FDP nach der Saarland-Wahl Röslers Panikorchester plagt die Kanzlerin

1,2 Prozent im Saarland, was für ein Desaster für die FDP. Parteichef Rösler verordnet den Liberalen Ruhe und Gelassenheit. Doch die Truppe ist in heller Aufregung. In der Union beobachtet man die Turbulenzen mit wachsender Sorge.
FDP nach der Saarland-Wahl: Röslers Panikorchester plagt die Kanzlerin

FDP nach der Saarland-Wahl: Röslers Panikorchester plagt die Kanzlerin

Foto: THOMAS PETER/ REUTERS

Berlin - Noch parken vor der FDP-Zentrale die Personenschützer vom BKA. Es ist ja immerhin Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der drinnen über den Wahlabend im Saarland spricht: Neben ihm steht der bedauernswerte Saar-Spitzenkandidat Oliver Luksic, auf 1,2 Prozent hat er die Liberalen geführt. Es ist ein Debakel. Eine Partei namens "Familie" holte in Saarbrücken rund 2500 Stimmen mehr als die FDP. "Es ist klar, dass wir weit unter den Erwartungen geblieben sind", sagt Parteichef Rösler.

Das ist sehr hübsch ausgedrückt. Man könnte auch sagen: Die FDP hat mit der Saarland-Wahl einen weiteren Schritt Richtung Bedeutungslosigkeit gemacht.

Die 1,8 Prozent bei der Berlin-Wahl im vergangenen Herbst schienen der liberale Tiefpunkt zu sein, doch es kam noch schlimmer. Und weil das Gefühl von Schwäche oft dazu führt, dass man sich besonders wild aufführt, wächst bei CDU und CSU seit Sonntagabend die Sorge über den kleinen Koalitionspartner. Immerhin stehen die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vor der Tür, wo die FDP in den Umfragen jeweils stabil unter fünf Prozent liegt.

Ist wegen der strampelnden FDP also Angela Merkels Koalition in Gefahr?

Nicht, wenn es nach Parteichef Rösler geht. Der gibt in der Stunde höchster FDP-Not den liberalen Zen-Meister. "Gelassenheit und Ruhe" seien jetzt notwendig, sagt Rösler, man dürfe "nicht hektisch oder gar panisch" werden. Stattdessen müsse die FDP weiter auf ihre Kernthemen setzen - "Wachstum und Wohlstand für Deutschland". Röslers ist sich sicher: "Es macht wenig Sinn, zu meinen, sich jetzt besonders profilieren zu müssen." Gesundheitsminister Daniel Bahr weiß er dabei an seiner Seite. "Ich rate uns allen, jetzt die Nerven zu bewahren", sagt Bahr. "Und nicht zu überlegen, wie man Konflikte sucht und um des Teufels willen für die Wahlen irgendetwas nach vorne treibt."

Mancher Liberale will die Konfrontation mit der Union

Das Problem ist allerdings, dass es neben Rösler und Bahr den einen oder anderen in der FDP gibt, der den liberalen Überlebenskampf genau so angehen möchte: in Konfrontation mit dem großen Koalitionspartner.

Beispielsweise der hessische Liberalen-Chef Jörg-Uwe Hahn. "Wir müssen uns deutlich von der Union absetzen - die FDP darf nicht sozialdemokratisiert werden", sagt Hessens Vize-Ministerpräsident der "Financial Times Deutschland". Ähnlich äußert sich der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Zudem liefert sich Döring mit der Piratenpartei, die im Saarland mit 7,4 Prozent überraschend deutlich in den Landtag einzog, seit Sonntagabend einen veritablen Schlagabtausch.

Ruhe und Gelassenheit geht anders.

Auf Angela Merkel ist dagegen Verlass. Aufgeräumt tritt die CDU-Chefin in der Parteizentrale gemeinsam mit der bisherigen und wohl auch künftigen saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer vor die Journalisten. Merkels Botschaft, die ihr Vizekanzler Rösler gerne hören wird: Die Koalition steht. Merkel hat Grund zu guter Laune: Es ist zwar nur das kleine Saarland, aber immerhin hat sie erstmals während ihrer zweiten Kanzlerschaft eine Landtagswahl gewonnen - kein schlechtes Signal für die weiteren anstehenden Abstimmungen im Norden und in NRW.

Merkel verteilt Beruhigungspillen

Natürlich weiß Merkel, wie hart der Wahlabend die FDP trifft. Dass jede Klatsche für die Liberalen ihr Regierungsbündnis instabiler macht. Dass eine waidwund geschossene FDP versucht sein könnte, bei umstrittenen Themen wie der Euro-Rettung, dem NPD-Verbot, der Praxisgebühr oder der leidigen Vorratsdatenspeicherung eine harte Linie zu fahren.

Öffentlich aber verteilt Merkel Beruhigungspillen. "Das Saarland ist das Saarland", so klingt ein typischer Satz der CDU-Vorsitzenden. Soll heißen: Vergleiche mit der Bundesebene sind unangebracht, Auswirkungen auf die Arbeit in Berlin - Fehlanzeige. "Wir arbeiten in der Koalition sehr gut zusammen", sagt Merkel. Den "mutigen Weg" einzuschlagen, wie sie Kramp-Karrenbauers Flucht in die Neuwahl jetzt bezeichnet, dafür sieht die Kanzlerin nach der Saar-Wahl im Bund jedenfalls keinen Anlass.

Angeblich auch nicht dafür, sich angesichts der Schwäche der FDP Gedanken über ihre eigenen Machtoptionen für 2013 zu machen. Dabei ist Merkel genau wie dem Rest der Union klar, dass eine schwarz-gelbe Neuauflage nach der nächsten Bundestagswahl immer unwahrscheinlicher erscheint. Das sogenannte bürgerliche Lager wird im Grunde nur noch von der Union verkörpert, ohne dass sie bisher aber von der Erosion der Freidemokraten profitiert hätte.

Im linken Lager indes tummeln sich SPD, Grüne, Linke und - wenn sie sich denn überhaupt einordnen lassen - die Piraten. Beileibe kein homogener Block, oft genug nehmen sich die Konkurrenten gegenseitig die Stimmen weg. Aber wenn man sich links gegenseitig unterstützt, hat es die andere Seite schwer. Zu bewundern war das jetzt bei der Oberbürgermeister-Wahl in Frankfurt, wo sich der SPD-Kandidat in der Stichwahl gegen den noch im ersten Wahlgang führenden CDU-Mann durchsetzte.

"Allein gegen das linke Spektrum" sieht die "FAZ" die Kanzlerin daher schon. Die Große Koalition, wie sie jetzt aller Voraussicht nach im Saarland kommen wird, scheint auch Merkels einzige Chance. Fragen nach diesem strategischen Dilemma witzelte sie am Montag weg. Die Journalisten müssten nicht befürchten, dass sie mit einem Bekenntnis zu einer Großen Koalition in den Wahlkampf 2013 ziehe.

Noch regiert Schwarz-Gelb. Damit das Bündnis weiterhin funktioniert, setzt FDP-Chef Rösler nach dem Saar-Desaster auf den Dreiklang: abhaken, weitermachen, nach vorne schauen. Zumindest bis zum 6. Mai. Dann wird in Schleswig-Holstein gewählt. Das nächste Schicksalsdatum für die FDP.

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