Spähaffäre NSA-Ausschuss will Internet-Mogule befragen

Facebook-Chef Zuckerberg: Steht auf der Zeugenliste der NSA-Aufklärer
Foto: Justin Sullivan/ Getty ImagesBerlin - Die Zeugenliste der NSA-Aufklärer im Bundestag wird immer länger. Am Donnerstag will der Untersuchungsausschuss die Anhörung mehrerer Topunternehmer beschließen - darunter Firmenchef Mark Zuckerberg (Facebook), Eric Schmidt (Google), Tim Cook (Apple) oder Dick Costolo (Twitter).
Auch die ehemaligen Chefs des US-Geheimdienstes NSA, Keith Alexander und Michael Hayden, stehen auf der Liste, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Bei ihnen ist noch unklar, ob sie als Zeugen - die einer Wahrheitspflicht unterliegen - oder als einfache Sachverständige eingeladen werden sollen.
Zuvor hatte das Gremium die Befragung von Whistleblower Edward Snowden, Kanzlerin Angela Merkel, mehrerer deutscher Geheimdienstchefs sowie früherer und amtierender Bundesminister beschlossen. Mehr als hundert Personen sollen als Zeugen oder Experten gehört werden.
Mitglieder der Bundesregierung oder Vertreter heimischer Nachrichtendienste müssen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erscheinen. Im Gegensatz zu Privatpersonen aus der Wirtschaft. Wie realistisch ist es also, dass Zuckerberg, Alexander und Co. der Einladung folgen?
"Ich glaube nicht, dass sich diese Firmen leisten können, mit einem leeren Stuhl zu glänzen", sagt Christian Flisek, SPD-Obmann im Ausschuss. Die Internetgiganten seien nach der Spähaffäre darauf angewiesen, wieder Vertrauen zu gewinnen, erklärte er. "Die IT-Unternehmen betonen, dass sie nichts zu verbergen haben", sagte Grünen-Obmann Konstantin von Notz, "ich will schwer hoffen, dass die Firmenchefs erscheinen."
Am Ende nur eine Luftnummer?
Allerdings: Niemand kann die Internet-Promis dazu zwingen, nach Berlin zu jetten, eine Gruppe Bundestagsabgeordneter in den USA zu empfangen oder sich per Videoleitung befragen zu lassen. Wahrscheinlicher ist es, dass die Firmenchefs darauf verweisen, dass alles, was sie zur Spähaffäre zu sagen hätten, bekannt sei. Das wäre eine ordentliche Blamage für die deutschen Aufklärer.
Vielleicht erklären sich einige Internet-Promis auch bereit. Dann könnten sich Zuckerberg und seine Kollegen öffentlichkeitswirksam mit Transparenz und Auskunftsfreude schmücken. Doch ob sie wirklich etwas Neues zur Aufklärung beitragen können, ist fraglich. Zuckerberg fordert eine Reform der Überwachungsaktivitäten und möchte, dass die Daten der Facebook-Nutzer sicher sind. Von der NSA-Überwachung will er aber nichts gewusst haben.
Auch andere Firmenchefs waren angeblich überrascht vom Zugriff des Geheimdienstes. Ein Google-Mitarbeiter kommentierte Enthüllungen mit einem "Fuck You". Dass die Chefs der US-Milliardenkonzerne vor dem deutschen Parlament plötzlich neue Details verraten, geschweige denn ihre eigene Regierung kritisieren, scheint mehr als unrealistisch.
"Wir sind abhängig von den USA"
Am ehesten dürften die Whistleblower der Einladung folgen und ihre Kritik am Spähapparat der USA erneuern. Die früheren NSA-Mitarbeiter Thomas Drake und J. Kirk Wiebe haben bereits vor dem EU-Parlament ausgesagt. Auch der Ex-NSA-Angestellte William Binney gibt Interviews und tritt öffentlich auf Hackerkonferenzen auf, um vor seinem ehemaligen Arbeitgeber zu warnen. Der ehemalige CIA-Angestellte Thomas Andrew Blake fordert öffentlich eine Abschaffung der NSA.
Auch der frühere NSA-Chef Hayden und sein Amtsnachfolger Alexander geben Interviews. Doch das muss nicht heißen, dass sie sich auch von deutschen Parlamentariern ausfragen lassen. Amerika entschuldigt sich nicht für seinen Geheimdienst und dessen technische Fähigkeiten, schon aus Prinzip nicht - das hat Präsident Barack Obama deutlich gemacht.
"Wir sind in dieser Frage abhängig von den USA", räumt CDU-Obmann Roderich Kiesewetter ein. Bei Hayden und Alexander handele es sich um Exfunktionäre, denen die US-Regierung verbieten könne, offiziell auszusagen. "Wir bestehen darauf, dass sich die US-Regierung erklärt, ob man Hayden und Alexander schickt oder nicht", so Kiesewetter.
Sein SPD-Kollege Flisek scheint hoffnungsvoller: "Wir setzen darauf, dass Keith Alexander so eitel ist, dass er einer offiziellen Einladung eines Untersuchungsausschusses auch folgt", meinte er flapsig. Der Grüne von Notz betonte, er halte es für "absolut notwendig", dass die Ex-NSA-Chefs als Zeugen und nicht als Experten eingeladen würden.
Am Donnerstag tagt der Ausschuss das erste Mal öffentlich, mehrere Sachverständige geben ihre Einschätzung zur Spähaffäre ab. Die Umstände einer Vernehmung des prominentesten Zeugen, Edward Snowden, sind weiter ungelöst. Snowdens deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck hält laut SPIEGEL-Informationen eine Vernehmung seines Mandanten in Russland, wo Snowden nur vorläufig Asyl hat, für ein "Risiko". Eine Befragung in Deutschland lehnt die Bundesregierung ab.