SPIEGEL-Umfrage Mehrheit der SPD-Anhänger will eigenen Kanzlerkandidaten

Norbert Walter-Borjans: "Kein Steigbügel für persönliche Karrierepläne"
Foto: Henning Kaiser/ DPAEs war der Aufreger des SPIEGEL-Streitgesprächs: Norbert Walter-Borjans, der zusammen mit Saskia Esken für den SPD-Vorsitz kandidiert, riet seiner Partei davon ab, einen Kanzlerkandidaten zu nominieren. "Ich glaube, ich würde erst mal dafür werben, dass wir einen Spitzenkandidaten aufstellen", sagte Walter-Borjans in der ersten öffentlichen Debatte mit den Gegenkandidaten Olaf Scholz und Klara Geywitz.
In der Partei löste der Vorstoß aufgeregte Reaktionen aus. Mehrere Bundestagsabgeordnete kritisierten Walter-Borjans bei Twitter. Mit einem Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur mache sich die SPD klein - auf den Anspruch, eine Regierung anzuführen, dürfe die Partei nicht verzichten.
Aus der Partei kam aber auch Zuspruch für den ehemaligen Finanzminister von Nordrhein-Westfalen. Angesichts von Umfragewerten zwischen 13 und 15 Prozent sei es richtig, ein wenig Demut zu zeigen, hieß es von Walter-Borjans' Unterstützern.
Der Kandidat selbst bemühte sich bei Twitter, seine Aussage zu erklären. Der Parteivorsitz sei "kein Steigbügel für persönliche Karrierepläne". Es gehe darum, die SPD wieder so stark zu machen, dass eine Kanzlerkandidatur auch Aussicht auf Erfolg habe.
Die Mehrheit der Bundesbürger gibt Walter-Borjans recht. In einer SPIEGEL-Umfrage des Online-Meinungsforschungsinstituts Civey sagen rund 57 Prozent der Befragten, die SPD solle bei der nächsten Bundestagswahl darauf verzichten, einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Rund 33 Prozent sehen es anders und plädieren für die Nominierung eines sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten.
Unter den SPD-Anhängern sieht es anders aus: Hier spricht sich eine knappe Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Walter-Borjans' Vorstoß aus. Rund 25 Prozent sehen es so wie er. Der statistische Fehler bei der Gruppe der SPD-Anhänger beträgt 4,9 Prozentpunkte. In allen anderen Wählergruppen spricht sich eine deutliche Mehrheit gegen einen SPD-Kanzlerkandidaten aus.