SPD-Landeschef Stegner "Carstensen lügt"

Verschleierer, Dilettant, Lügner: Nach dem Koalitionsbruch in Kiel geht Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner im SPIEGEL-ONLINE-Interview mit Regierungschef Carstensen hart ins Gericht. Für Neuwahlen sieht Stegner seine Partei gut gerüstet - nur sein Rambo-Image müsse er noch korrigieren.

SPIEGEL ONLINE: Sie wirkten in den vergangenen Tagen relativ gelassen. Dabei zerplatzt gerade Ihre schwarz-rote Koalition in Kiel. Was macht Sie eigentlich so zuversichtlich?

Stegner: Dass die Bürgerinnen und Bürger durchschauen werden, was hier abläuft. Hier wird ein Koalitionsbruch provoziert vom amtierenden Ministerpräsident Carstensen. Er hofft, mit der Bundestagswahl wählen zu können, versteckt hinter Angela Merkel. Die Katastrophen um das Atomkraftwerk Krümmel und das desaströse Krisenmanagement in Sachen HSH Nordbank sollen schlicht verschleiert werden.

SPIEGEL ONLINE: Bei Neuwahlen droht Ihnen eine schwere Schlappe. In Umfragen dümpelt die SPD in den Zwanzigern.

Stegner: Im Leben drohen einem bei jedem Kampf, den man aufnimmt, Schlappen. Die Umfragen sind zudem schon lange schlecht. Unsere Chancen, Schwarz-Gelb zu verhindern, liegen bei fifty-fifty. Wir stehen für faire Bildungschancen ohne Gebühren, Energiewende ohne Atom, gute Arbeit von der man leben kann - Union und FDP für das Gegenteil.

SPIEGEL ONLINE: Fifty-fifty? Warum stemmen Sie sich dann gegen Neuwahlen? Das passt doch nicht zusammen.

Stegner: Wir stemmen uns doch gar nicht gegen Neuwahlen. Die wird es geben. Aber es muss einen Weg geben, der anständig ist. Ein Rücktritt von Carstensen, der komplett gescheitert ist, wäre die sauberste Lösung …

SPIEGEL ONLINE: … wird aber von ihm selbst ausgeschlossen. Wenn Sie seinem Vorschlag zustimmen, das Parlament aufzulösen, könnten die Menschen in Schleswig-Holstein schnell wählen.

Stegner: Das Parlament kann man doch nicht einfach so auflösen. Schon gar nicht mit der Begründung, die SPD sei unzuverlässig und mit einem solch schlampig formulierten Antrag, bei dem der Innenminister noch Rechtshilfe leisten musste. Da steckt null Solidität dahinter. Einem solchen Theater kann man nicht zustimmen.

SPIEGEL ONLINE: Dann wird Carstensen die Vertrauensfrage stellen müssen. Wie wird sich Ihre Fraktion verhalten?

Stegner: Ein Mann, der die Koalition aufkündigt, die SPD angreift und das Parlament belügt, wird nicht das Vertrauen der sozialdemokratischen Fraktion ausgesprochen bekommen.

SPIEGEL ONLINE: Belügt? Im Streit über die Bonuszahlungen an den HSH-Nordbank-Chef Nonnenmacher?

Stegner: Ja. Da lügt er.

SPIEGEL ONLINE: Carstensen sagt, er habe Sie persönlich darüber informiert. Außerdem ist die SPD Teil dieser Koalition. Warum wettern Sie dann gegen die Prämien, als trügen Sie und Ihre Partei keine Verantwortung?

Stegner: Carstensen hat mich am 30. Juni informiert. Da hatte der Präsidialausschuss, dem kein einziger Sozialdemokrat angehört, längst entschieden.

SPIEGEL ONLINE: Aber Ihr eigener Innenminister, Lothar Hay, hat die Prämien doch abgesegnet. Da können Sie doch nicht so tun, als sei nur die Union schuld.

Stegner: Herr Hay ist vom Finanzminister per SMS informiert worden, er hat seine Auffassung geäußert, aber weder im Kabinett noch im Aufsichtsrat zugestimmt. Das Kind war längst im Brunnen.

SPIEGEL ONLINE: Da steigt doch kein Wähler mehr durch. Und außerdem: mitgefangen, mitgehangen.

Stegner: Das hätte die Union gern. Ich habe den Boni mitnichten zugestimmt. Für mich ist klar: Man kann nicht mit Milliarden eine Landesbank retten und dem Chef als Belohnung dafür dann auch noch drei Millionen Euro nachwerfen, das ist skandalös, und das finden auch 90 Prozent der Bürger.

SPIEGEL ONLINE: Blick nach vorn: Gut möglich ist, dass die Linke nach Neuwahlen ins Parlament rutscht. In Umfragen liegt sie bei vier Prozent. Wäre die Linke ein potentieller Koalitionspartner für Sie?

Stegner: Ich halte das weder für wahrscheinlich, noch streben wir das an. Im Gegenteil: Die SPD in Schleswig-Holstein hat ein klares soziales Profil, es bedarf keiner Partei links neben der SPD. Aber es gilt für mich natürlich immer: Man kann mit allen Parteien reden, außer mit den Nazis.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Image ist schlecht. Sie gelten als verbissen ehrgeizig und nicht besonders umgänglich. Stört Sie das?

Stegner: Es würde mich mehr stören, wenn ich als dumm, faul und durchsetzungsschwach gelten würde. Die Zuschreibungen kommen im Übrigen fast immer von der politischen Konkurrenz. An meinen Sympathiewerten muss ich arbeiten, das stimmt. Das ist aber leichter, als an der eigenen Kompetenz zu arbeiten.

SPIEGEL ONLINE: Herr Carstensen, mit dem Sie sich seit Jahren einen Kleinkrieg liefern, soll Sie mal zum Fußball eingeladen haben. Wie war das?

Stegner: Das ist schon so lange her. Wir waren auch schon bei Handballspielen. Sowas gibt's öfter. Ich habe auch nichts gegen Herrn Carstensen. Er ist sicherlich ein ordentlicher Mann. Die meisten Menschen gehen aus Idealismus in die Politik. Das wird für ihn auch irgendwann einmal gegolten haben. Ich habe allerdings viel Kritik an seiner Amtsführung. Ich werde ihn aber im Wahlkampf nicht persönlich angreifen, sondern für unsere Inhalte werben.

Das Interview führte Veit Medick
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