Frauenförderung Schwarz-Rot setzt auf Quotendruck

"Die Zeit der Appelle ist vorbei": Die Bundesregierung stellt die Weichen für die Frauenquote in deutschen Führungsetagen. Die SPD-Minister Schwesig und Maas sind von der Durchschlagskraft ihrer Pläne überzeugt. Doch der Widerstand wird erheblich sein - in Unternehmen und Gewerkschaften.
Minister Schwesig, Maas: "Die Quote kommt"

Minister Schwesig, Maas: "Die Quote kommt"

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Berlin - Manuela Schwesig will Heiko Maas zur Seite springen. "Er hat eins zu zwei, ich habe zwei zu eins", sagt die Frauenministerin. Gemeint ist die Verteilung der Staatssekretärsposten zwischen Frauen und Männern in den Behörden der beiden SPD-Politiker. "Macht zusammen drei zu drei." Schwesig schaut triumphierend - eine Quote von 50 Prozent. Dumm nur, dass im von Maas geführten Justizministerium drei Staatssekretäre und nur eine Staatssekretärin arbeiten, was ihm soeben vorgehalten wurde. Schwesig hat das überhört, eine Journalistin korrigiert sie. "Ach so", sagt Schwesig. "Na gut." Heiko Maas neben ihr lächelt gequält.

Es ist eben alles nicht so einfach mit der Frauenquote, das wird an diesem Dienstag deutlich, als die Frauenministerin und ihr Kollege aus dem Justizressort ihre "Leitlinien" für das "Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst" vorstellen. Anmerken lassen wollen sich Schwesig und Maas das natürlich nicht. Vor allem Schwesig wirkt stolz, das nächste sozialdemokratische Kernanliegen aufs Gleis zu bringen, gar "historisch" nennt sie das Vorhaben.

Recht detailliert spielen die 14-seitigen Leitlinien die konkreten Quoten-Vorhaben der Bundesregierung durch, Beispielrechnungen inklusive. Auffällig dabei: Die Minister orientieren sich sehr eng am Koalitionsvertrag. Das ist vielleicht mal ganz gut. Denn dass sie mit unabgesprochenen Projekten vorpreschen können, haben beide in den ersten Tagen ihrer Amtszeit bereits bewiesen.

  • Kernstück des Plans ist, dass ab 1. Januar 2016 in Aufsichtsräten von börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine Geschlechterquote von 30 Prozent gelten soll. Davon wären 108 Firmen betroffen. Die Quote muss demnach sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat erfüllen.

  • Ab 2015 soll es für die Aufsichtsräte, Vorstände und die oberste Managementebene von weiteren 3500 mitbestimmungspflichtigen oder börsennotierten Unternehmen verbindliche Zielvorgaben zur Frauenförderung geben. Die betroffenen Unternehmen können sich dann selbst Quoten und Fristen setzen, müssen aber über die Entwicklung berichten.

  • Um mit gutem Beispiel voranzugehen, will die Große Koalition im Öffentlichen Dienst des Bundes ebenfalls Frauenförderung betreiben. Heißt konkret: In Bundesunternehmen wie der Bahn, aber auch in Ministerien, der Verwaltung und bei Bundesgerichten soll das Geschlechterverhältnis künftig ausgewogener sein. Dazu soll das Bundesgleichstellungsgesetz geändert werden.

Die Leitlinien will die Familienministerin als Angebot an alle Beteiligten verstanden wissen, bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes mitzuwirken. Dieses Angebot, da kann sich Schwesig sicher sein, werden Unternehmen und Gewerkschaften gerne annehmen - aber nicht unbedingt im Sinne der Ministerin. "Um dieses Gesetz wird es viele Diskussionen geben", ahnt Schwesig.

Der Widerstand ist erheblich: Mit der Quote von 30 Prozent greife die Politik in die Personalentscheidungen der Aktionäre ein, kritisiert der Präsident des Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. "Geschlecht kann kein Ersatz für Qualifikation sein, das gilt für Männer und Frauen", sagt der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk. Die Gewerkschaften fürchten um die Mitbestimmung und sorgen sich, in den Industriebranchen nicht genügend Frauen unter ihren Funktionären zu finden.

Dass sie das Gesetz noch stoppen können, daran glauben auch die Kritiker nicht. Die Quote ist ein zentrales Projekt des Koalitionsvertrags. Doch was, wenn die Wirtschaft bei der Umsetzung nicht mitspielt? Wirkliche Sanktionen wie Bußgelder sind nicht vorgesehen. Wird die feste Quote in Aufsichtsräten nicht erreicht, bleiben die Stühle der fehlenden Frauen unbesetzt. Handlungsfähig bleibt der Aufsichtsrat dennoch: Das Gremium kann Beschlüsse fassen, wenn die Hälfte seiner Mitglieder anwesend sind.

Praktisch folgenlos bleibt es, sollte ein Unternehmen die selbstgesetzte Zielvorgabe verpassen. Dann habe "der Aufsichtsrat oder Vorstand nachvollziehbar darzulegen, was er unternommen hat und weshalb er keinen Erfolg hatte", heißt es in den Leitlinien.

Die Minister sind dennoch von der Durchschlagskraft ihrer Pläne überzeugt. "Ich gehe jede Wette ein, dass in den Aufsichtsräten kein einziger Stuhl frei bleibt", sagt Maas. Viel ist dann vom Druck die Rede, den die Quote auf die Wirtschaft ausüben werde. Kein Unternehmen werde sich eine Blöße geben wollen.

Daran wird sich in ein paar Jahren dann auch Maas selbst messen lassen müssen. Seine Kollegin Schwesig erklärt mit Blick auf die leitenden Positionen in ihrem Haus, dass sie angesichts des hohen Frauenanteils "den Blick langsam auf die Männer richten" müsse. Der Justizminister dagegen kann nur einräumen, dass es bei der Quote in seiner Behörde "Aufholbedarf" gebe.

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