
Schröder trifft Putin: Umarmung unter Freunden
Schröders Geburtstagsfeier mit Putin Erst die Party, dann das Land
Berlin - Wenn es ihm richtig gutgeht, wird Gerhard Schröder kumpelig. Dann knufft er sein Gegenüber, dann strahlt und wirkt er wie ein kleiner Junge.
So war es auch am Montagabend in Sankt Petersburg. Kaum war Russlands Staatspräsident Wladimir Putin der Limousine entstiegen, fiel ihm Schröder in die Arme, er strahlte übers ganze Gesicht. Seht her, sollte das wohl bedeuten, wir verstehen uns.
Es sind Bilder, die unter anderen Umständen wohl kaum jemanden mehr aufgeregt hätten. Dem deutschen Ex-Kanzler wird von der Nord Stream AG - Schröder ist seit Jahren Vorsitzender des Aktionärsausschusses - nachträglich ein Empfang zum 70. Geburtstag ausgerichtet, auch der deutsche Botschafter in Moskau ist dabei - na und? Putin und Schröder sind nun mal seit langem Freunde.
Nur, die Zeiten sind alles andere als normal. Putin hat die Krim annektiert, eine militärische Invasion der Ostukraine ist nicht vom Tisch. Prorussische Aktivisten halten OSZE-Militärbeobachter, darunter Deutsche, als Geiseln - und gleichzeitig feiert der Altkanzler beim Empfang mit Putin und 100 weiteren Gästen Geburtstag. Es ist eine Frage des Zeitpunkts und des Stils.
Und deshalb wird über Schröders Feier heftig diskutiert, in den Internetforen, in den Medien, in der Politik. Darf der das?
Schröder ist ein Medienprofi. Die Umarmungsbilder vor dem Jussupow-Palais, in dem Putin gelegentlich auch schon Staats- und Regierungschefs empfangen hat, sind ein politisches Zeichen. Während die politisch Verantwortlichen im Westen in Putin den Bösewicht sehen, zeigt Schröder: Ich stehe zu ihm. Während die deutsche Regierung versucht, Putin in Sachen Ukraine zur Vernunft zu bringen, agiert Schröder nach dem Motto: Erst die Party, dann das Land.
Dabei wird ein Altkanzler mit besonderen Maßstäben gemessen. Schröder wird, wenn auch nicht offiziell, weiter als ein Repräsentant Deutschlands angesehen. Sein Wort wird gehört und gedeutet. Als er kürzlich in Paris war, gab er einen Hintergrund für französische Journalisten - manche waren perplex, wie viel Verständnis Schröder für Putin aufbrachte und fragten bei deutschen Kollegen irritiert nach, ob das auch der Kurs von Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sei.
CDU-Außenpolitiker Mißfelder auf Feier mit Schröder
Das ist er nicht. Vielen Genossen ist Schröders Haltung inzwischen peinlich, auch Steinmeier kommt sie wohl nicht zupass. Schröder aber nimmt seine Partei mit in Haftung, er zwingt sie, ihn zu verteidigen. Nur wenige Genossen sind am Dienstag so offen wie Justiz-Staatssekretär Ulrich Kelber, der die Feier "falsch und instinktlos" nennt. Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nennt die Party im Bayerischen Rundfunk "in dieser Situation sehr missverständlich" und sagt: "Ich hätte es an seiner Stelle nicht getan."
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ist am Dienstag mit seinen Kollegen von CDU und CSU in der Nähe von Bonn auf einer gemeinsamen Vorstandsklausur. Er versucht sich in einer Altkanzler-Ferndiagnose: Er wisse zwar nicht, was Schröder mit Putin bei seiner "privaten Begegnung" besprochen habe, aber "ich bin ganz sicher, dass er dem russischen Präsidenten klargemacht hat, dass er aktiv etwas dafür tun muss, dass die Geiseln freigelassen werden."
Und Steinmeier, einst Chef des Kanzleramtes unter Schröder? Er muss bei einer Kopenhagen-Visite Stellung nehmen. Er bemüht sich um Distanz, ohne mit Schröder ins Gericht zu gehen: "Herr Schröder steht in keiner Regierungsverantwortung, und deshalb steht es ihm frei, zu entscheiden, wann und wo er entweder seinen Geburtstag feiert oder an Empfängen aus Anlass seines Geburtstages teilnimmt."
Führende Unionsvertreter sind da weniger freundlich. Unionsfraktionschef Volker Kauder bezeichnet die Bilder "nach dem jetzigen Stand" als "nicht hilfreich", die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, formuliert direkter: "Ich war befremdet über das Umarmungsfoto." Und CDU/CSU-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff nennt Schröders Auftritt "völlig unverantwortlich".
Peinlich nur: Zu diesem Zeitpunkt wissen manche Unionsvertreter noch nicht, dass auch einer der ihren am Montagabend mit dabei war - der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder. Der CDU-Politiker war kürzlich als transatlantischer Koordinator der Regierung zurückgetreten, er wolle sich seiner neuen Aufgabe als Schatzmeister der nordrhein-westfälischen CDU widmen, hieß es. Mancher in der Koalition unkt jedoch, Mißfelders freundliche Haltung gegenüber Moskau habe sich auf Dauer nicht mit seiner Funktion als USA-Koordinator vereinbaren lassen.
Mit offener Kritik halten sich Mißfelders Parteifreunde zunächst zurück - doch die Irritationen über dessen Anwesenheit auf der Schröder-Party sind groß in der Union. Ein CDU-Vertreter stöhnt auf: "Mann, oh, Mann."