Schönbohm zur NPD-Verbotsdebatte "Nicht parteipolitisch profilieren"
SPIEGEL ONLINE: Der rheinlandpfälzische Innenminister Karl Peter Bruch will mit seinen SPD-Kollegen darüber beraten, ob ein neues NPD-Verbotsverfahren eingeleitet wird. Angeblich seien die CDU-Innenminister in den Großen Koalitionen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern dafür offen. Wie stehen Sie dazu?
Schönbohm: Ich finde die ganze Herangehensweise der SPD nicht in Ordnung. Die Debatte über ein neues NPD-Verbotsverfahren sollte keine Möglichkeit sein, sich parteipolitisch zu profilieren. Das aber tut die SPD, weil sie das Thema kurz vor ihrem Bundesparteitag erneut an die Öffentlichkeit bringt. Im übrigen hat mit mir weder Herr Bruch noch ein anderer SPD-Innenminister geredet.
SPIEGEL ONLINE: Abgesehen vom Umstand, dass die SPD auf ihrem Parteitag einen Beschluss für ein neues NPD-Verbotsverfahren herbeiführen will - wie stehen Sie dazu inhaltlich?
Schönbohm: Meine Position ist hinlänglich bekannt. Ich bleibe nach dem Scheitern 2003 skeptisch. Der Bundesinnenminister hat einen Fragekatalog an die Länderkollegen geschickt, die von den jeweiligen Verfassungsschutzbehörden aufgearbeitet werden sollen. Das sollte man jetzt abwarten und jede öffentliche Diskussion dazu vermeiden.
SPIEGEL ONLINE: Herr Bruch will eine Liste der Straftaten zusammenstellen lassen, die Mitglieder der NPD begangen haben.Ist das ein neuer Ansatz für ein Verbotsverfahren?
Schönbohm: Entscheidend ist jetzt der Ansatz des Bundesinnenministers, der einen Fragenkatalog für ein bundesweites klares Lagebild in die Länder geschickt hat, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
SPIEGEL ONLINE: Das alte Verfahren von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung scheiterte 2003 in Karlsruhe, weil V-Leute des Verfassungsschutzes in den Vorständen der NPD sitzen. Sollen diese Quellen - wie es etwa Herr Bruch anregt - zurückgezogen oder abgeschaltet werden?
Schönbohm: Das ist eine Bewertung, um die wir gerade vom Bundesinnenministerium gebeten werden. Es macht nur Sinn, diese Maßnahme in Erwägung zu ziehen, wenn wir dafür eine bundeseinheitliche Maßgabe erreichen. Ich bezweifele aber, dass ein Zurückziehen der Quellen der richtige Weg ist.
SPIEGEL ONLINE: Warum?
Schönbohm: Ich würde ungern in Brandenburg auf Informationen aus der NPD verzichten. Wir haben 2008 Kommunal- und im darauffolgenden Jahr Landtagswahlen. Wenn wir die NPD verbieten wollten, würde das ein mehrjähriges Verfahren bedeuten. In dieser Zeit blind zu sein und nicht zu wissen, was in etwa bei uns passiert, halte ich für bedenklich.
SPIEGEL ONLINE: Werden dieselben Mitglieder nach einem Verbot nicht eine neue Organisation gründen?
Schönbohm: Ein Verbot kann helfen, kann den Druck auf Anhänger erhöhen. Aber es ist sicher keine Lösung des Problems. Wir müssen an die Menschen herankommen, die sich vom harten Kern verführen lassen. Manche NPD-Mitglieder würden mit Sicherheit nach einem Verbot sich in andere rechtsextreme Parteien wie etwa die DVU begeben. So ist das nun einmal: Sie können nicht die Gesinnung verbieten.
SPIEGEL ONLINE: Die NPD ist in Sachsen im Landtag, ebenso in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hat Brandenburg als nächstes Ziel auserkoren und will dort 2008 in alle Kreistage bei der Kommunalwahl einziehen. Wie stark ist die Gefahr?
Schönbohm: Mit der DVU, die bei uns im Landtag sitzt, hat die NPD ein Abkommen, nicht gegeneinander anzutreten. Dennoch gehen wir davon aus, dass sie mit eigenen Kandidaten ins Rennen geht, wenn sie glaubt, Aussichten auf Erfolg zu haben. Bei uns in Brandenburg ist sie von der Mitgliederzahl her überschaubar und hat rund 200 Mitglieder. Sie versucht vor allem in Süd-Brandenburg und im Norden, entlang der Oder, tätig zu werden. Uns ist es aber in Brandenburg gelungen, durch ein breites gesellschaftliches Bündnis dagegen zu halten. So blieb den Verfassungsfeinden und Rechtsextremisten beispielsweise bisher der Soldatenfriedhof in Halbe und dessen Nähe verwehrt. In diesem Jahr haben sie deshalb ihre Anmeldung für Halbe zurückgezogen.
SPIEGEL ONLINE: Hat die NPD ihre Methodik gewandelt?
Schönbohm: Ja, sie ist vom äußeren Erscheinungsbild her bürgerlicher geworden. Statt Bomberjacke wird jetzt Anzug und Krawatte getragen. Wir vermuten auch, dass die NPD stärker auf sogenannte unabhängige Kandidaten zurückgreift, um auf diese Art und Weise andere Milieus zu erreichen. Das wird für uns eine sehr wichtige Auseinandersetzung.
SPIEGEL ONLINE: Die strategische Ausrichtung der NPD ist der Osten. Warum gibt es hier einen breiteren Resonanzboden?
Schönbohm: Das hat viele Gründe. Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit haben wir nach wie vor Regionen, wo zwischen 20 bis 30 Prozent der Menschen keine Beschäftigung finden. Das ist ein Nährboden für radikale und einfache Erklärungen. Hinzu kommt, dass die Bürger in Brandenburg sehr wenig Erfahrung mit ausländischen Mitbürgern und Asylbewerbern machen - weil wir einfach sehr wenige haben. Trotzdem schüren die rechtsextremen Parteien damit Ängste - und zwar massiv. So hat die DVU in Brandenburg vor zwei Jahren nur ein Plakat kleben lassen: 'Deutsche Arbeit für Deutsche'. Mit solchen dumpfen Parolen ist sie in den Landtag gekommen. Hinzu kam die Hartz-IV-Debatte: Sie hat der PDS acht Prozentpunkte gebracht, der DVU vier. CDU und SPD hat sie jeweils sieben Prozentpunkte gekostet. Das ist demoskopisch nachweisbar.
SPIEGEL ONLINE: In Hamburg will die SPD beim Arbeitslosengeld I (ALG I) nachjustieren. Wenn sich die Große Koalition in diesem Punkt auf Veränderungen verständigt, könnten SPD und Union enttäuschte Wähler rechtsextremer Parteien dann zurückgewinnen?
Schönbohm: Das ist mir zu spekulativ. Möglicherweise profitiert eher die Linkspartei von einer Korrektur beim ALG I. Es mag allenfalls sein, dass ein Radikalisierungsprozeß durch ein Kompromiss gebremst wird. Aber auch da bin ich mir nicht sicher.
Das Interview führte Severin Weiland