Schuldenkrise Westerwelle stellt sich hinter Rösler - ein bisschen

Kanzlerin Merkel, Minister Rösler und Westerwelle: Uneinig über Griechenland-Kurs
Foto: THOMAS PETER/ REUTERSBerlin - Die Frage nach der finanziellen Zukunft Griechenlands sorgt für massive Verstimmungen zwischen FDP und Union. Nun hat sich auch Außenminister Guido Westerwelle zu Wort gemeldet - und sich in der Debatte gegen Denkverbote ausgesprochen. "Es wird alles gedacht, was gedacht werden muss", sagte er am Mittwoch in Berlin.
Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die FDP-Spitze aufgefordert, nicht mehr öffentlich an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands zu zweifeln.
Von einem Streit innerhalb der Bundesregierung will der frühere Parteichef trotz der offensichtlichen Uneinigkeit nichts wissen. Schließlich verfolge man gemeinsam ein Ziel: "Wir wollen alle eine Stabilitätsunion und keine Schuldenunion."
Wer Hilfe wolle, müsse eine Gegenleistung erbringen. Mit Blick auf die von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso angekündigten Vorschläge für Euro-Bonds betonte er, die Bundesregierung lehne dieses Instrument weiter ab. "Wir können nicht die Schuldenkrise damit bekämpfen, dass wir das Schuldenmachen erleichtern."
Zu den umstrittenen Äußerungen von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zu einer möglichen Griechenland-Insolvenz wollte Westerwelle nicht direkt Stellung nehmen. Er warnte aber vor "angeblich kontroversen Debatten".
Ramsauer poltert gegen Merkel, Liberale für Rösler
Rösler hatte zuvor schon deutliche Unterstützung aus der eigenen Partei bekommen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner lehnt "Schweigegelübde" ab. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte ein Instrumentarium für Euro-Länder in dramatischen Schulden- und Finanzkrisen. Der saarländische Wirtschaftsminister Christoph Hartmann warf Merkel vor, ein "kategorisches Denkverbot" ausgesprochen zu haben. Das könne man nicht akzeptieren. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle meinte, man könne nicht einfach ein Tabu auferlegen. Finanzexperte Hermann Otto Solms erklärte, man solle nicht so tun, als wäre ein Insolvenzverfahren für Staaten eine neue Idee.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr verteidigte ebenfalls den Euro-Kurs von FDP-Parteichef Rösler und wies Kritik aus der Union zurück. "Ich stehe voll hinter Rösler. Er hat Lösungsvorschläge erarbeitet für den Fall, dass Griechenland nicht die Voraussetzungen der Troika erfüllt", sagte der FDP-Politiker am Mittwoch zu SPIEGEL ONLINE. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass die Auszahlung der nächsten Tranche an Athen gefährdet sei, wenn die Bedingungen nicht erfüllt würden, so Bahr.
Bahr erinnerte in diesem Zusammenhang auch an ältere Initiativen der schwarz-gelben Koalition. "Im übrigen hat die Koalition und auch die Bundesregierung in früheren Beschlüssen festgehalten, sich für eine geordnete Insolvenzregelung für Staaten einzusetzen", so der FDP-Politiker. Im Sommer 2010 hatte sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für einen solchen Weg ausgesprochen, war damit aber auf Ablehnung unter europäischen Partnern gestoßen.
Bahr, der auch Vorsitzender des einflussreichen nordrhein-westfälischen FDP-Landesverbandes ist, verwahrte sich gegen andauernde Kritik aus der CDU. Insbesondere Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier hatte zuletzt die Überlegungen Röslers für eine Insolvenz Griechenlands kritisiert. Der FDP-Politiker Bahr erklärte: "Ich rate der CDU und Herrn Altmaier, doch einmal ernsthaft mit der CSU zu reden. Bei der Schwesterpartei wird ja bereits über einen Austritt Griechenlands nachgedacht, wir aber wollen dazu beitragen, dass Griechenland in der Eurozone bleiben darf. Die FDP hat hier also einen pragmatischen Lösungsweg für die Koalition vorgeschlagen." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte kürzlich erklärt: "Wenn ein Euro-Land dauerhaft die Stabilitätskriterien nicht schafft, dann muss es die Möglichkeit geben, dass dieses Land die Euro-Zone verlässt und sich außerhalb der Euro-Zone wieder saniert."
Der FDP-Finanzexperte und rheinland-pfälzische Landeschef Volker Wissing verteidigte ebenfalls Rösler. "Ich kann die Aufregung nicht ganz verstehen. Herr Rösler hat etwas sehr kluges gesagt. Man muss auch Dinge aussprechen dürfen, die die Finanzmärkte nicht gerne hören", so der Bundestagsabgeordnete zu SPIEGEL ONLINE. Dass den Spekulanten Euro-Bond-Ankündigungen des früheren Bundesfinanzministers und SPD-Politikers Peer Steinbrück besser gefielen, sei klar. "Aber das ändert nichts daran, dass Philipp Rösler richtig liegt und die Opposition völlig daneben", so Wissing weiter.
Auch in der Union begehrt der erste Minister auf: Peter Ramsauer hat sich offen gegen den Kurs der Kanzlerin ausgesprochen. Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro wäre sicher riskant und schmerzhaft, sagte der Bundesverkehrsminister der "Zeit". "Das wäre aber kein Weltuntergang", fügte er hinzu. Seine Partei, die CSU, wolle die Möglichkeit eröffnen, chronische Schuldensünder aus der Euro-Zone auszuschließen.
Einen entsprechenden Beschluss hatte der CSU-Vorstand zu Wochenbeginn in München gefasst. Dazu soll beim Parteitag Anfang Oktober ein Leitantrag verabschiedet werden.
Ramsauer, der auch CSU-Vize ist, äußerte sich skeptisch zum geplanten dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus (ESM). Dieser würde dem deutschen Bundeshaushalt zum Teil Zahlungsverpflichtungen diktieren, über die das Parlament keine Kontrollmöglichkeiten mehr habe, sagte Ramsauer. "Das ginge an die Grundfesten der parlamentarischen Haushaltshoheit." Er warnte davor, eine Entscheidung "übers Knie zu brechen".
Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte am Mittwoch, dass es in der Bundesregierung Differenzen über den Kurs in der Euro-Politik gebe. "Das Thema hat im Kabinett keine Rolle gespielt", sagte er in Berlin. Denk- oder Sprechverbote gebe es in der Bundesregierung aber "natürlich" nicht. "Das schöne Lied 'Die Gedanken sind frei' zeigt schon, dass es nirgends auf der Welt Denkverbote geben kann", fügte Seibert hinzu.