SPD-Mitgliedervotum zur GroKo Bloß kein Jubel
Lucy Demers ist enttäuscht. Die junge Sozialdemokratin hat die Nacht durch gezählt und blickt nun konsterniert auf das Ergebnis: Große Koalition. Schon wieder. "Das ist nicht das, wofür wir gekämpft haben", sagt Demers. Sie selbst hat mit Nein gestimmt, betont sie, ebenso wie ihre Freunde Antonia Müller und Jonas Klein, die ebenfalls im Willy-Brandt-Haus Dienst geschoben haben.
Die 20-jährige Demers fährt nun ernüchtert nach Hause. Austreten will sie nicht. Aber in der SPD müsse sich viel ändern, fordert sie. Zum Beispiel müssten die Jusos mehr Mitsprache bekommen: "Wo soll denn die Erneuerung der Partei sonst herkommen?"
Der Unmut der jungen Freiwilligen zeigt: Die SPD-Führung hat mit dem deutlichen Ja zwar eine Etappe geschafft, doch in der Partei brodelt es weiter. Und das dürfte sich in den kommenden Wochen kaum ändern.

Jusos Antonia Müller, Lucy Demers, Jonas Klein (v.l.)
Foto: SPIEGEL ONLINEEntsprechend vorsichtig gehen führende Genossen am Sonntag mit dem Ergebnis um. Fraktionschefin Andrea Nahles, die im April neue Parteivorsitzende werden will, ist bei der Verkündung nicht einmal dabei. Als der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz und Schatzmeister Dietmar Nietan vor die Presse treten, steht Nahles im zweiten Stock der Parteizentrale und redet mit Helfern.
Auch auf Jubelgesten, wie es sie in der Vergangenheit bei ähnlich wegweisenden Entscheidungen stets gab, wird diesmal verzichtet. Scholz spricht davon, die Partei habe "sich die Entscheidung nicht leicht gemacht". Es sei eine spannende Debatte gewesen, "in der wir weiter zusammengewachsen sind".
Es sind leere Sätze, die keinen Genossen begeistern. Aber über die sich eben auch kaum jemand aufregen kann.
Und darauf kommt es jetzt an. Die SPD-Spitze will versöhnen und die GroKo-Gegner einbinden. Es soll unbedingt verhindert werden, dass sich eine Art innerparteiliche Opposition bildet, die Stimmung macht gegen den Kurs der Parteiführung.
Nahles will versöhnen
Denn klar ist auch: Das Ergebnis von 66 Prozent Ja-Stimmen ist zwar besser, als viele erwartet hatten. Es ist aber deutlich schlechter als vor vier Jahren. Damals stimmten noch knapp 76 Prozent dem Bündnis mit der Union zu.
Angesichts der ähnlich hohen Wahlbeteiligung wie 2013 haben damit 123.329 Genossen gegen die GroKo gestimmt. Das sind immerhin 26,6 Prozent aller Parteimitglieder.
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In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung zu verstehen, warum Nahles nicht mit Scholz und Nietan auf dem Podium stand, um das Ergebnis zu verkünden. Sie soll beim Parteitag am 22. April als Vorsitzende aller Sozialdemokraten kandidieren - und nicht als Kopf der GroKo-Befürworter.
Natürlich war sie das de facto aber in den vergangenen Wochen. Für Nahles kommt es jetzt darauf an, wie sie mit dem Votum umgeht. Einen Kurs der Versöhnung deutete sie schon am Sonntag an: "Ich habe in den letzten Tagen mit gar nichts mehr gerechnet", sagte sie auf die Frage, ob sie eine Zwei-Drittel-Zustimmung erwartet habe. Das Votum werde die SPD nicht spalten, beteuerte Nahles: "Wir bleiben jetzt zusammen."
Das wollen auch Lucy Demers und ihre Freunde. Wichtig ist ihnen vor allem, dass die Partei endlich wieder glaubwürdig auftritt. "Also dass wir mal das halten, was wir versprechen", sagt Demers.
Ihr Wuppertaler Genosse Jonas Klein bleibt aber skeptisch: "Ich hoffe, dass wir nicht nach vier Jahren GroKo und einem weiteren Abrutschen bei Wahlen sagen müssen: Wir haben es euch doch gesagt."
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