Ex-Minister Guttenberg, Familie: Servus, Deutschland!
Foto: Daniel Karmann/ dpaHamburg - Bewaldete Hügel, Strände, Kirchen im Kolonialstil - so wirbt Connecticut für sich. Der US-Bundesstaat an Amerikas Ostküste gilt als klein aber fein. Und er ist das Hedge-Fonds-Mekka der USA. Keine Stadt hat mehr als 200.000 Einwohner, insgesamt leben dort nur 3,4 Millionen Menschen. Karl-Theodor zu Guttenberg wird bald einer von ihnen sein.
Der frühere deutsche Verteidigungsminister hat für seine Familie bereits ein Haus in Connecticut gekauft. Guttenbergs Umfeld bestätigte dies gegenüber SPIEGEL ONLINE. Zuvor hatte die ARD berichtet, Guttenberg wolle in Connecticut ein Buch schreiben und Vorträge halten.
Umzug und Auszeit stehen offenbar in Kürze bevor, die zwei Töchter der Familie Guttenberg sollen nach Ende der Sommerferien im neuen Schuljahr in den USA zur Schule gehen. Der 39-Jährige trug sich bereits seit seinem Ausscheiden aus der Politik, seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister nach der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit am 1. März, mit dem Gedanken, vorübergehend ins Ausland zu gehen. In Deutschland läuft gegen den einstigen CSU-Star noch immer ein Ermittlungsverfahren wegen nichtgewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzung.
Polit-Sabbatical nach dem Rückzug
Warum aber das ruhige Connecticut? Offenbar findet es Guttenberg reizvoll, weil er von dort tagsüber sowohl nach New York als auch in die Hauptstadt Washington reisen kann, heißt es in seinem Umfeld.
Bereits im Juni hatte der SPIEGEL erfahren, dass die Auszeit mindestens zwei Jahre dauern solle. So hatte es Guttenberg damals gegenüber Vertrauten angekündigt. Eine Rückkehr in die Politik für die Zeit danach schloss er nicht aus, in Gesprächen und E-Mails sprach Guttenberg von einem "politischen Sabbatical" nach seinem Rückzug aus der Bundespolitik.
Allerdings halten mittlerweile manche Weggefährten Guttenbergs eine Rückkehr des einstigen CSU-Shootingstars auf die Berliner Polit-Bühne für schwierig. "Was will er denn in Amerika?", wundert sich ein Freund der Familie. Wolle Guttenberg noch einmal in den Bundestag zurückkehren, müsse er sich rechtzeitig um seine Aufstellung als Kandidat bemühen - "am besten schon jetzt".
Fakt ist: Der oberfränkische Wahlkreis Kulmbach ist verwaist, seitdem Guttenberg alle seine Ämter niedergelegt hat. Bei der Bundestagswahl 2009 brachte er es mit 68,1 Prozent noch zum deutschen Erststimmen-König. Gegenwärtig betreuen die CSU-Abgeordneten Thomas Silberhorn und Hans Michelbach kommissarisch Kulmbach, Lichtenfels und das Bamberger Land. Doch 2012 muss ein Kandidat für die Wahl im darauf folgenden Jahr gekürt werden. Klar ist: Ein Einzug über die CSU-Landesliste in den Bundestag scheint schier unmöglich, die Partei hat 2009 alle Mandate direkt gewonnen. Wird also Guttenberg als Direktkandidat antreten?
Seine Homepage zumindest trägt noch immer den Titel: "Karl-Theodor zu Guttenberg - Verantwortung verpflichtet". Als kürzlich Innenminister Hans-Peter Friedrich Guttenbergs Nachfolge als oberfränkischer CSU-Bezirksvorsitzender antrat, betonte er, der Vorgänger habe ihm versichert, sich schon bald wieder in die Politik einzubringen. "Wir rufen dir zu: Wir sind deine Familie, und eine Familie hält immer zusammen", so Friedrich. CSU-Chef Horst Seehofer betont ebenfalls stets die Rückkehroption des Auszeit-Amerikaners: "Wir haben ihm eine ganze Menge zu verdanken. Er ist einer von uns, und er bleibt einer von uns."
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Bye-bye, Karl-Theodor: Die Plagiatsaffäre war bereits ans Licht gekommen, als sich der damalige Verteidigungsminister auf dem Valentinstreffen der hessischen CDU am 21. Februar 2011 in Kelkheim noch kämpferisch gab. Gut eine Woche später beugte er sich dem Druck und trat zurück.
Zünftig: Viele prophezeiten dem Glamour-Paar eine weitere steile Karriere. Die Guttenbergs pflegten das Image des perfekten Tandems. Zurzeit geht Ehefrau Stephanie allein zu offiziellen Terminen.
Vom Bierzelt auf die Opernbühne: Vielen gelten die Guttenbergs als Vorzeigepaar, weil sie anscheinend auf jedem Parkett eine gute Figur machen. Das Bild zeigt die beiden während der Salzburger Festspiele 2010.
Dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer stahl Guttenberg oft die Schau. So auch auf dem CSU-Parteitag im Oktober 2010, wo die beiden Politiker sich vor den Kameras betont gut gelaunt gaben.
Ein ungleiches Duo waren der 39-jährige Karl-Theodor zu Guttenberg und sein Parteichef Horst Seehofer: Der Adlige wurde parteiintern bereits als Nachfolger des Arbeitersohns gehandelt. Seine Karriere hatte Guttenberg vor allem Seehofer zu verdanken. Der machte den Hinterbänkler im Bundestag 2008 erst zum CSU-Generalsekretär. Dann, nach nicht einmal hundert Tagen im Amt, schlug er ihn Kanzlerin Merkel im Februar 2009 als Wirtschaftsminister vor. Der Posten war vakant, weil...
...der CSU-Politiker Michael Glos überraschend nicht mehr weitermachen wollte. Guttenberg wurde somit der jüngste Bundeswirtschaftsminister aller Zeiten. In der schwarz-gelben Koalition führte er das Verteidigungsministerium. Eigentlich hatte er sich einen Namen als Außenpolitiker gemacht, nachdem er 2002 erstmals in den Bundestag gewählt worden war. Er verfasste jenes Unionspapier, das der Türkei statt einer EU-Mitgliedschaft eine "privilegierte Partnerschaft" in Aussicht stellte.
Freunde des geschliffenen Wortes: Guttenberg mit Ex-Finanzminister Peer Steinbrück während einer Kabinettssitzung der Großen Koalition. Im Wahlkampf maßen sie sich gar Zelt an Zelt auf einer Volksfest-Kundgebung im Niederbayerischen. Bei Guttenberg allerdings wurde Besonderes geboten: Eine Cover-Band seiner Lieblingsgruppe...
...AC/DC hatte ihren Auftritt. Guttenberg streifte sich ein Fan-Shirt über und rockte zu "Highway to Hell" mit - natürlich erst, nachdem die ebenfalls gebuchte Blaskapelle Bayern- und Deutschland-Hymne gespielt hatte.
Guttenberg hatte sich gerade bei den Jüngeren in der CSU den Ruf eines Hoffnungsträgers erworben. Die Junge Union setzte ihn im Wahlkampf als Discjockey ein - mit dem bezeichnenden T-Shirt-Aufdruck "Krisenbewäl-Tiger", eine Anspielung auf die Anfangsbuchstaben seiner ersten beiden Vornamen.
Bis zuletzt hielt Kanzlerin Angela Merkel öffentlich an ihrem Minister fest. Schon 2009 stand Guttenbergs Politikkarriere vor einem Bruch. Damals bot er der Kanzlerin nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt als Wirtschaftsminister seinen Rücktritt an. Der Grund: Bei der Diskussion um die Opel-Rettung hatte er als einziges Regierungsmitglied der Großen Koalition eine Insolvenz des Unternehmens ins Spiel gebracht, statt es staatlich stützen zu wollen. Merkel lehnte Guttenbergs Rücktritt damals ab.
Guttenberg hatte und hat in weiten Teilen der Bevölkerung den Ruf des standhaften, prinzipientreuen Politikers. Zwischenzeitlich stand er in Beliebtheitsumfragen sogar vor Merkel - und weit vor Seehofer. Mit Letzterem gab es ebenfalls Konflikte: Während Seehofer dem in Schieflage geratenen Versandhändler "Quelle" in der Wirtschaftskrise schnell helfen wollte, meldete der Freiherr ordnungspolitische Bedenken an.
Wenn Guttenberg auf Parteiversammlungen und in Bierzelten sprach, strömten begeisterte Anhänger herbei.
Mit Posen wie jener auf dem New Yorker Times Square beim Antrittsbesuch in den USA im März 2009 hat Guttenberg sich das Image eines Politik-Popstars und Kosmopoliten zugelegt. Nach dem miserablen 42,5-Prozent-Ergebnis der CSU bei der Bundestagswahl galt Guttenberg manchen in der Partei bereits als Schattenvorsitzender.
Bodenständig kann Guttenberg auch - und ein Bierfass anzapfen sowieso. In der CSU sahen sie ihn nach Strauß 1980 und Stoiber 2002 schon als ihren nächsten Kanzlerkandidaten. Sogar Rivale Seehofer bemerkte einmal mit Blick auf Guttenberg: "Irgendwann wird's auch bei uns mal wieder schnackeln mit einem Kanzlerkandidaten - oder einer Kandidatin."
Er sticht gerne heraus: Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP im Herbst 2009 erschien Guttenberg im Lässig-Look.
Im Oktober 2009 wurde Guttenberg Verteidigungsminister. Bei den Soldaten war er beliebt - unter anderem wegen regelmäßiger Besuche in Afghanistan. Zu diesen Anlässen setzte sich der CSU-Politiker gerne selbst in Kampf- und Schutzausrüstung in Szene.
Guttenberg im Oktober 2009 in einem Transportflugzeug der Bundeswehr während eines Flugs nach Afghanistan. Die Botschaft an die Soldaten lautete: Ich bin stets für euch im Einsatz.
Guttenberg machte mit seinen Besuchen am Hindukusch Schlagzeilen, weil er sich bis an die Front wagte. Das Foto zeigt ihn im Februar 2011 bei einer Visite eines Außenpostens der Bundeswehr nahe der Stadt Baghlan, der im Jargon der Nato-Truppen kurz "OP North" getauft wurde.
Kurz vor Weihnachten 2010 nahm Guttenberg sogar seine Frau mit nach Afghanistan. Oppositionspolitiker kritisierten die Reise als PR-Trip des Ehepaares.
Solche Bilder erzürnten Kritiker besonders: Beim Besuch in Afghanistan posierten die Guttenbergs auch für Kuschelfotos auf dem Flugfeld.
Als Verteidigungsminister geriet Guttenberg mehrmals unter Druck: Das Bombardement von Tanklastern nahe Kunduz 2009 hatte Guttenberg erst verteidigt, wenig später war er von seiner Position abgerückt. Er entließ Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan (links) und Staatssekretär Peter Wichert. Begründung: Die beiden hätten ihn selbst nach konkreter Nachfrage die Existenz von wichtigen Papieren über das Bombardement verschwiegen. Die Beamten zeigten sich von Guttenbergs Darstellung empört und in ihrer Ehre getroffen.
In der Affäre um den Tod einer Offiziersanwärterin und die Zustände auf dem Segelschulschiff Gorch Fock geriet Guttenberg ebenfalls in die Kritik. Er hatte zunächst eine umfassende Aufklärung angekündigt und dann doch den Kapitän des Schiffs überraschend schnell abberufen.
Er wolle die Plagiatsäffäre zusammen mit seiner Frau durchstehen, sagte Guttenberg. Das Paar zeigte sich gerne auf Promi-Veranstaltungen wie der Spendengala "Ein Herz für Kinder".
Damals war das Ende seiner Polit-Karriere nicht abzusehen: Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte Guttenberg 68,1 Prozent der Erststimmen in seinem Wahlkreis Kulmbach - und war damit Erststimmenkönig der Republik. Mit seiner Frau Stephanie, einer geborenen von Bismarck-Schönhausen, hat er zwei Töchter. Bereits Guttenbergs Großvater war CSU-Politiker und parlamentarischer Staatssekretär im Kanzleramt von Kurt-Georg Kiesinger.
Stephanie zu Guttenberg tritt gerne aus dem Schatten ihres Mannes: Sie engagiert sich in einer Organisation gegen Kindesmissbrauch. Für die Sendung "Tatort Internet" stand sie vor der Kamera. Für das Format legte RTL II Spuren für potentielle Sexualstraftäter aus, indem scheinbar Minderjährige in Internetforen kommunizierten. Medienwächter rüffelten die Sendereihe.
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