SPD-Parteikonvent Gabriel setzt auf Kompromiss im Ceta-Streit

Die SPD entscheidet auf einem Konvent über ihren Kurs beim Ceta-Abkommen. Für Sigmar Gabriel hängt davon auch persönlich viel ab. Kurz vor der Abstimmung ging der Parteichef auf seine Kritiker zu.
SPD-Chef Sigmar Gabriel

SPD-Chef Sigmar Gabriel

Foto: ODD ANDERSEN/ AFP

Wenn die SPD über ihre Haltung zum Ceta-Abkommen berät, dann geht es für einen gewissermaßen auch um seine persönliche politische Zukunft: Sigmar Gabriels Chancen auf die Kanzlerkandidatur wären wohl dahin, sollten sich die Delegierten mehrheitlich gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada stellen. Denn das wäre auch eine Entscheidung gegen Gabriel. Der Parteichef will Ceta unbedingt.

Kurz vor dem entscheidenden Konvent in Wolfsburg ist der Vizekanzler und Wirtschaftsminister auf seine Kritiker zugegangen. Der SPD-Vorstand stimmte Vorschlägen zu, die mit der Parteilinken ausgehandelt wurden. Dies erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Parteikreisen.

Der Deal: Noch bevor das Ceta-Abkommen vorläufig angewendet wird, soll es demnach einen "ausführlichen Anhörungsprozess" zwischen dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen geben.

Große Vorbehalte

In Teilen der Partei - bei der SPD-Linken, den Jusos und in mehreren Landesverbänden - gab es zuletzt große Vorbehalte gegen Ceta. Die Parteispitze zeigte sich nun kompromissbereit und nahm einige Änderungen in ihren Leitantrag auf.

In dem "Anhörungsprozess" vor einer Abstimmung im Europäischen Parlament soll - laut der neuen Linie - geklärt werden, welche Teile des Ceta-Vertrags in nationale und welche in europäische Zuständigkeit fallen. Bis zum Ende der Beratungen soll das Abkommen vorläufig nicht umgesetzt werden.

In dem Änderungsantrag für den Konvent, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, heißt es unter anderem: "Im Bereich des Investorenschutzes muss mit Blick auf die Rechtstatbestände, wie z.B. 'faire und gerechte Behandlung' und 'indirekte Enteignung' sichergestellt werden, dass keine Bevorzugungen von ausländischen gegenüber inländischen Investoren oder Bürgerinnen und Bürgern stattfinden."

Sanktionen bei Verstößen

Rechtsverbindlich festgeschrieben werden sollen zudem das in der EU geltende Vorsorgeprinzip und ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen der Vertragspartner gegen Arbeits-, Sozial und Umweltstandards. Gremien, die durch Ceta gebildet werden, sollen zudem zunächst nur beratende Funktionen haben. Rechte von Parlamenten und Regierungen dürften durch sie nicht eingeschränkt werden.

Während sich die Befürworter von den Handelsabkommen eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und neue Arbeitsplätze versprechen, befürchten die Gegner eine Schwächung der Demokratie sowie eine Aushöhlung von Sozial- und Umweltstandards.

In der deutschen Bevölkerung sind die Vorbehalte groß. Am Samstag hatten nach Veranstalterangaben mehr als 300.000 Menschen bundesweit gegen Ceta und das mit den USA geplante TTIP-Abkommen demonstriert.

Bezirke brachten Antrag ein

Der zweiseitige Änderungsantrag der SPD-Spitze wurde zwischen dem Chef der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, und dem Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, erarbeitet. Der Bundestagsabgeordnete Miersch gehört zu den prominentesten Kritikern von Ceta in der SPD, zeigte sich aber stets offen für einen möglichen Kompromiss. Dieser ist aus seiner Sicht nun offensichtlich erreicht.

Miersch und Lange verständigten sich bis zum Beginn des Konvents auch mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und SPD-Landeschefs Stephan Weil. Schließlich brachten mehrere Bezirke den Änderungsantrag ein, der dann von der Antragskommission unmittelbar vor Beginn des Konvents übernommen wurde.

Anerkennung für Gabriel

Indem Parteichef Gabriel die Änderungen akzeptierte, habe sich Gabriel "wirklich deutlich bewegt", heißt es aus Kreisen der SPD-Linken anerkennend. Das durch den Änderungsantrag ergänzte Papier sei "mehr, als wir erwartet hätten". Man sei sehr zufrieden mit dem nun vorliegenden Gesamtantrag.

Im Verlaufe der Debatte in Wolfsburg warb Miersch für die Annahme des Antrags, genau wie der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Rainer Hofmann. Der DGB steht Ceta auch sehr kritisch gegenüber. Teilnehmern zufolge zeichne sich damit eine Zustimmung für den Ceta-Antrag der Parteispitze ab. Auch SPD-Vize Ralf Stegner, einer der einflussreichsten Vertreter der Parteilinken, warb Teilnehmern zufolge energisch um Zustimmung: "Wir sagen nicht, wir schaffen das. Wir sagen: wir machen das", sagte er demnach.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel, ebenfalls ein prominenter Vertreter der Parteilinken, lobte den Kompromiss gleichsam und griff scharf Organisationen wie Campact oder Greenpeace an, die sich klar gegen Ceta positioniert haben. Für diese Gruppen seien "solche Kampagnen wie gegen Ceta ein Geschäftsmodell", sagte Schäfer-Gümbel laut Teilnehmern.

DER SPIEGEL
kev/flo/dpa
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