SPD-Spitze vor GroKo-Mitgliedervotum Wird schon, weil: muss ja

Am Wochenende fällt die Entscheidung, die SPD-Spitze zeigt sich überzeugt: Die Mitglieder werden für die GroKo stimmen. Zuletzt lag die Parteiführung bei solchen Prognosen schon mal daneben. Wie stehen die Chancen diesmal?
Andrea Nahles, Olaf Scholz

Andrea Nahles, Olaf Scholz

Foto: Sina Schuldt/ dpa

Die Umweltministerin spricht offen aus, was führende Genossen derzeit nur hinter vorgehaltener Hand sagen: "Ich erwarte, dass es positiv ausgeht", sagt die SPD-Politikerin Barbara Hendricks mit Blick auf das Mitgliedervotum: "Ich gehe so von 60 Prozent aus."

60 Prozent Zustimmung also erwartet die Ministerin, ein Ja zur Großen Koalition. Parteifreunde von Hendricks, die sich nicht namentlich zitieren lassen, sind noch optimistischer: 65 Prozent könnten es schon werden, vielleicht sogar noch mehr.

Der demonstrative Optimismus überrascht. Schließlich ist die SPD in der GroKo-Frage gespalten, wie sich nicht nur beim Bonner Sonderparteitag zeigte. Dort stimmten Ende Januar 44 Prozent der Delegierten gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der Union. Juso-Chef Kevin Kühnert, der zum Gesicht des Widerstands geworden ist, erhält seitdem viel Zustimmung aus der Partei und wird auf seiner No-GroKo-Tour gefeiert.

Im Video: Kevin Kühnert auf No-GroKo-Tour

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Dazu kommt: Die SPD-Spitze hat die Stimmung unter den Genossen in den vergangenen Monaten immer wieder falsch eingeschätzt. Die Reihe der Fehlprognosen begann mit dem Vorstandsbeschluss nach dem Jamaika-Aus, in dem es hieß, man stehe für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung. Dagegen regte sich prompt Widerstand in der Bundestagsfraktion und einigen Landesverbänden.

Noch deutlicher zeigte sich die Diskrepanz zwischen Parteiführung und Basis beim Plan, Martin Schulz zum Außenminister und Andrea Nahles zur kommissarischen Vorsitzenden zu machen. Beide Vorhaben scheiterten am lautstarken Widerstand vor allem aus den Landesverbänden.

Im Video: Andrea Nahles Kampf um die Basis

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Warum also geben sich führende Sozialdemokraten auch diesmal wieder so überzeugt, die Mitglieder hinter sich zu haben?

Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zum einen haben Nahles und Olaf Scholz, die das neue Machtzentrum der Partei bilden, kaum eine andere Wahl. Sie müssen sich von einem Ja beim Votum überzeugt geben, alles andere würde ihnen als Führungsschwäche ausgelegt. Zumindest nach außen darf es nicht so aussehen, als gäbe es bereits einen Plan B.

Zum anderen scheint sich die Stimmung unter den Mitgliedern tatsächlich gedreht zu haben. Selbst aus GroKo-kritischen Landesverbänden wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Thüringen heißt es, bei einem Großteil der Veranstaltungen sei eine Mehrheit der Genossen für ein Ja gewesen.

Aufkleber bei SPD-Regionalkonferenz

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Foto: Ina Fassbender/ dpa

Stimmung hat sich verändert

Interessant ist dabei ein Blick nach NRW: Im größten Landesverband mit rund einem Viertel aller SPD-Mitglieder war der Widerstand von Beginn an am größten und lautesten. Bis heute ist der Vorstand gespalten: Landeschef Michael Groschek wirbt an der Seite von Nahles und Scholz für die GroKo, aber seine Stellvertreterin Britta Altenkamp, Ex-Justizminister Thomas Kutschaty sowie weitere Vorstandsmitglieder und Landtagsabgeordnete haben eine No-GroKo-Erklärung  unterschrieben.

Dennoch konstatieren mittlerweile selbst Genossen, die sich zu diesem Lager zählen: Die Stimmung in der Partei hat sich verändert. "Es überwiegt die Einstellung: Wir haben aufbegehrt, aber jetzt ist es besser, die GroKo zu machen, als für eine ungewisse Zukunft zu stimmen", sagt ein NRW-Abgeordneter, der sich gegen die Regierungsbeteiligung ausspricht.

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Hintergrund dieses Stimmungswandels sind vor allem die Umfragen. Obwohl sich die SPD zuletzt wieder etwas erholt hat, haben die Zahlen der Demoskopen viele Genossen erschreckt. Angesichts des chaotischen Auftretens der vergangenen Wochen könnten die Sozialdemokraten bei Neuwahlen noch unter die 20,5 Prozent der vergangenen Bundestagswahl rutschen. Auch wenn es diese bei einem Nein zur GroKo nicht unmittelbar geben würde, dürften sie doch innerhalb weniger Monate folgen. Und genau dieses Risiko scheuen die Mitglieder.

Übrigens könnte auch die große Aufmerksamkeit, die Kühnert und andere GroKo-Gegner bekommen, der Parteiführung nutzen. Denn anders als 2013, als es von Beginn an nach einem klaren Ergebnis für die Parteispitze aussah, wird es diesmal knapper. Das mobilisiert Mitglieder, die für die GroKo sind, vor vier Jahren aber dachten, auf ihre Stimme komme es ohnehin nicht an.

Das ist diesmal anders.

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