Sozialpolitik DGB warnt vor Abschaffung der Arbeitslosenhilfe

Die Gewerkschaften wollen die von Arbeitsminister Riester angestrebte Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verhindern. Andernfalls drohe Langzeitarbeitslosen die völlige Verarmung, vor allem im Alter.
Von Daniel Kluge

Berlin - Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursula Engelen-Kefer, lehnt eine Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ab, weil damit massive Einkommenskürzungen für rund 1,5 Millionen Arbeitslose verbunden wären und ihre Chancen, in einen festen Job zurückzukehren, weiter verschlechtert würden. Da Arbeitslosenhilfe von der Bundesanstalt für Arbeit bezahlt wird, sind die Empfänger automatisch in die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter einbezogen. Sie profitieren außerdem von speziellen Anstrengungen aktiver Arbeitsmarktpolitik wie Weiterbildungsangeboten oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Insgesamt stehen dafür im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit rund 40 Milliarden Mark zur Verfügung.

Ohne Arbeitslosenhilfe wären die vorwiegend Langzeitarbeitslosen allein auf die Kommunen angewiesen. Die Einkünfte der Betroffenen würden auf das Existenzminimum der Sozialhilfe absinken. Da Sozialhilfeempfänger keine gesetzliche oder private Alterssicherung aufbauen können, würde sich nach Ansicht der Gewerkschaften vor allem das Problem der Altersarmut deutlich verschärfen. Zudem seien die Kommunen nicht annähernd in der Lage, die Leistungen der Arbeitsämter bei der Arbeitsbeschaffung zu ersetzen. Bisher können sie nur etwa zwei Milliarden Mark für Hilfe zur Arbeit aufbringen.

Trennung zwischen Arbeitslosen- und Sozialhilfe erforderlich

"Das endgültige Abschieben Langzeitarbeitsloser in die Sozialhilfe wäre sozial- und arbeitsmarktpolitisch gleichermaßen verheerend", so Engelen-Kefer. Die Trennung zwischen Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei auch wegen der unterschiedlichen Biografien der Betroffenen erforderlich. Die Sozialämter seien kompetent für soziale Probleme wie Wohnungslosigkeit, Überschuldung oder Suchtkrankheiten, während die Arbeitsämter über die größere Arbeitsmarktkompetenz verfügten.

Die Vizepräsidentin des DGB forderte Arbeitsminister Riester auf, sich an seine Zusagen zu halten und das Ende des MoZArT-Programms abzuwarten. Erst dieses Modellprojekt zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe, das bis Ende 2002 in 28 Orten bundesweit die Kooperation der beiden Behörden mit 30 Millionen Mark pro Jahr fördert, bringe genügend praktische Erfahrungen, um zu zeigen, wie eine sinnvolle Verknüpfung von Arbeits- und Sozialamt aussehen müsse. Voreilige Schlüsse, wie Riesters Ankündigung, Sozial- und Arbeitslosenhilfe bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode zusammenführen zu wollen, lehnt Engelen-Kefer entschieden ab.

Hälfte der Sozialhilfeempfänger ohne Berufsausbildung

Der DGB hält mehr Zusammenarbeit bei der Unterstützung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern für wünschenswert. Er begrüßt daher einen besseren Informations- und Datenaustausch und will die Verpflichtung zur Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialamt auch gesetzlich genauer regeln. Sozialhilfeempfängern soll nach Auffassung des DGB außerdem ermöglicht werden, an den Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitsämter teilzunehmen. Über die Hälfte der Sozialhilfeempfänger habe keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ihr Bedarf nach Weiterbildung sei daher besonders groß.

Die Auffassung von Arbeitgeberpräsident Hundt, gerade für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe seien die Beschäftigungsanreize viel zu gering, nannte Engelen-Kefer "schlicht falsch". Die überwiegende Mehrheit dieser Gruppe von Arbeitslosen sei bereit, eine Arbeit mit geringerem Lohn als bei ihrem letzten Job anzunehmen. Viele würden sogar für ein Einkommen in Höhe der Arbeitslosenhilfe arbeiten. Würde man, wie von Hundt gefordert, die Arbeitslosenhilfe auf das Existenzminimum der Sozialhilfe absenken, bedeute das finanzielle Not für die Arbeitslosen und ihre Familien. Der DGB will mittelfristig sogar mehr Geld für Langzeitarbeitslose. Nach seiner Auffassung muss die noch unter der Regierung Kohl verfügte Absenkung der Arbeitslosenhilfe um jährlich drei Prozent rückgängig gemacht werden.

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