"Tempora"-Abhörskandal Grüne fordern EU-Klage gegen britische Regierung

Massenhaft zapften britische Spione private Daten aus Glasfaserkabeln ab - doch passiert ist seit dem Skandal um das Spähprogramm "Tempora" nichts. Das wollen die Grünen ändern: Sie dringen auf ein EU-Verfahren gegen London.
Abhörstellen des britischen Geheimdiensts: Attacke auf Glasfaserkabel

Abhörstellen des britischen Geheimdiensts: Attacke auf Glasfaserkabel

Foto: KIERAN DOHERTY/ REUTERS

Berlin - Es geht an die Aufarbeitung der britischen Abhöraffäre um das Überwachungsprogramm "Tempora" - und die Grünen haben eine deutliche Forderung an die Europäische Union gestellt. Sie verlangen von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso , ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gegen Großbritannien einzuleiten. "Wenn die Kommission in dieser Frage untätig bleibt, droht dies das Fundament der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft zu untergraben", heißt es in einem Brief der Fraktionsführung an Barroso.

Die großflächige Überwachung des britischen Geheimdiensts GCHQ werfe schwerwiegende Fragen des Grundrechtsschutzes in Europa auf. "Es darf nicht sein, dass die Kommission in dieser für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union so wichtigen Angelegenheit untätig bleibt", heißt es in dem Brief, der von Fraktionsvize Konstantin von Notz erarbeitet wurde.

Um einen nachhaltigen Schaden von der EU als Rechtsgemeinschaft abzuwenden, müsse die Kommission "ihrer Rolle als Hüterin der Verträge" nachkommen und gegen das Königreich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

"Tempora" ist der Deckname eines Spähprogramms des britischen Geheimdienstes, das auf die Daten aus Glasfaserkabeln zielt, durch die ein Großteil der globalen Telefon- und Internetkommunikation fließt. Das Überwachungsprogramm wurde im vergangenen Jahr vom "Guardian" unter Berufung auf Unterlagen von Whistleblower Edward Snowden enthüllt.

"Spionage zwischen europäischen Mitgliedstaaten zerstört den Kern des europäischen Projekts", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt SPIEGEL ONLINE. "Es wird Zeit, dass Europa handelt." Die Kommission habe "nach den Europäischen Verträgen die Aufgabe, das Recht in der EU und damit die Privatsphäre aller Europäer zu schützen", so Göring-Eckardt.

Von Notz kritisiert Bundesregierung

Die Grünen richten sich auch aus Enttäuschung über die Haltung der Bundesregierung an Barroso. "Wir fordern die Bundesregierung seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den britischen Geheimdienst GCHQ im Juli 2013 auf, über die EU-Kommission ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Großbritannien anzustreben", sagte Fraktionsvize Notz SPIEGEL ONLINE. "Geschehen ist seitdem nichts. Das anhaltende Nichthandeln ist skandalös. Durch ihre Untätigkeit in Sachen Grundrechtsschutz stellt die Bundesregierung zentrale rechtsstaatliche Werte zur Disposition."

Die britischen Spähpraktiken dürften auch eine zentrale Rolle im Untersuchungsausschuss des Bundestages spielen, der von dieser Woche an die Überwachungsprogramme des US-amerikanischen Geheimdienst NSA beleuchten soll. Grüne und Linke hoffen, im Ausschuss die Hintergründe der Programme sowie mögliche Verwicklungen deutscher Stellen klären zu können. Er konstituiert sich am Donnerstag.

Am Wochenende waren die Überwachungspraktiken erneut in den Fokus gerückt. Der SPIEGEL hatte unter Berufung auf Snowden-Dokumente berichtet, die NSA habe mehr als 300 Berichte über Angela Merkel erfasst, die in einer besonderen Datenbank für Staats- und Regierungschefs erfasst waren.

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