Höherer Verteidigungsetat Schulz will Zwei-Prozent-Ziel der Nato kippen

Martin Schulz
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaDer SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Kritik seiner Partei an den Plänen der Nato für höhere Verteidigungsetats deutlich verschärft. Das Ziel der Allianz, die Ausgaben in den einzelnen Mitgliedstaaten bis 2024 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, würde er kippen. "Ja, eindeutig", antwortete Schulz auf eine entsprechende Frage am Donnerstag auf einem WDR-Europaforum in Berlin.
"Ich glaube nicht, dass diese Aufrüstungsspirale Sinn macht", sagte Schulz weiter. "Ich kann auch nicht verstehen, wie man so eine Verpflichtung eingeht", sagte er unter Verweis auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Schulz ergänzte, er sei "nicht bereit zu sagen: Ich unterwerfe mich einer von den USA verlangten Aufrüstungslogik".
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, kritisierte Schulz. Mit seiner Ankündigung, das Zwei-Prozent-Ziel aufkündigen zu wollen, betreibe der SPD-Kanzlerkandidat "Effekthascherei und lässt jede staatspolitische Verantwortung vermissen", sagte er. Die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit der Nato setzten Schulz und die SPD auf unverantwortliche Weise aufs Spiel. "Das ist Populismus pur", so der CDU-Politiker.
Schulz kritisiert Merkel scharf
US-Präsident Donald Trump hatte die Nato-Länder beim Brüsseler Gipfel in der vergangenen Woche ermahnt, ihr Verteidigungsbudget auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzustocken. 23 der 28 Nato-Mitgliedstaaten "zahlen immer noch nicht, was sie zahlen sollten", sagte Trump, das sei "nicht fair gegenüber den US-Steuerzahlern." Deutschland gibt seit Jahren rund 1,2 Prozent aus.
Schulz griff die Kanzlerin in dieser Frage frontal an. Merkel habe dem Zwei-Prozent-Ziel beim Nato-Gipfel in Cardiff in Wales 2014 einseitig zugestimmt. Weder sei der Bundestag noch "irgendein anderes Organ" jemals mit dem Thema befasst gewesen. Kanzlerin Merkel hatte zuletzt - beim Besuch des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg - ein Festhalten am Beschluss der Nato bekräftigt. "Deutschland steht zu den dort eingegangenen Verpflichtungen", sagte Merkel Anfang Mai in Berlin und erklärte ausdrücklich, die "gesamte Bundesregierung" habe den Beschluss im walisischen Cardiff damals gefasst. "An diesem Beschluss wollen wir jetzt auch festhalten und darauf hinarbeiten", so Merkel.
SPD will dennoch mehr Geld für Verteidigung
Ungeachtet seiner Kritik an dem Nato-Beschluss will auch Schulz der Bundeswehr mehr Geld zur Verfügung stellen. Er sei "sehr wohl dafür, dass wir unsere Bundeswehr im Bundeshaushalt mit mehr Geld ausstatten", so Schulz auf dem WDR-Europaforum. Von jährlich 20 bis 30 Milliarden zusätzlichen Mitteln im deutschen Verteidigungsetat, wie von der Nato angestrebt, könne aber nicht die Rede sein.
Die Aussagen von Schulz deuten nach den personellen Änderungen im Willy-Brandt-Haus (die bisherige Generalsekretärin Katarina Barley wird Bundesfamilienministerin, Hubertus Heil ihr Nachfolger im SPD-Amt) auf eine schärfere Rhetorik des Kanzlerkandidaten hin. Bislang hatte vor allem Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) das Zwei-Prozent-Ziel kritisiert, es aber als Regierungsmitglied vermieden, das Ziel der Nato gänzlich in Frage zu stellen, wie es jetzt Kanzlerkandidat Schulz erstmals tat.
Gabriel hatte das Zwei-Prozent-Ziel jüngst auch in seinem Buch "Neuvermessungen" als "Überanpassung an die US-Regierung" bezeichnet und dabei auf den Wortlaut des Abschlussdokuments vom Nato-Gipfel von 2014 verwiesen. Dort heißt es, die Nato-Staaten "bemühen" sich darum, sich "in der nächsten Dekade der Zwei-Prozent-Richtlinie anzunähern". Von einer "apodiktischen Festlegung auf das Erreichen von zwei Prozent" könne keine also Rede sein, so Gabriel.
Der Außenminister hat sich - wie jetzt auch Schulz - allerdings für eine Erhöhung des deutschen Wehretats ausgesprochen. Durch eine Verdoppelung auf 60 Milliarden Euro im Jahr, wie sie durch das Zwei-Prozent-Ziel notwendig wäre, würde Deutschland aber zu einer militärischen Übermacht, die sich "unsere Nachbarn in Europa nicht unbedingt wünschen", so Gabriel kürzlich.