SPD-Krise Müntefering legt Parteivorsitz nieder, Rolle im Kabinett unklar

Schwere Führungskrise in der SPD: Franz Müntefering gibt den Parteivorsitz ab. Sein Kandidat für den Generalsekretärs-Posten war duchgefallen. Auch seine Beteiligung an der neuen Regierung stellte Müntefering in Frage.

Berlin - SPD-Chef Franz Müntefering will nach eigenen Angaben nach seiner Niederlage bei der Abstimmung über den künftigen Generalsekretär beim Parteitag Mitte November nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren. Das erklärte Müntefering nach einer Krisensitzung des SPD-Präsidiums. "Unter den gegebenen Bedingungen" könne er nicht weiter Parteivorsitzender bleiben, sagte der SPD-Chef. Dafür sei das Ergebnis der Kampfabstimmung zu eindeutig gewesen.

Gleichzeitig stellte Müntefering auch seinen Eintritt in eine neue Regierung in Frage. "Ob das dazu führt, dass ich nach dem Parteitag noch in dem Kabinett sein werde oder kann, das habe ich ausdrücklich offen gelassen", sagte der SPD-Chef. Es komme darauf an, was im Koalitionsvertrag stehe. Die Koalitionsverhandlungen wolle er aber zunächst weiter bis zum Ende führen. Er sei daran interessiert, dass die Große Koalition zustande kommt. Er habe die designierte Kanzlerin Angela Merkel darüber informiert, sagte er. Müntefering sollte in einer schwarz-roten Koalition Vizekanzler und Arbeitsminister werden.

Zuvor war Münteferings Wunschkandidat für das Amt des Generalsekretärs, Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel, bei einer Abstimmung im Bundesvorstand der Parteilinken Andrea Nahles unterlegen. Von den 45 Mitgliedern des Vorstands hatten sich 23 für Nahles und 14 für Wasserhövel ausgesprochen.

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Für Mittwoch berief Müntefering eine Präsidiums- und Vorstandssitzung ein, auf der entschieden werden soll, wer künftig den Parteivorsitz übernehmen soll. Beim Parteitag in Karlsruhe vom 14. bis 16. November steht die gesamte Parteispitze zur Wahl.

Bedauern über Münteferings Rücktritt

Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich enttäuscht über den vorzeitigen Abgang Münteferings. "Ich bedauere das sehr", sagte Schröder vor Beginn der Koalitionsverhandlungen in der Berliner CDU-Parteizentrale. Manchmal sei es so, dass der Ehrgeiz einzelner dem Gesamtinteresse der Partei zuwider laufe. Die Entscheidung dürfe jedoch keine Auswirkungen auf die Bildung der Koalition zwischen Union und SPD haben. Nach Lage der Dinge, sei die Bildung einer stabilen Regierung nur in einer großen Koalition möglich.

Schröder wandte sich dagegen, die Lage zu dramatisieren. Der Parteichef könne sicher sein, dass ein Großteil der SPD weiter hinter ihm stehe. Schröder äußerte die Erwartung, dass die Koalitionsverhandlungen planmäßig bis zum 12. November abgeschlossen sein werden, und "noch effektiver und zielgerichteter gestaltet werden". Mit Blick auf die Kampfkandidatur der Parteilinken Andrea Nahles sagte er, "jeder muss wissen: Verantwortung für das Land ist wichtiger als die Querelen einzelner".

Auch andere hochrangige SPD-Politiker bedauerten den Rückzug Münteferings. "Es ist ein Unfall passiert, weil Leute entschieden haben, ohne das Ende zu bedenken", sagte Fraktionsvize Ludwig Stiegler. "Wir müssen uns jetzt neu aufstellen." Über die Nachfolge solle die Partei jetzt "ein paar Tage die Klappe halten". In den Koalitionsverhandlungen mit der Union werde sich die SPD hinter Müntefering "scharen, damit kein Schaden entsteht". Stiegler warnte zugleich davor, Unmut nun auf Nahles abzuladen.

Fraktionsvize Joachim Poß sagte, er könne die Naivität mancher hochrangiger Sozialdemokraten "nicht nachvollziehen". Der SPD-Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus, sagte, er sei maßlos enttäuscht. "Ich hätte gedacht, dass die Partei etwas reifer ist."

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