Schnüffel-Stasi-Vergleich Pofalla legt Bundestagsvize Thierse Rücktritt nahe

Der Ton im Streit um die Entnahme von Geruchsproben von Globalisierungskritikern wird schärfer. Nachdem Wolfgang Thierse das Vorgehen mit Stasi-Methoden verglichen hatte, legte nun CDU-Generalsekretär Pofalla dem Bundestagsvizepräsidenten den Rücktritt nahe.

Berlin - CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla attackierte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nach dessen harscher Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen vor dem G-8-Gipfel scharf. "Ein Bundestagsvizepräsident, der Ermittlungen in unserem Rechtsstaat mit Stasi-Methoden vergleicht, ist in diesem Amt fehl am Platz", sagte Pofalla der Berliner Zeitung "B.Z.". "Der Stasi-Vergleich von Herrn Thierse ist ein handfester Skandal." Der SPD-Politiker müsse sich für seine Äußerungen entschuldigen. Wegen des Stasi-Vergleichs hatte zuvor bereits FDP-Chef Guido Westerwelle von Thierse eine Entschuldigung verlangt.

Thierse hatte wie andere Politiker von SPD, Linken und Grünen aus Ost und West die Entnahme von Geruchsproben von Gegnern des G-8-Gipfels in zwei Wochen Heiligendamm kritisiert. Auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) brachte das Vorgehen in einen Zusammenhang mit den Methoden der DDR-Staatssicherheit, die Geruchsproben von Regimegegnern gesammelt hatte. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sowie Anwälte und die Stasi-Unterlagenbehörde lehnten die Praxis ab.

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte die Bundesanwaltschaft auf, auf die Ermittlungsmethode gänzlich zu verzichten. Die Karlsruher Behörde solle von dem Mittel der Geruchsprobe "Abstand nehmen", sagte Wiefelspütz dem WDR. An die Adresse der Bundesanwaltschaft sagte Wiefelspütz: "Sie ist auf den Hund gekommen und sollte so schnell wie möglich davon wieder runterkommen." Der SPD-Politiker verwies im WDR zugleich darauf, dass die Verlässlichkeit der Methode auch von Kriminalisten anzweifelt werde. "Der Erkenntniswert ist außerordentlich fragwürdig." Wiefelspütz zeigte jedoch Verständnis für den Stasi-Vergleich. "Ich kann diese Assoziation durchaus nachvollziehen", sagte er.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das Vorgehen der Polizei verteidigt. Nach Angaben der Regierung wurden im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft gegen militante G-8-Gegner in fünf Fällen Geruchsproben Beschuldigter genommen. Sie würden ausschließlich als Indiz in den laufenden Ermittlungsverfahren genutzt, versicherte eine Sprecherin des Justizministeriums in Berlin. Nach Beendigung des Verfahrens würden die Proben vernichtet.

Die Organisatoren des G-8-Alternativgipfels kündigten unterdessen an, sie erwarteten Anfang Juni in Rostock eine Rekordbeteiligung. Zu dem Alternativgipfel, der vom 5. bis 7. Juni stattfindet, sagte Mitveranstalter Peter Wahl in Berlin: "Es hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie ein so breites Bündnis gegeben, das den Alternativgipfel mitträgt."

Beteiligt seien 40 Organisationen, darunter Attac, die Umweltorganisation BUND sowie die Gewerkschaften IG Metall, Verdi und GEW. Bislang hätten sich 1000 Teilnehmer angemeldet. Der Kongress, an dem auch Organisationen aus Afrika und Asien teilnehmen, soll Alternativen zum offiziellen G-8-Treffen aufzeigen. Es wird acht Podiumsdiskussionen sowie insgesamt mehr als 120 Workshops geben. Themenbereiche sind unter anderem "Klima, Umwelt, Energie", "Globale Gerechtigkeit" oder "Krieg und Militarisierung".

phw/AFP/reuters

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