Schwarz-gelber Atompoker Der nette Herr Rösler schaltet auf stur

Die Union will den großen Konsens - und SPD und Grüne schon in der Nacht in den Atomausstiegsplan einweihen. Doch die Einigung im Koalitionsausschuss könnte schwierig werden: Die FDP sträubt sich gegen ein festes Datum, Parteichef Rösler gibt sich widerborstig. Offenbar sucht er die Machtprobe.
FDP-Chef Rösler, Kanzlerin Merkel: Der Vizekanzler will nicht nur nett sein

FDP-Chef Rösler, Kanzlerin Merkel: Der Vizekanzler will nicht nur nett sein

Foto: dapd

Berlin - Der nette Herr Rösler, ja klar. Dem setzt man mal eben einen Atomausstiegsplan samt Datum vor, und dann flötet er, ein Lächeln auf den Lippen: "Tolle Idee, Frau Bundeskanzlerin - so machen wir das."

Angela Merkel dürfte sich getäuscht haben, wenn sie den neuen FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler mit Blick auf den Koalitionsausschuss - der sitzt an diesem Sonntagabend seit kurz vor sieben zusammen - so eingepreist hat. Denn Philipp Rösler muss den Liberalen nach dem Abgang von Guido Westerwelle zwar wieder zu einem sympathischen Image verhelfen - aber der neue Chef muss gleichzeitig zeigen, dass die FDP noch lebt. Folgerichtig setzt er in der Debatte um den Atomausstieg auf Konfrontation mit dem Koalitionspartner.

Nein, sagt Rösler zu den Plänen der Union, schon am Abend ein festes Datum abzusegnen. Der FDP-Chef plädiert dafür, "in Zeitkorridoren zu denken, statt sich auf ein spezielles Datum zu fokussieren", wie er der FAZ vom Samstag sagte. Und noch am Sonntagnachmittag warnte Rösler vor einem Bieterwettbewerb um ein Ausstiegsdatum.

Dabei ist der längst in vollem Gange - und daran hat der Koalitionspartner einen gehörigen Anteil: CSU-Chef Horst Seehofer tönt schon seit Wochen, mehr als zehn Jahre dürften die deutschen Atomkraftwerke nicht mehr laufen. Dass die von der Koalition eingesetzte Ethikkommission zu genau diesem Ergebnis kommt, sieht Seehofer als Bestätigung seiner Position. Und auch führende Christdemokraten wie Generalsekretär Hermann Gröhe sprechen offen von 2021 als angepeiltem Datum. Das ist nur ein Jahr von der SPD-Zahl 2020 entfernt, die Grünen wollen 2017 'raus.

Mancher in der FDP versteht das als Provokation. Und als Chance, die Liberalen als wirtschaftspolitische Stimme der Vernunft zu profilieren, wenn man klar dagegen Stellung bezieht. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung sind die liberalen Stichworte dieser Tage. Besonders Rainer Brüderle, Ex-Wirtschaftsminister und inzwischen Chef der FDP-Bundestagsfraktion, tut sich dabei hervor. Man wolle eine "ehrliche Energiewende" umsetzen, ließ er zuletzt wissen.

Merkel braucht eine klare Zahl als Signal

Man wird der Kanzlerin nicht absprechen dürfen, dass sie ähnliches im Auge hat. Aber in erster Linie zählt für Merkel im Moment, dass sie der Öffentlichkeit eine Jahreszahl mit Signalwirkung präsentieren kann. Um zu zeigen, dass es ihrer Regierung ernst ist mit dem durch die Katastrophe von Fukushima hervorgerufenen Atomschwenk.

Aber wie soll das gelingen angesichts der widerborstigen FDP?

Der für 18 Uhr geplante Beginn des Koalitionsausschusses wurde bereits um eine knappe Stunde verschoben. Dass die Spitzen von SPD und Grünen am späteren Abend bei Schwarz-Gelb auflaufen, um sich über den Fahrplan der Regierung informieren zu lassen - so der Plan der Kanzleramts - erscheint daher eher unwahrscheinlich. Es heißt sogar, man halte sich bereits das kommende Wochenende für ein neuerliches Treffen frei, wenn Union und FDP sich diesmal nicht einigen können. Immerhin gibt es auch andere Punkte beim Thema Atomausstieg, wo längst kein Koalitions-Konsens besteht.

  • Brennelementesteuer: Hier ist sich nicht einmal die Union untereinander einig. Die Abgabe war von Schwarz-Gelb im Zuge der im vergangenen Herbst beschlossenen Verlängerung der AKW-Laufzeiten eingeführt worden. Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU will die Steuermilliarden auch künftig als Einnahme verbuchen, Unions-Wirtschaftspolitiker plädieren dagegen für die Abschaffung. Die FDP hat sich bisher für die Beibehaltung der Steuer ausgesprochen.
  • AKW-Moratorium: Bundesumweltminister Norbert Röttgen will, dass keiner der aufgrund des Moratoriums vom Netz genommenen sieben Altmeiler wieder in Betrieb geht. Darauf einigte sich der CDU-Politiker schon am Freitag mit den Umweltministern der Länder. Die FDP sieht das anders: Parteichef Rösler hat eine "Kaltreserve" ins Spiel gebracht, um jederzeit Versorgungssicherheit zu garantieren. "Das würde bedeuten, dass ein bis zwei Kraftwerke für eine gewisse Zeit im kalten Stand-by-Modus bleiben und nicht sofort rückgebaut werden", sagte er der FAZ.
  • Ausbau der regenerativen Energien: Wie schnell die Alternativen für die Atomenergie aufgebaut werden, darüber gibt es ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen in der Koalition. Gleiches gilt für die Atommüllendlager-Frage.

Der Koalitionsausschuss als Stoppschild für die Union? Für Bayerns FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß ist klar: "So geht's nicht - weder mit uns noch mit der eigenen Partei." Sie ist besonders sauer auf CSU-Chef Seehofer, der in München die Position seines Koalitionspartners zurzeit schlicht ignoriert. Das bringt FDP-Frau Gruß auf die Palme: "Typisch - die haben es einfach immer noch nicht verstanden, dass sie nicht allein regieren."

Die Liberalen haben allerdings auch ein Problem: Vieles spricht zwar aus ihrer Sicht für die Machtprobe, aber die FDP hat denkbar wenig in der Hand. Ein Koalitionsbruch, gar Neuwahlen - damit würde sich die Vier-Prozent-Partei möglicherweise endgültig vom politischen Spielfeld verabschieden.

Der nette Herr Rösler, so viel ist klar, steht vor seiner ersten wirklichen Bewährungsprobe.

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