Einigung von SPD, Grünen und FDP Was die Ampel beschlossen hat

Von Sonntagabend bis Dienstagabend haben die Ampelparteien im Koalitionsausschuss beraten, nun steht ein Maßnahmenpaket. Was wurde vereinbart? Der Überblick – von Schienennetz über Heizungen bis hin zu Klimaschutz.
Schienennetz: Eine der großen Baustellen der Ampelkoalition

Schienennetz: Eine der großen Baustellen der Ampelkoalition

Foto: Christoph Hardt / IMAGO/Future Image

Drei Tage Verhandlungen, gebündelt in 16 Seiten: Die Ampelparteien haben ihre Marathonsitzung des Koalitionsausschusses beendet – und sich auf ein Dokument geeinigt, das den Titel »Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung« trägt.

Bei der ersten Vorstellung der Ergebnisse sparten die Koalitionäre nicht mit Eigenlob. Die Parteichefs Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) traten am Dienstagabend vor die Presse, um über die Beschlüsse zu informieren. Später äußerte sich Kanzler Olaf Scholz auf Twitter: »Es hat sich gelohnt.«

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Was ist das Ergebnis der Marathonsitzung? Die Übersicht.

Klimaschutz

Das Klimaschutzgesetz soll überarbeitet werden. Es besteht weiterhin das Ziel, bis 2045 eine Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Die Bundesregierung, heißt es in dem Dokument, legt für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen fest.

Statt zu schauen, ob einzelne Sektoren ihre Ziele erreichen, soll der Stand künftig mit einer »sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung« überprüft werden. Zwar soll weiterhin für jeden Sektor die Entwicklung überwacht und dokumentiert werden, etwa im Hinblick auf den Beitrag zur Gesamtminderung der Emissionsmenge. Doch in der Bilanz sollen künftig alle Sektoren gemeinsam betrachtet werden, und über einen längeren Zeitraum.

»Die reine Sektor-Orientierung überwinden wir«, sagte Lindner vor allem mit Blick auf die stockende Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor, den sein Parteifreund Volker Wissing verantwortet. »Wir sorgen dafür, dass sich die Sektoren gegenseitig helfen können.« Das ist eine Abkehr von den bisherigen konkreten Sektorzielen, die es zu erreichen gilt. In dem Papier steht nur, alle Sektoren hätten zu den Maßnahmen für die Minderung beizutragen.

Planungsbeschleunigung

Die Ampel sieht in schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren einen zentralen Beitrag zur Modernisierung des Landes. In dem Papier sind mehrere Punkte genannt:

  • Verkehr: Für Schiene und Straße soll das Tempo bei Infrastrukturprojekten steigen. Es soll eine Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans geben. Insbesondere der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes soll schneller werden. Bei besonders wichtigen Projekten soll eine Maximalfrist von vier Jahren für Genehmigungen gelten.
    Es soll deutlich mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert werden. Bei Straßen soll der Fokus auf Erhalt und Sanierung liegen, etwa bei maroden Brücken. Für einige Straßenprojekte – Lindner sprach von 144 Stück – will die Bundesregierung »überragendes öffentliches Interesse« festschreiben. Dadurch sollen Stauschwerpunkte und Engstellen beseitigt werden.

  • Flächen und schnellere Verfahren für erneuerbare Energien: Kommunen sollen mehr Spielraum bekommen, um Windkraftanlagen an Land zu genehmigen. So sollen sie etwa auch dann Flächen für Windenergie ausweisen können, wenn dies in den regionalen Planungen nicht vorgesehen ist. Auch soll es möglich sein, mit Windkraftanlagen direkt benachbarte Unternehmen mit Strom zu versorgen.
    Neben Autobahnen und Bahnstrecken sollen Photovoltaikanlagen gebaut werden: »Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen.« Straßenbau und Klimaschutz sollten zusammen gedacht werden, heißt es in dem Papier.
    Für Einrichtungen wie Windkraftanlagen oder Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff soll es feste Genehmigungsfristen und vereinfachte Prüfverfahren geben.

Gebäudeenergie

Dieser Abschnitt fällt im Vergleich zu den anderen sehr kurz aus. Es heißt darin, dass – wie von der Koalition bereits im März 2022 beschlossen – ab 2024 »möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll«. Nach gängiger Lesart schließt das konventionelle Öl- und Gasheizungen aus. Allerdings lassen sich die Sätze auch so deuten, dass konventionelle Gasheizungen auch künftig erlaubt sein könnten, wenn sie mit Biomethan oder grünem Wasserstoff betrieben werden.

Ein Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Thema Heizungen durchläuft derzeit die Ressorts. Das Gesetz solle vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden, heißt es in dem Ergebnispapier dies Koalitionsausschusses.

Bei der Heizungsfrage soll ein »technologieoffener Ansatz« verfolgt werden, zudem soll es »ausreichende Übergangszeiträume« geben. Soziale Härten sollen vermieden werden. Details zu einer sozialen Abfederung für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen finden sich in dem Papier nicht. Man wolle prüfen, »wie der ambitioniertere Austausch von Öl- und Gasheizungen« gezielt und bürokratiearm mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziell gefördert werden könne, heißt es lediglich. »Niemand wird im Stich gelassen.«

Christian Lindner, Ricarda Lang und Lars Klingbeil nach dem Koalitionsausschuss

Christian Lindner, Ricarda Lang und Lars Klingbeil nach dem Koalitionsausschuss

Foto:

Michael Kappeler / dpa

Naturschutz

Die Ampel konstatiert einen Zielkonflikt zwischen Naturschutz – dem Erhalt der Artenvielfalt – und dem Ausbau von Infrastruktur. Mehrere Maßnahmen sind vorgesehen, um ihm Rechnung zu tragen:

  • Eingriffe in die Natur sollen künftig auch durch Geldzahlungen kompensiert werden können statt durch die Bereitstellung von Ersatzflächen. Das soll es erleichtern, Infrastrukturprojekte umzusetzen. Über die Mittel sollen dann größere und zusammenhängende Flächen gekauft werden, um eine Renaturierung und den Naturschutz zu stärken. Das halten auch viele Umweltorganisationen für sinnvoll. Die für Naturschutz vorgesehenen Flächen sollen großräumig zusammengefasst werden.

  • Im Umweltministerium soll eine Einheit geschaffen werden, die dies im Zusammenspiel mit den Ländern organisiert. So soll unter anderem erfasst werden, welche Kompensationsflächen bestehen, welche benötigt werden und welche möglich sind.

Klimaschutz im Verkehr

Die Koalitionäre geben äußerst ambitionierte Ziele vor, es geht vor allem um das Schienennetz, Autoverkehr und ÖPNV:

  • Die Bahn soll für Investitionen bis 2027 rund 45 Milliarden Euro bekommen, finanziert unter anderem durch einen CO2-Zuschlag auf die Lkw-Maut.

  • Das bestehende Schienennetz soll digitalisiert werden, um mehr Personen- und Güterverkehr zu ermöglichen.

  • Bis 2030 soll der Schienengüterverkehr einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen.

  • Das Deutschlandticket soll ohne Aufpreis in die Bahncard 100 integriert werden, damit diese bundesweit auch im Nahverkehr nutzbar ist.

  • Der ÖPNV – besonders in ländlichen Gebieten – und Radwege sollen ausgebaut werden. Für alternative Antriebe bei Schienenfahrzeugen ist eine Förderung vorgesehen.

  • Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) sollen verstärkt genutzt werden – in dem Dokument ist die Rede davon, Produktion und Nutzung sollen kurzfristig angereizt werden. Das Papier verweist auf die Einigung der Bundesregierung mit der EU, auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrennungsmotor zuzulassen, sofern diese ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden können.

  • Bei der Lkw-Maut soll ab 2024 ein CO2-Aufschlag von 200 Euro pro Tonne CO2 gelten. Emissionsfreie Lkw sollen bis Ende 2025 von der Maut befreit und anschließend nur 25 Prozent des regulären Satzes zahlen müssen.

  • Die Mautgrenze soll ab 2024 bereits für Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen gelten – Handwerksbetriebe sollen ausgenommen sein.

  • Eine Lade-Infrastruktur für Lkw und eine Tank-Infrastruktur für Nutzfahrzeuge soll unterstützt werden. Zudem sollen Nutzfahrzeuge mit klimaschonendem Antrieb gefördert werden.

  • Für öffentliche Fuhrparks sollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge angeschafft werden dürfen – etwa Busse für den Nahverkehr.

  • Um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu erreichen, soll die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden, etwa durch Schnellladepunkte an Tankstellen oder Ladesäulen an Gebäuden. Der Kauf und die Nutzung CO2-neutraler Fahrzeuge soll gefördert werden, etwa bei Carsharing- sowie kommunalen und gewerblichen Flotten. Tankstellenbetreiber sollen verpflichtet werden, »binnen fünf Jahren mindestens einen Schnellladepunkt pro Tankstelle zu errichten«. Für die Betreiber kleiner Tankstellen soll es aber eine Sonderregelung geben.

  • Die Kraftstoffbesteuerung soll sich künftig stärker nach deren Umwelt- und Klimawirkung richten.

  • Ein Ausbau des Glasfaser- und Mobilfunknetzes soll ermöglichen, Arbeitswege durch Homeoffice zu sparen.

  • Das Straßenverkehrsrecht soll so angepasst werden, dass auch Klima- und Umweltschutzziele berücksichtigt werden.

  • Die Bundesregierung will zudem erneuerbare Energien sowie die Elektrifizierung des Luft- und Seeverkehrs unterstützen, etwa durch Landstromanlagen für See- und Binnenschiffe und Bodenstromversorgung aus regenerativen Quellen an Flughäfen.

Energieeffizienz

Die Koalitionäre schreiben, Energie müsse in Zukunft deutlich effizienter eingesetzt werden als bislang. Das verringere den Verbrauch, mache Deutschland unabhängig von fossilen Importen und helfe bei der Minderung der Treibhausgasemissionen.

Deshalb soll es ein Energieeffizienzgesetz geben – die konkrete Ausgestaltung bleibt in dem Dokument allerdings sehr vage. Es heißt lediglich, das Gesetz werde »wirksame Maßnahmen zur Zielerreichung unter Minimierung des Bürokratieaufwands für Unternehmen ab einer bestimmten Schwelle beinhalten«.

ulz
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