Partei in der Krise Die Hoffnung der SPD? Die SPD!
Die Sozialdemokratie in Deutschland ist in schlechtem Zustand. Sie lässt eine politische Lücke, die nur sie selbst füllen kann. Das ist ihre Chance.
Es gab Zeiten, da war die SPD die Hoffnung. Das letzte Mal ist gar nicht so lange her: 2017 war das, Tausende Sozialdemokraten und solche, die es werden wollten, jubelten Martin Schulz zu. Endlich raus aus der GroKo, endlich schien die Zeit gekommen für ein linkes Bündnis. Endlich Veränderung.
Die SPD war auf einmal aufregend. Als hätte die alte Tante ein paar Jahre in Paris gelebt und wäre dann ins spröde Berlin zurückgekehrt. Sie hatte was zu erzählen. Doch die SPD verspielte ihre Chance. Nun schrumpft sie, die Partei wirkt behäbig und altbacken. Links der Mitte klafft ein Loch. Doch für die Genossen könnte das die Chance sein: Denn eigentlich kann nur die SPD dieses Loch füllen.
Für die SPD kämpfen
Derzeit erwartet man von der Partei eigentlich nur einen Kaffee und ein Stück Kuchen in einem Schrebergarten in Duisburg-Marxloh, zu mehr Vision reicht es kaum. Das kann sich aber schnell ändern.
Während des kurzen Schulz-Hypes traten mehr als 10.000 Mitglieder innerhalb kürzester Zeit ein. Sie wollten in kalten Fußgängerzonen stehen und Wahlkampfzettel verteilen, sie wollten an Haustüren klingeln, waren bereit, sich beschimpfen zu lassen. Sie wollten für etwas kämpfen: für die SPD.
Jetzt ist das anders. Man ist beinah verschämt, wenn es um die Partei geht, selbst Anhänger wissen nicht mehr so recht, ob sie sie noch wählen wollen. Neulich saß ich mit einem Freund, der der SPD durchaus wohlgesonnen ist, in einem Münchner Wirtshaus. Wen er denn bei der Landtagswahl gewählt habe? Die SPD, sagte er und blickte verlegen auf den Boden. "Die brauchen jede Stimme."
Die politischen Lager sind in der Ära Merkel zunehmend verschwommen. Das Magazin "Cicero" nannte sie mal die erfolgreichste sozialdemokratische Kanzlerin der Geschichte. Kein Wunder: Mindestlohn, Mietpreisbremse, Frauenquote, Ehe für Alle. All das sind Themen, für die die SPD gestritten hat, die aber unter einer CDU-Kanzlerin durchgesetzt wurden.
Es kann besser werden
Jetzt, da die Merkel-Zeit ihrem Ende naht, kann man wieder hoffen, dass die Parteien an Kontur gewinnen. Und für die Sozialdemokraten könnten neue, bessere Zeiten anbrechen.
Dabei ist klar: Merkel und ihr Politikstil sind nicht schuld an der Misere der SPD. Das wäre zu einfach. Aber wenn es in der Union eine konservative Wendung gäbe, könnte das zur Profilierung der Genossen beitragen - und zur Erholung ihrer Zustimmungswerte.
Es ist ja auch nicht so, dass der SPD die Themen ausgehen würden. Die Gesellschaft ist gespalten, die Armen bleiben arm oder werden ärmer. Rentner müssen Flaschen sammeln, selbstständige Putzkräfte können sich keine Krankenversicherung leisten, der Sohn der Friseurin kann nicht mit auf Klassenfahrt - 700 Euro, das ist eben zu viel, und nicht jede Schule hat einen Fördertopf. Die Parteichefin Andrea Nahles sollte sich auf diese Themen konzentrieren.
Thorsten Schäfer-Gümbel hat das Dilemma der SPD am Montag nach seiner krachenden Niederlage bei der hessischen Landtagswahl mit einer Anekdote anschaulich gemacht: Er habe die Belegschaft eines Betriebs kennengelernt, der von einer Finanzheuschrecke an die nächste verkauft werde. Dieses Vorgehen zu einem lukrativen Geschäft zu machen, daran habe die SPD mitgewirkt. Aber es liege eine große Hoffnung bei den Kollegen, dass es die SPD sei, die genau das ändere. "Wer sonst interessiert sich denn dafür? Die Grünen?", fragte Schäfer-Gümbel.
Es gibt mehr bürgerliche Kräfte als linke Parteien
Genau darin könnte die Chance der SPD liegen: Bislang hat sich keine andere Partei gefunden, die ihren Platz einnehmen könnte.
In einigen Bundesländern zwar ist die Linke ein aussichtsreicher Kandidat - in Berlin oder Thüringen etwa. Doch auf Bundesebene macht sie vor allem mit selbstzerstörerischen Personalquerelen von sich reden. Oder aber Sahra Wagenknecht gründet eine Sammlungsbewegung, die wirkt, als würde sie eigentlich der weiteren Zerfledderung des linken Lagers dienen.
Die Grünen wiederum, selbsternannte Kraft der linken Mitte, sind eben nur die Mitte. Ihr Programm ist in Teilen links, doch ihr Spitzenpersonal ist es nicht. Im Zweifelsfall würden sie wahrscheinlich lieber mit der CDU als der Linkspartei koalieren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann schreibt Bücher darüber, was für einen Konservatismus er wolle. Den Grünen scheint die Ökologie wichtiger als der Sozialstaat.
Es gibt mehr bürgerliche als linke Parteien. Die CDU, die CSU, die FDP und die Grünen gehören in diese Kategorie, wenngleich in unterschiedlichen Schattierungen. Am Rand zieht die AfD Wähler des konservativen Lagers immer weiter nach rechts.
Übrig bleibt die SPD. Sie sollte die Gelegenheit nutzen und ihre verkrusteten Strukturen schnellstmöglich aufbrechen. Sie muss Mut haben: Selbst der pragmatische Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte jüngst einen Mindestlohn von 12 Euro.
Und die SPD braucht bald neue Gesichter - sie hat über 440.000 Mitglieder. Darunter müssten sich doch einige finden, die der SPD wieder Hoffnung geben könnten. Und damit der politischen Linken in Deutschland. Es müssen ja nicht gleich 40 Prozent sein. 30 Prozent würden locker reichen.
Sie wollen die Sonntagsfrage für den Bund beantworten? Stimmen Sie hier ab: