SPD-Generalsekretär Heil in Denver Twittern im Obama-Rausch

SPD-Generalsekretär Heil ist fasziniert von Barack Obama - nun ist er zum Parteitag der Demokraten gereist und bloggt im Jugendjargon über die "Kracher"-Rede von Michelle, "finstere" Republikaner und die Einkäufe mitreisender SPD-Politiker. Manche reifere Genossen sind peinlich berührt.

Berlin - Hubertus Heil zählte immer schon zu den ganz Modernen in der SPD. Als einer der Gründer des "Netzwerks" förderte er die Vernetzung von fortschrittlichen Nachwuchsgenossen. Als Generalsekretär verkündete er im Juni, die SPD wolle "neue Standards" im Online-Wahlkampf setzen.

Die ersten Versuche mit Kurt-Beck-Videos auf YouTube stießen auf wenig User-Interesse, so dass sie für den Sommer erst mal eingestellt wurden. Doch Heil erprobt schon das nächste große Ding: Unter seinem Namen und dem SPD-Logo hat er sich im sozialen Netzwerk Twitter angemeldet und bloggt vom Parteitag der Demokraten aus - per Blackberry.

Die Demokraten-Show in Denver wirkt wie ein Jungbrunnen auf den 35-Jährigen - oder es liegt am Internet. Jedenfalls sind die Einträge durchweg in einem Jargon gehalten, der selbst manchen Teenager erbleichen lassen dürfte.

Das demokratische Urgestein Ted Kennedy fand der deutsche Gast "super". Die Rede von Obamas Frau Michelle war "der Kracher". Auf den Straßen herrsche "unglaublicher Trubel". Mit der gleichen Begeisterung kommentiert der SPD-Generalsekretär auch noch die banalsten Reiseeindrücke. Nach einer Erfrischungspause auf einem Markt notiert er: "Lecker Icetee".

"MdB Mütze hat ein Skateboard gekauft"

Über Heils Obama-Begeisterung wurde bereits im Mai gewitzelt, als er auf dem SPD-Zukunftskonvent in Nürnberg das Publikum aufforderte, mit ihm gemeinsam den Obama-Slogan "Yes we can" zu brüllen. Der Versuch ging nach hinten los: Kaum einer machte mit. Mit seinem Twitter-Blog gibt Heil sich erneut den Spöttern preis.

"Wer sind eigentlich die Verantwortlichen, die Hubi Heil mit 'Hey, mach das mal, das ist cool und jugendlich' zum Twittern animiert haben?", fragt sich ein Twitter-User. In der SPD wird der Link bereits eifrig versandt - so viele Einsichten in das Leben des Generalsekretärs bieten sich sonst selten.

Viele Dinge in Denver findet Heil einfach "spannend". Zum Beispiel eine Panel-Diskussion mit Joschka Fischer und Bill Clinton morgen früh ("Schau ich mir an") oder die Tatsache, "dass sich die ganze Stadt mit der Convention identifiziert". Nur die "rechten Republikaner", die vor der Halle demonstrieren, die "sehen finster aus".

Und die Demokraten? Die diskutieren, ob Obama "die amerikanische Arbeiterklasse für sich an die Urne bringen kann". Einige Hillary-Fans sind außerdem "sauer", dass sie nicht Vize geworden ist.

Auch über das Freizeitverhalten deutscher Bundestagsabgeordneter auf Dienstreisen erfährt der interessierte Leser einiges. "MdB Mütze hat ein Skateboard, MdB Annen Schuhe gekauft", tippt Heil in seinen Blackberry und sendet die Meldung via Internet in die weite Welt. MdB steht für Mitglied des Bundestags, hinter den Namen verbergen sich die beiden SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich und Niels Annen.

"Will nicht ständig mit Sigmar verwechselt werden"

Andere Twitter-Genossen nehmen regen Anteil an Heils Wirken. "Hallo Hubertus, du machst das super", schreibt Dirk Baranek, nach eigenen Angaben Content-Manager der SPD in Baden-Württemberg. Und von Enrico Kreft aus Lübeck kommt eine besorgte Mahnung an den beleibten Generalsekretär: "Nicht zu viele Burger. Nicht aussehen wie Knuts Pate. Denk dran."

Darauf antwortet der USA-Reisende Heil: "Hast recht. Will nicht ständig mit Sigmar verwechselt werden. Morgen ist Sushi-Tag. Steaks sind hier leider auch sehr lecker." Jener Sigmar, der auch mit dem Gewicht kämpft, ist kein Geringerer als Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der eine Patenschaft für den Berliner Eisbären Knut übernommen hat.

Das Internet senkt die Hemmschwellen und verführt zur Indiskretion - die Regel gilt offensichtlich auch für Generalsekretäre, die in Pressekonferenzen eher für ihre Schmallippigkeit bekannt sind.

Auf die Frage des Twitter-Genossen Christian Soeder, stellvertretender Juso-Sprecher von Hockenheim, welche Farbe Obamas Socken haben, antwortet Heil jedenfalls gern: "Langweilig: Schwarze Socken! Hab ich aber auch, also kein ideologischer Hintergrund."

Den gestrigen Abend hat Heil übrigens mit einem Bier ausklingen lassen. Und morgen gibt es dann gleich nach dem Aufstehen seine Eindrücke von der Diskussion mit Joschka Fischer und Bill Clinton. Auf Soeders Frage, ob das Panel im Internet übertragen werde, antwortet Heil: "Leider nicht. Werde aber twittern." Na dann.

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