SPD in der Krise Steinmeier ruft Genossen zum Kampf ums Kanzleramt
Berlin - SPD-Chef Franz Müntefering hat seine Partei zum Kampf ums Kanzleramt aufgerufen: "Wir machen Wahlkampf ums Kanzleramt mit Frank-Walter Steinmeier als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland", sagte er zu Beginn des SPD-Parteitags am Sonntag vor mehr als 500 Delegierten in Berlin. Trotz des Debakels bei der Europawahl vor einer Woche schloss er eine Kurskorrektur aus.
Müntefering sagte, manche sähen die SPD bereits "im Staub oder auf den Knien". Doch die Sozialdemokraten hätten "klaren Kopf und heißes Herz" - und Deutschland sei stets "gut gefahren" mit einer regierenden SPD. Jetzt müsse man "kühles Blut" bewahren und sich nicht einreden lassen, die Bundestagswahl sei bereits entschieden.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bekräftigte seinen Anspruch auf Regierungsübernahme bei der Bundestagswahl. Die SPD trete an, um zu gewinnen, sagte er in seiner Rede. Nur wenn die SPD von sich selbst überzeugt sei, könne sie auch andere überzeugen. Steinmeier kündigte einen "fulminanten Wahlkampf" an: "Der letzte Sonntag war kein guter Tag. Er war Mist", sagte er mit Blick auf die Europawahl. Der Ausgang sei aber keine Vorentscheidung für die Bundestagswahl gewesen. "Das Ding ist offen. Wir werden es offenhalten und am Ende gewinnen", zeigte er sich überzeugt. Schwarz- Gelb werde auch diesmal keine Mehrheit bekommen.
Auch Generalsekretär Hubertus Heil machte den Genossen Mut: Man solle die SPD in ihrer Entschlossenheit und ihrem Kampfgeist für die Bundestagswahl im September nicht unterschätzen, sagte er der "Welt am Sonntag". Kanzlerkandidat Steinmeier sei einer, "der sich bei Gegenwind nicht umblasen lässt". "Das wird kein leichter Ritt. Aber das Rennen ist offen." Viele Konservative "träumen wieder vom Durchmarsch und glauben, das Land gehört ihnen. Die werden sich noch wundern."
Vertreter der SPD-Linken hatten am Samstag ein schärferes linkes Profil verlangt. Dagegen rief unter anderem Bundesfinanzminister und Parteivize Peer Steinbrück die SPD dazu auf, im Wahlkampf wieder stärker Wähler der Mitte anzusprechen.
"Wahlen werden in Deutschland in der Mitte entschieden, nicht an den Rändern und nicht in der Addition von Minderheitsinteressen", sagte Steinbrück dem SPIEGEL. "Ich glaube, dass die SPD gefordert ist, sich in eine linke, aufgeklärte, bürgerliche Mitte hineinzubewegen. Als SPD möchte ich den anderen weder den Begriff 'bürgerlich' überlassen noch den Begriff der Liberalität." Steinbrück mahnte, die SPD solle im anstehenden Bundestagswahlkampf nicht den Wahlkampfstil des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder übernehmen. "Schröder hat einen hohen Unterhaltungswert, aber ich rate keinem, ihn kopieren zu wollen", sagte Steinbrück. "So einen kann man brauchen, aber das bedeutet nicht, dass ein anderer Stil nicht verfängt."
In Berlin wollen die 525 Delegierten an diesem Sonntag unter anderem das SPD-Programm zur Bundestagswahl verabschieden. Schwerpunkte des Wahlprogramms sind Vorschläge zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Partei stellt in dem Manifest Geringverdienern Steuergeschenke in Aussicht und will zugleich Wohlhabende stärker zur Kasse bitten. Einer der Kernpunkte ist ein Lohnsteuerbonus von 300 Euro für Alleinstehende oder 600 Euro für Verheiratete, wenn sie auf eine Steuererklärung verzichten.