Streit im Süden Seehofer beschimpft CDU-Parteifreunde als Loser

Ministerpräsident Seehofer: dem Frust freien Lauf gelassen
Foto: Andreas Gebert/ dpaBerlin - Früher, da war der Süden der Republik das Kraftwerk der Union. Die CSU regierte in Bayern mit absoluter Mehrheit, bei der CDU im benachbarten Baden-Württemberg war es kaum anders. Die Ministerpräsidenten unterstützten sich gegenseitig im Wahlkampf, Franz Josef Strauß und Lothar Späth, Edmund Stoiber und Erwin Teufel. Jahrelang war der Süden das Bollwerk, vor allem wenn es gegen die rot-grünen Hallodris und Geldverschwender in Berlin ging, ein Gegenmodell.
Heute kann davon keine Rede mehr sein. Spätestens seit vergangenem Freitag sind die Bande zwischen der CDU im Südwesten und der bayerischen CSU endgültig zerschnitten. Da hatte CDU-Landeschef Thomas Strobl in einem Interview der CSU Ratschläge für die Aufarbeitung der Verwandtschaftsaffäre gegeben. "Wo Menschen tätig sind, werden Fehler gemacht", sagte Strobl der "Welt". "Das soll nicht die Fälle im Bayerischen Landtag entschuldigen. Das Ganze hat ein Geschmäckle." Das letzte Zitat schaffte es sogar in die Fernsehnachrichten.
Seitdem herrscht Krieg im Süden der Republik. Am Montagvormittag ließ Horst Seehofer seinem Frust freien Lauf. Intern macht er schon länger kein Geheimnis daraus, was er von der Doppelspitze der CDU in Baden-Württemberg hält - nichts. An Fraktionschef Peter Hauk, den früheren Landwirtschaftsminister, hat er keine guten Erinnerungen aus seiner eigenen Zeit als Bundesagrarminister. Er hält ihn für wenig zuverlässig, für einen, der ständig taktiert und sich an keine Absprache hält. Und Strobl hält er einfach für ein Leichtgewicht, ungeeignet für die Aufgabe, die Südwest-CDU nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2011, dem historischen Machtverlust nach Jahrzehnten an der Regierung, wieder aufzubauen.
Geharnischte SMS von Dobrindt
"Von den beiden Losern lass ich mir nichts sagen", schimpfte Seehofer im CSU-Vorstand. So hat er das auch Angela Merkel mitgeteilt, in der regelmäßigen Montagsschalte. Die Kanzlerin habe Strobl da nicht verteidigt, wusste Seehofer zu berichten. Im Gegenteil: Auch Merkel sei wegen des Interviews sauer.
"Das bleibt jetzt aber bitte unter uns", sagte Seehofer seinen Leuten dann. Die Bitte wiederholte er mehrfach. Seine Leute im Vorstand fassten die Mahnung unterschiedlich auf: Die einen dachten, der Chef wolle den Vorgang selbst der Presse stecken und hielten danach den Mund. Die anderen erledigten es wie immer im vorauseilenden Gehorsam gleich für ihn und sprachen mit SPIEGEL ONLINE. Auch der "Donaukurier" berichtet in einer kleinen Notiz von dem Vorfall.
Strobl wusste da schon, wie aufgeregt die Stimmung in der CSU war. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte ihm auf sein Interview hin eine geharnischte SMS geschrieben. "Der kann sich auf ein Rückspiel gefasst machen", drohte er in kleiner Runde. Und Max Straubinger, der gewöhnlich gutmütige CSU-Sozialexperte im Bundestag, nahm Strobl in den vergangenen Tagen beiseite und mahnte fairen Umgang unter Nachbarn an.
Die CSU hielt ungewöhnlich still
Die CSU ist auch deswegen sauer, weil sie den Zerfallsprozess der CDU im Ländle zwar mit innerer Unruhe wahrgenommen hat, sich aber - untypischerweise - nicht zu öffentlichen Kommentierungen hatte hinreißen lassen. Gerade nach der Wahlniederlage von Stefan Mappus und dem Aufstieg von Grün-Rot fürchteten nicht wenige in der CSU, Bayern könne das nächste Land sein, in dem der Nimbus der Unbesiegbarkeit der Schwarzen gebrochen werde. Auch als sich die Baden-Württemberg-CDU im Streit über den richtigen Umgang mit dem Mappus-Erbe zerfleischte und der Untersuchungsausschuss zum Kauf der Anteile am Energieversorger EnBW immer wieder für negative Schlagzeilen sorgte, hielten die Christsozialen in ungewöhnlicher Solidarität still.
Dass mit der damaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan ausgerechnet eine wichtige Politikerin aus Baden-Württemberg dem damaligen CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg eine mitgab, machte die Sache nicht besser. Als der im Februar 2011 wegen seiner Plagiats-Doktorarbeit um seinen Posten als Bundesverteidigungsminister kämpfte, sagte sie: "Ich schäme mich nicht nur heimlich." Als Schavan schließlich ihren Doktortitel verlor, hielten sich die Bayern - erneut eher untypisch - mit öffentlicher Häme trotzdem zurück.
Und jetzt hat die Opposition mit der Verwandtschaftsaffäre zum ersten Mal ein Thema gegen die CSU. "Und da meint der Strobl, uns belehren zu müssen", heißt es an der CSU-Spitze.
Strobl äußerte sich in kleiner Runde in dieser Woche in Berlin recht kleinlaut zu seinem Interview vergangene Woche.