Parteitag SPD verabschiedet Wahlprogramm

Ohne Gegenstimme hat die SPD auf dem Parteitag in Dortmund ihr Regierungsprogramm beschlossen. Eine wichtige Streitfrage bleibt jedoch offen.
Hubertus Heil, Martin Schulz, Manuela Schwesig

Hubertus Heil, Martin Schulz, Manuela Schwesig

Foto: WOLFGANG RATTAY/ REUTERS

Die SPD hat auf ihrem Parteitag in Dortmund Geschlossenheit demonstriert. Die Delegierten nahmen das Regierungsprogramm für die Bundestagswahl ohne Gegenstimme an - es gab eine Enthaltung. "Wir sind kampfbereit", sagte Generalsekretär Hubertus Heil nach der Abstimmung. Die SPD habe das beste Programm für Deutschland.

Die Sozialdemokraten ziehen unter anderem mit der Forderung nach Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und höheren Steuern für Spitzenverdiener in den Wahlkampf. Kitas sollen gebührenfrei werden und die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet. Die Ehe für alle hatte Kanzlerkandidat Martin Schulz in seiner Rede zur Bedingung für eine Koalition nach der Bundestagswahl erklärt.

Bei der umstrittenen Frage nach einer Vermögensteuer hatte die SPD-Spitze bereits vor dem Parteitag eine vorübergehende Kompromisslösung gefunden. Der Vorstand entschied am Samstag, dass eine Kommission eingerichtet werden soll, die an dem Projekt weiter arbeiten soll.

Die Parteilinken und der SPD-Nachwuchs Jusos hatten gefordert, die Sonderabgabe für Superreiche ins Programm aufzunehmen. Schulz ist jedoch dagegen. Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden aufgestellt. Seit 1997 wird die Steuer deswegen nicht mehr erhoben.

Eine klarere Haltung fand der Parteitag dagegen beim Thema Abschiebungen nach Afghanistan - gegen den Willen der Parteispitze. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde mehrheitlich angenommen. "Wir werden bis auf Weiteres keine Abschiebungen nach Afghanistan vornehmen", heißt es ohne weitere Einschränkungen in dem Text.

Die Parteispitze hatte eine spezielle Festlegung zu Abschiebungen nach Afghanistan vermeiden wollen. Sie hatte sich für die allgemeinere Formulierung ausgesprochen, wonach Abschiebungen nicht in Länder erfolgen sollten, wo die Betroffenen Gefahr laufen, Opfer von Krieg oder Gewalt zu werden. Dies erhielt jedoch nicht die Unterstützung der Mehrheit der Delegierten.

Weitere wichtige Punkte des Programms im Überblick:

  • Steuern: Die SPD will Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bei der Steuer entlasten. Dafür soll der Steuertarif im mittleren Bereich abgeflacht werden. Der Solidaritätszuschlag soll ab 2020 für Jahreseinkommen bis zu 52.000 Euro entfallen, in den Jahren danach dann für alle. Im Gegenzug soll der Spitzensteuersatz erhöht werden, aber erst ab einer höheren Einkommensgrenze gelten. Einkommen aus Arbeit und aus Kapital sollen wieder gleich besteuert, große Erbschaften stärker herangezogen werden. Das Ehegattensplitting will die SPD durch einen Familientarif mit stärkerer Förderung von Kindern ersetzen.
  • Renten: Das Rentenniveau soll bis 2030 auf dem jetzigen Stand von etwa 48 Prozent stabilisiert werden. Den Beitragssatz von aktuell 18,9 Prozent will die SPD bis 2030 nicht über 22 Prozent steigen lassen. Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters über 67 Jahre hinaus schließen die Sozialdemokraten aus.
  • Arbeit: Die SPD will die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen. Teilzeitbeschäftigte sollen ein Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz erhalten. Ergänzend zum bisherigen Arbeitslosengeld I soll es ein Arbeitslosengeld Q geben, das Arbeitslose während einer Weiterqualifizierung beziehen. De facto verlängert dies die Bezugsdauer der Leistungen.
  • Gesundheit: Die gesetzlichen Krankenkassen sollen zur Bürgerversicherung umgebaut und paritätisch durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert werden. Dies soll auch Beamte einbeziehen. Ärztliche Behandlungen sollen für alle Patienten einheitlich vergütet werden.
  • Familien: Mit einer Familienarbeitszeit und einem Familiengeld will die SPD die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf erleichtern. Diesem Ziel soll auch der weitere Ausbau der Kinderbetreuung dienen. Kita-Gebühren sollen schrittweise entfallen.
  • Bildung: Ein Modernisierungsprogramm des Bundes soll die Qualität der Schulen verbessern. Das Kooperationsverbot in der Verfassung, das direkten Zahlungen des Bundes bisher entgegensteht, soll entfallen. Studium und Meisterausbildung sollen gebührenfrei sein.
  • Wirtschaft und Investitionen: Eine milliardenschwere Investitionsoffensive soll wirtschaftliche Innovationen und Fortschritt voranbringen. Bis 2025 sollen 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung fließen.
  • Sicherheit: Bei der Polizei soll es 15.000 neue Stellen geben.
  • Migration: Ein Einwanderungsgesetz soll Migration aus wirtschaftlichen Gründen regeln. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen weiter den Doppel-Pass erhalten. Für die Folgegeneration legt sich die SPD nicht fest.
  • Außen- und Verteidigungspolitik: Lücken bei der Bundeswehr sollen durch höhere Verteidigungsausgaben geschlossen werden, das Nato-Ziel eines Wehretats von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts lehnt die SPD aber ab. Sie will ein soziales Europa stärken und befürwortet die Einrichtung einer Wirtschaftsregierung für den Euroraum.
  • Umwelt und Verkehr: Die SPD bekennt sich zu dem Ziel, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40 Prozent verglichen mit 1990 zu senken, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent. Die Nutzung fossiler Energieträger soll auslaufen, öffentliche Verkehrsmittel ausgebaut werden.
kev/AFP/dpa
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