SPD-Chef Gabriel im Twitterview "Jetzt ist der Kaffee alle"

Screenshot: Sigmar Gabriel beim Twittern
Berlin - Für alle, die es schon wieder vergessen haben sollten: Doch, Sigmar Gabriel macht im Moment wirklich Elternzeit. Schon erstaunlich, wie präsent der SPD-Chef trotzdem in der Babypause ist, allein mit seiner Anti-Banken-Offensive hat er in den vergangenen Tagen mächtig gewirbelt. Aber so ist das halt bei Gabriel: Er kann offenbar nur Vollgas.
Wie an diesem Freitagmorgen: "Mariechen ist abgefüttert, der Kaffee ist da, also kann's losgehen :-))", twittert der SPD-Chef um kurz vor 10.00 Uhr, dazu ein Foto von sich im dunklen Polo-Hemd, eine bunte Tasse in der Hand, der Laptop ist schon aufgeklappt. Gabriel ist also bereit für sein Interview via Twitter. In der Szene nennt man das Twitterview.
Jedes Mitglied der Twitter-Gemeinde darf den SPD-Chef nun eine Stunde lang unter dem Hashtag "#fragsigmar" zum Thema Banken-Regulierung ausquetschen. In 140 Zeichen. Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier und Regierungssprecher Steffen Seibert haben sich schon an solchen Twitterviews versucht.
Eine gute Nachricht für Gabriel vorneweg: Ihm wird nicht langweilig in diesen 60 Minuten .
Es hätte dem SPD-Chef ja auch passieren können, dass ihn die Twittergemeinde ignoriert. Das Internet ist ein Ort, an dem sich Politiker schon ordentlich blamiert haben. Aber die Prophezeiung der Frau mit dem Twitter-Namen "d_kerstin" tritt dann doch nicht ein: "Und keiner geht hin." Und auch wenn "@olpen" um kurz vor zehn schreibt: "Noch verkatert von gestern Abend Twitter aufgemacht und gesehen, dass Gabriel heute #fragsigmar macht. Bloß weg hier. Ciao" - die Fragen prasseln in der folgenden Stunde nur so ein auf Gabriel.
"Allmächtiger. @sigmargabriel hat eine Tasse, die ich auch habe."
Darunter auch welche nach seiner Kaffeetasse. "Allmächtiger. @sigmargabriel hat eine Tasse, die ich auch habe", twittert @Katti. "Tapfer sein! Aber zur Beruhigung: die gehört meiner Frau", schreibt Gabriel zurück. Aber vor allem geht es nun um die Banken.
Der SPD-Vorsitzende hatte am vergangenen Wochenende einen Acht-Punkte-Plan vorgelegt, mit dem er die Macht des Finanzsektors bändigen will. Gabriel hält das im Angesicht der Euro-Krise offenbar für ein sozialdemokratisches Gewinnerthema, tatsächlich waren die Reaktionen - abgesehen von wütenden Kommentaren aus der Koalition - weitestgehend positiv. Nun also der Realitäts-Check durch die Twitter-Gemeinde.
- "Wie kann man verhindern, dass Banken faule Kredite bspw. aus den USA aufkaufen? War ja der Beginn des Übels", will beispielsweise @DerFrager wissen. Gabriels Antwort: "Erhöhung der Transparenz in Bilanzen (auch: Zulassungsprüfung für Finanzmarktprodukte) und Selbstbehalt erhöhen."
- @hruodberaht fragt: "Sind Sparkassen und Genossenschaftsbanken für die #SPD ein gutes Konzept für den dt. Bankensektor?" Da antwortet Gabriel: "Ja. Wir haben sie 20 Jahre gegen die Angriffe des dt. Bankenverbandes verteidigt. Aber auch sie brauchen Spielregeln."
- Einer mit dem Twitter-Namen @niddeles stellt die Frage: Kann die Wirtschaft auf Investmentbanken gänzlich verzichten?" Antwort von Gabriel: "Das ist gar nicht nötig. Es kommt darauf an, dass sie mit ihrem Eigenkapital haften & nicht Sparer und Steuerzahler."
"Vielen Dank an alle. Auch an die Verschwörungstheoretiker!"
Im Rahmen der erzwungenen Kürze von Fragen und Antworten entspinnt sich eine mitunter ziemlich anspruchsvolle Debatte über die Zukunft des Finanzsektors. Es geht auch um die Verfehlungen der SPD in ihrer Regierungszeit - "20 Jahre Druck zur Liberalisierung aus Wissenschaft, Medien & Wirtschaft hatten (leider) auch in der Politik Wirkung", räumt Gabriel ein - und die Hoffnungen eines SPD-Chefs. Auf den Tweet "SPD vs. Wallstreet. Good luck" von @sWalterli antwortet Gabriel: "In der 150jährigen Geschichte der SPD gab es mächtigere und schlimmere Gegner!"
Natürlich gibt es auch bei Twitter Querschießer und Provokateure. Vor denen fürchtet man sich in der SPD besonders, wenn der Parteichef involviert ist: Gabriels Temperament ist berüchtigt. Aber, vielleicht liegt's an Mariechen und der neuen Rolle als Jung-Vater, der Sozialdemokrat lässt sich diesmal nicht aus der Ruhe bringen.
Seine Laune ist so gut, dass er sogar Angela Merkel lobt. "Nö, dazu schätze ich sie PERSÖNLICH viel zu sehr. Da spielen Ihnen wohl Ihre Vorurteile einen Streich :-))", schreibt er als Reaktion auf eine Frage bezüglich seines Verhältnisses zur Kanzlerin.
Und die vielleicht größte Überraschung für Gabriel-Kenner: Er macht pünktlich Schluss. Kurz nach 11.00 Uhr twittert der SPD-Chef: "So, vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben. Auch an die Verschwörungstheoretiker :-)) Jetzt ist der Kaffee alle ..." Kurz darauf verabschiedet sich Gabriel endgültig: "... und Mariechen hat Hunger :-)) Tschüss bis zum nächsten Mal - zu arbeitnehmerfreundlicherer Zeit :-))."