SPD in der GroKo Alles wie immer

Zwei Unionsminister bestimmen die Debatten in den ersten Tagen der neuen Regierung. Die SPD dagegen hadert mit einem altbekannten Problem: Wie wollen die Genossen sich in der GroKo profilieren?
Heiko Maas, Angela Merkel, Andrea Nahles

Heiko Maas, Angela Merkel, Andrea Nahles

Foto: ODD ANDERSEN/ AFP

Bloß kein Weiter-so - so lautet das Credo, mit dem die SPD in die neue Große Koalition gegangen ist. Immer wieder hat die Parteiführung den Genossen versprochen: Diesmal läuft es anders. Diesmal werden wir noch selbstbewusster auftreten, unser Profil schärfen, auch in der Regierung klarmachen, was geht - und was nicht. Wir werden nicht wieder wie die Pressesprecher der Koalition auftreten, um bei der nächsten Wahl weiter abzurutschen.

Und jetzt? Ein paar Tage ist die neue Bundesregierung im Amt, und es zeigt sich bereits, wie schwer die SPD es haben wird, den neuen Kurs umzusetzen. Statt Sozialdemokraten sind es zwei Unionsminister, die die öffentliche Debatte bestimmen. CSU-Innenminister Horst Seehofer gibt den Hardliner und Islamkritiker. Und auch Jens Spahn, der neue CDU-Gesundheitsminister, legte am Wochenende nach seinen umstrittenen Äußerungen zu Hartz IV ("Bedeutet nicht Armut") nach und warf Gegnern eines Werbeverbots für Abtreibungen vor, sich mehr für das Leben von Tieren einzusetzen als für ungeborene Kinder.

Die SPD, die sich gerade erst darauf eingelassen hat, mit der Union auf Kompromisssuche zum Paragrafen 219a zu gehen, wies Spahns Äußerungen zwar zurück, zeigte sich aber dabei überraschend nüchtern: Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von einer "Zuspitzung, die die Debatte noch schwerer" mache. Und Fraktionsvize Katja Mast warf Spahn "durchsichtige Effekthascherei" vor. Die erste Reihe hielt sich noch mehr zurück, Vizekanzler Olaf Scholz sagte der "Bild"-Zeitung, er glaube, Seehofer ärgere sich am meisten, dass ihm der Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" nun auf die Füße falle.

"Mich ärgert unsere schwache Reaktion"

Zwar ist verständlich, dass die SPD nicht gleich in den ersten Tagen der Regierung den offenen Streit mit dem Koalitionspartner sucht. Bei jenen dagegen, die die Große Koalition ohnehin skeptisch sehen, stößt die zahme Reaktion dennoch auf Unverständnis.

"Mich ärgert gar nicht so sehr Spahns Profilierungssucht", sagt etwa Britta Altenkamp, stellvertretende Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, dem SPIEGEL: "Mich ärgert viel mehr unsere schwache Reaktion darauf. Spahn bietet doch eigentlich eine schöne Angriffsfläche."

Altenkamp hatte sich während des Mitgliedervotums gegen die Große Koalition ausgesprochen. Nun kritisiert sie, dass es für die SPD genauso weiterlaufe wie bisher. Besonders sauer sei sie darüber, sagt Altenkamp, "dass wir unseren Antrag zur Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen (Paragraf 219a) zurückgezogen haben. Da droht jetzt wieder ein wachsweicher Kompromiss mit der Union."

Die SPD-Spitze bemüht sich, diesem Eindruck entgegenzutreten. Justizministerin Katarina Barley soll einen Gesetzentwurf zum Paragrafen 219a erarbeiten. Und das soll rasch geschehen, sagt SPD-Vizechef Ralf Stegner: "Wir werden da nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Und die Kanzlerin steht bei uns im Wort, Rechtssicherheit für Ärzte zu gewährleisten."

Stegner nennt Spahns Äußerungen "substanzlosen Unsinn"

Die Attacken von Spahn und Seehofer sieht Stegner gelassen. "Für mich ist das Muckefuck, kalter Kaffee, schwarz und schwach." Beide Unionsminister würden sich vor allem parteiintern und gegen die Kanzlerin profilieren wollen, sagt der schleswig-holsteinische Landeschef. "Das ist auch in Ordnung, aber inhaltlich sind die Äußerungen substanzloser Unsinn. Unsere Minister und vor allem auch die SPD als Partei werden sich über Sachthemen profilieren."

Doch genau das hat die SPD auch in der vergangenen Koalition versucht. Und obwohl die sozialdemokratischen Minister inhaltlich einiges erreicht haben, zum Beispiel die Einführung des Mindestlohns, stürzte die Partei auf das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik ab.

Juso-Chef Kevin Kühnert, der während des Mitgliedervotums das Gesicht der GroKo-Gegner war, fordert seine Partei nun auf, der Union nicht die Bühne zu überlassen. Mit ihren Äußerungen würden Spahn und Seehofer das gesellschaftliche Klima vergiften. "Ich erwarte von Angela Merkel, dass sie ihren Laden in den Griff bekommt", sagt Kühnert dem SPIEGEL. "Von den Ministerinnen und Ministern der SPD erwarte ich, dass das nicht der Sound dieser Koalition wird."

Stegner verweist dagegen vor allem auf die Rolle von Fraktionschefin Andrea Nahles. Diese will in vier Wochen auf einem Sonderparteitag auch zur SPD-Vorsitzenden gewählt werden. In dieser Doppelfunktion, so Stegner, werde Nahles das Profil der Partei in der Koalition schärfen.

NRW-Vizechefin Altenkamp ist skeptisch. Das Versprechen, es werde kein Weiter-so geben, sieht sie bislang nicht eingelöst. Ihr Fazit der ersten GroKo-Tage: "Wir müssen noch ein bisschen üben, wie wir uns in der Koalition profilieren."

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