

SPD-Kanzlerkandidat Die Wahlkampfverweigerer


Abstimmung auf dem SPD-Bundesparteitag (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/ dpaDa behaupte noch einer, die großen Volksparteien würden sich nicht mehr unterscheiden. Norbert Röttgen (CDU) wusste nichts - was ihn aber nicht daran hinderte, auszuplaudern, dass Angela Merkel noch einmal als Kanzlerkandidatin seiner Partei antreten würde. Hannelore Kraft (SPD) hingegen weiß offenbar etwas: nämlich, wer Kanzlerkandidat ihrer Partei werden soll - sagt es aber nicht.
Es sind noch zehn Monate bis zur Bundestagswahl, und noch immer steckt das Personal der aktuellen Regierungsparteien in Personaldebatten fest. CSU-Chef Horst Seehofer, ganz dem ihm in Bayern willkommenen nächsten US-Präsidenten Donald Trump folgend, keeps us in suspense, hält die Spannung aufrecht, wie genau seine Partei nun eigentlich gemeinsam mit einer CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel in den Wahlkampf ziehen wird.
Diese wiederum muss sich von eigenen Parteifreunden anhören, dass es doch besser wäre, zurückzutreten - und kann schon froh sein, dass ein in ihrer Präsenz vor Aufregung weinender afghanischer Bub Aufmerksamkeit erregt und nicht die in der Union peinlich fehlende Begeisterung über ihre Kandidatur.

Die Sozialdemokraten wollen, in einem Akt behaupteter Termintreue und Eigenständigkeit, erst im Januar verraten, wer von ihnen gegen Angela Merkel antreten soll - obwohl das, wie Kraft nun gesagt hat, offenbar doch schon feststeht.
Es fällt dem Beobachter schwer, zu entscheiden, wessen Start in den Bundestagswahlkampf deprimierender wirkt: Die atemberaubend kraftlose und uninspirierte Selbsterklärung Merkels. Oder der gänzlich spannungslose Krimi um die Kandidatenfrage der Sozialdemokraten.
Bloß keine Hektik
Die Zeit des Wahlkampfs könnte ein Wettbewerb sein um die besten Ideen für dieses Land, ein rhetorischer Wettkampf um die Köpfe und Herzen der Wählerschaft. Oder wenigstens, so wie zuletzt in den USA zu beobachten, eine scharfe Auseinandersetzung. Zwar ohne jegliches Niveau, aber dafür mit hohem Mobilisierungspotential.
Nein, nicht einmal eine (obschon wenig erstrebenswerte) deutsche Adaption der US-Schlammschlacht bietet sich dem hiesigen Wähler - mit Ausnahme vielleicht der irritierenden Angriffe des umtriebigen Newsletterherstellers Gabor Steingart auf den SPD-Kandidaten Martin Schulz.
In Deutschland, so scheint es, gibt es auch im Wahlkampf eine große Koalition - und deren Programm lautet: Bloß keine Hektik, am besten tun wir alle so, als wäre nichts.
Für Merkels CDU mag dieser geistlose Plan noch aufgehen, nichts anderes als ein träges "Weiter so" wird die ermattete Kanzlerin womöglich in die kommende Legislaturperiode schleppen können. Für die ohnehin schwachen Sozialdemokraten jedoch ist er fatal.
Denn wenn diese jetzt nicht schleunigst mit kraftvollem Programm die lange vernachlässigte Klientel der sogenannten kleinen Leute umwerben - also jene, die sich anstrengen, aber doch nie gerecht bezahlt werden; die im besten Sinne Durchschnittlichen, die nicht nur an sich selbst, aber eben auch nicht ausschließlich an globale Zusammenhänge denken; die eigentlich zuversichtlich strebenden, aber langsam doch verunsicherten Bürgerinnen und Bürger, die nicht wissen, wie es weitergehen soll in dieser praktisch täglich komplizierter werdenden Welt - dann könnte es bald zu spät sein für die SPD.
Dann wird es bald egal sein, ob Sigmar Gabriel antritt oder Martin Schulz oder doch Olaf Scholz beziehungsweise irgendein anderer Genosse oder eine Genossin, den oder die diese nur noch in ihren Idealen stolze Partei als Kamikaze-Kandidat aus den Tiefen ihrer Mitgliedslisten zieht. Dann können sich die Sozialdemokraten auch noch Zeit lassen bis zum Tag vor der Wahl mit der Bekanntgabe - denn bekanntgegeben wird doch nur der Name einer Person, die unweigerlich verlieren wird.