SPD-Parteitag Der Stellvertreter-Kampf

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (l.) und Juso-Chef Kevin Kühnert - beide wollen Parteivize werden
Foto: Kay Nietfeld/ picture allianceAm Tag vor ihrem großen Auftritt wirken die beiden Neuen recht entspannt. "Sehr lebhaft" seien die Diskussion im Parteivorstand gewesen, sagt Saskia Esken, die mit Norbert Walter-Borjans künftig die SPD führen soll. Der Leitantrag für den Parteitag sei ein "guter Kompromiss", auch wenn es "nicht die reine Lehre" dessen sei, was die beiden wollten.
Auch Walter-Borjans spricht vor dem Willy-Brandt-Haus gleich zweimal von "Kompromisslinien". Es sei immer darum gegangen, "dass wir am Ende zusammenstehen wollen, dass wir Brücken bauen wollen".
Am Freitagvormittag beginnt der Parteitag einer SPD, die seit dem vergangenen Wochenende eine andere Partei ist. Beim Mitgliederentscheid hatten sich Esken und Walter-Borjans gegen Olaf Scholz und Klara Geywitz durchgesetzt. Und damit nahezu gegen das gesamte Parteiestablishment, das auf einen Sieg des Vizekanzlers und der Brandenburgerin gesetzt hatte.
In den vergangenen Tagen erlebten die beiden Sieger aber einen Realitätsschock: Ihre GroKo-skeptische Haltung mussten sie deutlich abschwächen - die Gefahr einer Spaltung war zu groß.
Statt von Nachverhandlungen mit der Union ist im Leitantrag nur noch von "Gesprächen über die neuen Vorhaben" die Rede. Diese sollten die neuen Vorsitzenden zusammen mit Fraktionschef Rolf Mützenich und Scholz führen. Die alte SPD, die Regierungs-SPD, redet also weiter mit. Am Ende soll dann der Parteivorstand "bewerten, ob die drängenden Aufgaben in dieser Koalition zu bewältigen sind". Eine Frist wird in dem Antrag nicht genannt.

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken: Gefahr der Spaltung war zu groß
Foto: Fabrizio Bensch / REUTERSNachdem schon erster Unmut über weichgespülte Positionen laut wurde, wurden manche Forderungen im Vergleich zu einem Entwurf Anfang der Woche noch einmal im Sinne des künftigen Spitzenduos nachgeschärft:
- So steht das SPD-Ziel eines Mindestlohns von zwölf Euro nun wieder explizit drin.
- Das Klimaschutzpaket soll nachgebessert werden, besonders hinsichtlich eines "sozial gerechten und wirksamen CO2-Preises". Dabei soll es einen sozialen Ausgleich geben, "der für jeden gleichmäßig wirkt". Dies ist etwa bei der Erhöhung der Pendlerpauschale nicht der Fall.
- Außerdem fordert die SPD "massive Investitionen in die öffentliche Infrastruktur". Genannt wird eine Größenordnung von 450 Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren. Dieser "zusätzliche Bedarf" sei von Wirtschaftsinstituten errechnet worden.
Der Antrag ist von dem Bemühen geprägt, Koalitionskritiker wie auch -befürworter, darunter vor allem die Bundesminister der SPD und große Teile der Bundestagsfraktion, zusammenzubringen.
Duell um Vizeposten
Esken und Walter-Borjans sollen am Freitagmittag zu Vorsitzenden gewählt werden. Über einen der drei Vizeposten steht eine Kampfabstimmung an. Juso-Chef Kevin Kühnert, prominentester Kritiker der Großen Koalition, und Arbeitsminister Hubertus Heil wollen offenbar tatsächlich gegeneinander antreten. Kabinettsmitglied gegen GroKo-Gegner, es ist ein Stellvertreter-Kampf der alten gegen die neue SPD. Wie das Duell ausgeht, ist völlig offen. Kann Kühnert seine Macht ausbauen - oder wird er vorläufig ausgebremst?
Es gab im Parteivorstand Überlegungen, den Showdown zu verhindern und die Zahl der Vizeposten auf vier zu erhöhen. Das fand keine Unterstützung. Es ist aber möglich, dass der Parteitag noch anders entscheidet.
Für zwei weitere Vizeposten schlug der Parteivorstand die saarländische Vizeministerpräsidentin Anke Rehlinger und Klara Geywitz vor, die mit Finanzminister Olaf Scholz beim Mitgliedervotum unterlegen war. Als weitere Mitglieder der engeren Parteiführung sollen Generalsekretär Lars Klingbeil, Schatzmeister Dietmar Nietan und der Europa-Beauftragte Udo Bullmann bestätigt werden.
Eine Abstimmung über die Fortsetzung der Koalition ist im Leitantrag nicht vorgesehen. Es wird allerdings erwartet, dass es Anträge gibt, die genau das fordern. Nach derzeitigem Stand rechnet kaum jemand in der Parteiführung damit, dass es dafür eine Mehrheit der Delegierten geben könnte.
Doch seit vergangenem Samstag weiß man, dass in der SPD derzeit kaum noch etwas sicher ist.
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