rot-Grün zur Mehrheit verhelfen.