Seehofers Wut-Auftritt im ZDF "Sie können das alles senden"

Seehofer im ZDF-Interview über Röttgen: "Persönlich hat er mich abtropfen lassen"
Foto: ZDFBerlin - So etwas passiert selten: Ein hochrangiger Politiker redet "off-the-record" mit einem Journalisten, zieht über Kollegen und die eigene Koalition her, und sagt dann zum Abschied: "Das dürfen Sie alles verwenden."
Am Montag konnte sich die "heute journal"-Redaktion über genau so einen Fall freuen. ZDF-Frontmann Claus Kleber interviewte vorab für die Abendnachrichten den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Es ging natürlich um den für die Union desaströsen Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen. Wie bereits zuvor in anderen Zusammenhängen sprach Seehofer von Fehlern in der CDU, CSU und FDP und forderte Konsequenzen auch für die politische Arbeit in Berlin. Zunächst.
Nach gut fünf Minuten war das offizielle Interview beendet, und damit die offiziellen Sprechblasen und Ausweichmanöver eines Spitzenpolitikers, der sich aus journalistischen Nachfragen herauswindet. Wie üblich plauderten Journalist und Politiker danach noch etwas weiter - die Kameras liefen noch, beiden war aber bewusst, dass dieses Nachgespräch inoffiziell war. Zunächst.
"Na, das hat sich doch wieder gelohnt", sagt Kleber im lockeren Ton. "Ja, das war frisch", antwortet Seehofer. Die beiden scherzen, lachen, Kleber tauscht seinen TV-Gesichtsausdruck gegen ein kritisches Stirnrunzeln. "Ich bin nicht restlos überzeugt, dass Sie wirklich glauben, dass das mit der Finanztransaktionsteuer und dem Betreuungsgeld...", beginnt der Journalist.
Seehofer unterbricht ihn und zählt weitere Baustellen und ungelöste Streitfragen in der Koalition auf. "Dies alles wird doch seit Wochen hin und her und rauf und runter diskutiert, das muss jetzt ein Ende haben", so der CSU-Politiker. "Aber das geht mir alles zu zäh", sagt Seehofer und schüttelt den Kopf. Das tue ihm besonders weh, weil er an die Regierungsfähigkeit von Union und FDP glaube. "Und wir machen das einfach nicht so gut, dass wir die Zustimmung auch von der Bevölkerung erhalten. Es tut mir leid."
Dieser Gedanke bringt Seehofer wieder zu seinem Aufreger dieser Tage: Norbert Röttgen. Die CDU hatte am Sonntag bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit Röttgen an der Spitze heftige Verluste erlitten und kam nur noch auf 26,3 Prozent. Innerhalb von sechs Wochen sei Röttgens Vorsprung in Umfragen "weggeschmolzen wie ein Eisbecher, der in der Sonne steht", sagte Seehofer nun zu Kleber. "Das ärgert mich." Dass sich Röttgen den Notausgang nach Berlin nicht zugemacht hat, "war ein ganz großer Fehler", so Seehofer weiter.
Seehofer hatte Röttgen bereits im Vorfeld immer wieder kritisiert, weil dieser sich die Option offen gehalten hatte, nach einer Niederlage Umweltminister in Berlin zu bleiben, anstatt in NRW in die Opposition zu gehen. Sowohl im persönlichen Gespräch als auch über die "Bild"-Zeitung habe er Röttgen gewarnt: "Persönlich hat er mich dann abtropfen lassen. Die Kanzlerin war ja dabei", so Seehofer nun. Dass die Wähler eine solche Haltung nicht hinnehmen würden, habe er, Seehofer, gleich gewusst.
Kleber bedient sich eines charmanten Tricks und macht deutlich, dass dieses Nachgespräch interessanter gewesen sei, als das eigentliche Interview. "Sie können das alles senden, was ich gesagt habe", entgegnet Seehofer. Das Gelächter im ZDF-Studio und Klebers Seitenblick verraten das Erstaunen über die unverhoffte Zusage: "Na, das machen wir!"