Schröder gegen von der Leyen
Zwei Ministerinnen im Quotenkampf
Mehr Frauen in Top-Positionen deutscher Konzerne: Das ist die Zielsetzung der Bundesregierung. Doch ausgerechnet die zuständigen Ministerinnen von der Leyen und Schröder sind uneins, wie das zu schaffen ist. Sie machen den Kampf zu ihrem eigenen Machtspiel. Der Wirtschaft kommt das gelegen.
Ministerinnen Schröder (links) und von der Leyen: "Äpfel, Birnen, Mandarinen"
Foto: AFP
Berlin/Hamburg - Die Familienministerin ist in diesen Minuten kaum noch zu stoppen in ihrer Euphorie. "Was wir hier in den vergangenen Monaten erlebt haben, ist mehr als alles, was in zehn Jahren passiert ist", sagt
Kristina Schröder. Dann setzt die CDU-Politikerin ihre Jubelarie fort:
Dass sich die deutschen Großunternehmen jetzt zu mehr Frauen in Führungspositionen bekennen würden, sei "der beste Beweis dafür, dass meine Idee funktioniert". Schröder meint damit ihre Idee von der freiwilligen Selbstverpflichtung der Konzerne - und eben nicht die strikte Quotenregelung, für die sich Arbeitsministerin
Ursula von der Leyen seit Monaten einsetzt.
Beim Berliner Spitzentreffen der größten deutschen 30 Unternehmen mit der Politik an diesem Montag geht es der Familienministerin gleich um zwei Sachen: Sie will demonstrieren, dass die Bundesregierung das Thema Frauenförderung ernst nimmt - und sie als federführende Ministerin auch die richtigen Weichen stellt. Neben Schröder und Parteikollegin von der Leyen ist mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sogar eine dritte Kabinettsvertreterin auf dem Podium vertreten, vor der Schröder ihr Profil schärfen kann. Drei Personalvorstände aus Deutschlands Top-Firmen sitzen neben den Politikerinnen.
Das Problem: Es gibt eine Spielverderberin auf dem Podium - und die hat sichtbar Spaß daran, den anderen in die Suppe zu spucken. Nein, Ursula von der Leyen gibt sich nicht geschlagen. Warum auch? Was Schröder als "Kombination aus Freiheit, Verpflichtung und Verantwortung" preist, ist für ihre Kabinettskollegin schlicht nicht ausreichend. Die Arbeitsministerin pocht statt der von Schröder propagierten "Flexi-Quote" auf eine starre Quote. Man habe "keinen Beweis angetreten, dass ein Gesetz für eine Frauenquote überflüssig wäre". Dagegen sagt die neben ihr sitzende Schröder: "Ich lehne es ab, dass die Politik den Unternehmen eine Einheitsquote vorschreibt."
Seit Monaten gibt es in dieser Frage Zoff zwischen den beiden CDU-Politikerinnen. Nun wird er auf offener Bühne für jeden sichtbar.
Dass auch die Justizministerin als FDP-Vertreterin wenig Sympathie für eine gesetzliche Quote zeigt, scheint von der Leyen nicht zu kümmern. Genauso wenig wie die Signale von Kanzlerin Angela Merkel, die ebenfalls eine freiwillige Lösung zur Frauenförderung bevorzugt.
Während sich Schröder sichtbar um Harmonie bemüht, legt von der Leyen immer wieder den Finger in die Wunde. "Unterirdisch" nennt sie insbesondere die Ist-Zahl weiblicher Mitglieder in Dax-Vorständen und -Aufsichtsräten. In den Vorständen liege der Frauenanteil gerade einmal bei 3,7 Prozent, in Aufsichtsräten bei 15 Prozent. "Das ist keine Visitenkarte", sagt die CDU-Ministerin. Dagegen hilft aus ihrer Sicht nur eine Quotenregelung.
Nebenbei geht es natürlich auch um Macht. "Die treibende Kraft" bei dem Thema "bin ich", sagte von der Leyen am Montagmorgen im ZDF-"Morgenmagazin". Dass man im Haus ihrer Konkurrentin Schröder inzwischen immerhin an einem Gesetzesvorschlag arbeitet, sieht die Arbeitsministerin als ihren Erfolg.
Aus ihrer Sicht spielen die Unternehmen weiterhin auf Zeit: Seit Jahren versprechen sie, aus eigenem Antrieb mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Zu sehen ist davon wenig. Eine freiwillige Selbstverpflichtung gibt es schon seit zehn Jahren - bisher ohne nennenswerte Ergebnisse. Schröder hält dagegen, dass die nun öffentliche Selbstverpflichtung für die Unternehmen disziplinierend wirken werde.
Fünf EU-Staaten haben bereits eine Quote
Von der Leyen will Deutschland stattdessen an einen Trend andocken, der sich anderswo in Europa schon zeigt: Laut EU-Kommission haben bislang fünf Mitgliedstaaten eine Frauenquote per Gesetz eingeführt, vier davon in diesem Jahr. Auch Norwegen, das kein EU-Mitglied ist, zeigt, wie es gehen kann: Die Regierung hat 2003 eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen festgesetzt. Mittlerweile erreichen knapp 400 Konzerne die Vorgabe. Nicht börsennotierte Unternehmen sind von der Quote allerdings befreit - hier liegt der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten auch nur bei 21 Prozent.
Klar ist: Für die deutschen Konzerne wäre eine starre Quote nicht leicht umzusetzen. Die Manager verweisen darauf, dass es etwa in technischen Berufen deutlich weniger Frauen als Männer gibt. Doch gerade in Branchen mit vielen Mitarbeiterinnen sind die Führungsriegen zum Großteil mit Männern besetzt.
Am Montag spielten die Wirtschaftsbosse der Arbeitsministerin ungewollt in die Karten: Sie speisten die Bundesregierung mit recht vagen Versprechen ab. Es wurden keine konkreten Ziele für Aufsichtsräte oder Vorstände formuliert, ganz allgemein ist von "Frauen in Führungspositionen" die Rede. Adidas will deren Anteil in den kommenden vier Jahren von 26 Prozent auf bis zu 35 Prozent erhöhen. Lufthansa plant, die Zahl der Managerinnen von aktuell 15,5 Prozent auf 30 Prozent zu steigern - bis Ende 2020. Das zeigt: Die zeitlichen und prozentualen Ziele gehen kunterbunt durcheinander (siehe Tabelle). Von der Leyen nennt das spöttisch "Äpfel mit Birnen und Mandarinen vergleichen".
So lassen sich die Angaben jedenfalls überhaupt nicht vergleichen. Zudem dürfte es unwahrscheinlich sein, dass die EU-Kommission damit zufrieden ist. Vizepräsidentin Viviane Reding hat bereits angekündigt, die Fortschritte der Mitgliedsländer genau zu prüfen. Die Kommissarin gilt als Verfechterin einer festen Quote - zumindest für die Aufsichtsräte.
Frauen in Führungspositionen - Die Ziele der 30 Dax-Konzerne
Unternehmen
Zielsetzung
Status quo Deutschland in Prozent
adidas
32 bis 35 Prozent bis Ende 2015
26
Allianz
30 Prozent bis Ende 2015 in Deutschland
24,7
BASF
15 Prozent bis Ende 2020 in Deutschland
9,8
Bayer
Weltweit rund 30 Prozent bis Ende 2015
17
Beiersdorf
25 bis 30 Prozent bis Ende 2020
20
BMW
15 bis 17 Prozent bis Ende 2020
8,8
Commerzbank
Weltweit 30 Prozent bis 2015
23
Daimler
Weltweit 20 Prozent bis 2020
12
Deutsche Bank
Managing Director, Director - weltweit 25 Prozent bis Ende 2018; Managing Director, Director, Vice President, Assistant Vice President, Associate - weltweit 35 Prozent bis Ende 2018
14 27
Deutsche Börse
20 Prozent bis Ende 2015 im oberen und mittleren Management, 30 Prozent bis Ende 2015 im unteren Management
18
Deutsche Post
Weltweit 25 bis 30 Prozent aller Vakanzen im oberen, mittleren und unteren Management ab sofort
18
Deutsche Telekom
Weltweit 30 Prozent bis Ende 2015
12,5
E.on
14 Prozent bis Ende 2016 in Deutschland
8,6
Fresenius
k.A.
18
Fresenius Medical Care
k.A.
12
HeidelbergCement
Weltweit 15 Prozent bis Ende 2020
6,8
Henkel
Weiterer Ausbau des Frauenanteils auf allen Managementebenen. Auf Konzernebene soll die bisherige Zuwachsrate von einem Prozentpunkt auf ein bis zwei Prozentpunkte jährlich erhöht werden.
28,5
Infineon
Weltweit 15 Prozent bis Ende 2015, 20 Prozent Frauenanteil bis Ende 2020
11,2
K+S
Steigerung der Frauen in Führungspositionen um circa 30 Prozent
8
Linde
13 bis 15 Prozent bis Ende 2018
9,1
Lufthansa
Mindestens 30 Prozent bis Ende 2020
15,5
MAN
Weltweit 12 Prozent bis Ende 2014
9,9
Merck
Weltweit 25 bis 30 Prozent bis Ende 2016
17
Metro
Weltweit 20 Prozent bis Ende 2013, 25 Prozent bis Ende 2015
14,9
Münchner Rückversicherung
Mindestens 25 Prozent bis Ende 2020 in Deutschland
20
RWE
Weltweit 22 Prozent bis Ende 2018
8
SAP
Weltweit 25 Prozent bis Ende 2017
13
Siemens
12 bis 13 Prozent Frauenanteil bis Ende 2015
10
ThyssenKrupp
15 Prozent bei leitenden außertariflichen Mitarbeitern bis Ende 2020
7,6
Volkswagen
Obere Führungsebene 11 Prozent bis Ende 2020, mittlere Führungsebene 12 Prozent bis Ende 2020, untere Führungsebene 15 Prozent bis Ende 2020