Spardebatte Kanzlerin will Sozialausgaben kürzen

Kanzlerin Merkel: "Es geht um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands"
Foto: AFPMeseberg - Die Regierung trifft sich am Sonntag und Montag zu einer Sparklausur im Berliner Kanzleramt. Kurz vor diesem entscheidenden Termin zum Thema Haushalt macht die Kanzlerin erste Vorschläge, wie der klamme Staat sein Schuldenproblem in den Griff bekommen kann: Angela Merkel will den Rotstift bei den Sozialausgaben ansetzen, Steuererhöhungen steht sie ausgesprochen skeptisch gegenüber.
Es sei "unabdingbar", das Verhältnis von Zukunftsinvestitionen und Sozialausgaben neu auszutarieren, sagte die CDU-Chefin nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew auf Schloss Meseberg in Brandenburg. "Das kann nicht einfach dadurch geschehen, dass man immer die Einnahmenseite erhöht, sondern das muss dadurch geschehen, dass man dann auch Strukturen der sozialen Sicherheit effizienter macht." Details nannte sie nicht. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und CSU-Chef Horst Seehofer lehnen Steuererhöhungen ab.
Bei der Sparklausur sollen Eckpunkte für den Haushalt 2011 und den Finanzplan bis 2014 beschlossen werden. Dafür gilt die Vorgabe, dass bis 2016 das Defizit im Bundesetat jedes Jahr um rund zehn Milliarden Euro sinken muss, um nicht die neue Schuldenbremse im Grundgesetz zu verletzen.
Mehrwertsteuer? Spitzensteuer? Spekulantensteuer?
Bei dem Treffen dürfte es hoch hergehen: Trotz Merkels skeptischer Haltung, machen sich immer wieder Spitzenpolitiker für Abgabenerhöhungen stark. Diskutiert wird unter anderem die Erhöhung des Solidaritätszuschlags, der Mehrwertsteuer oder einzelner bislang ermäßigter Steuersätze.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus will an den verminderten Mehrwertsteuersatz ran. Durch diesen entgingen dem Staat rund 20 Milliarden Euro an Einnahmen, sagte der CDU-Mann der "Bild am Sonntag". "Da können wir relativ einfach einige Milliarden zusätzlicher Einnahmen generieren."
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich will den Spitzensteuersatz erhöhen. Man müsse über eine - zumindest vorübergehende - Erhöhung des Steuersatzes für diejenigen nachdenken, "die weit mehr als der Durchschnitt verdienen", sagte er der Zeitung. Dies dürfe "kein Tabu sein".
Niedersachsens CDU-Fraktions- und -Parteichef David McAllister plädierte dafür, Spekulanten stärker zu besteuern - beispielsweise durch eine Finanztransaktions- oder eine Finanzaktivitätssteuer (siehe Video links). Man müsse prüfen, ob bestimmte Steuern nicht dazu führen können, "bestimmtes Fehlverhalten zu verhindern und zu vermeiden".
FDP will ans Arbeitslosengeld I ran
Die FDP dagegen macht vor allem Sparvorschläge, die eher auf Merkels Linie liegen. Generalsekretär Christian Lindner forderte in der "Bild"-Zeitung, die von der Großen Koalition verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Erwerbslose wieder zu verkürzen. Das Arbeitslosengeld I bringe niemanden schneller in Arbeit und werde von Arbeitgebern oft als Frührente missbraucht, "die 1,5 Milliarden Euro jährlich kostet", sagte er.
Gegenüber dem "Tagesspiegel" plädierte Lindner dafür, Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld zu streichen - und wärmte damit ein Streitthema der Liberalen wieder auf: Im November 2009 hatte sich Parteichef Guido Westerwelle dafür ausgesprochen, das Hartz-IV-Elterngeld weiterzuzahlen .
Der Finanzwissenschaftler und Regierungsberater Clemens Fuest forderte die Regierung zur umfassenden Streichung staatlicher Hilfen auf: Der Subventionsabbau habe "Priorität", sagte Fuest der Zeitung "Euro am Sonntag". Dabei gehe es nicht nur "um die üblichen Positionen wie Steinkohle oder Landwirtschaft, sondern beispielsweise auch um den Bereich der erneuerbaren Energien".
Als einziges Kabinettsmitglied rechnet Bundesbildungsministerin Annette Schavan mit mehr Geld. In einem Interview des Nachrichtenmagazins "Focus" zeigte sich die CDU-Politikerin optimistisch, dass der Bildungsgipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten am nächsten Donnerstag ein Erfolg wird.
Schavan möchte bei dem Treffen verbindlich festlegen, dass Bund und Länder ab 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung ausgeben. Sie verwies darauf, dass der Bund in dieser Legislaturperiode zusätzlich zwölf Milliarden Euro für Forschung und Bildung bereitstellt. Ob die Ministerpräsidenten beim Festzurren der Zehn-Prozent-Marke mitziehen, ist allerdings unsicher.