Stefan Kuzmany

SPD-Personaldebatten Ansage vom Boss

Nahles weg, Gabriel zurück, aber bitte stets ordentlich gekleidet: Gerhard Schröders Rettungsideen für die Sozialdemokratie sind durchaus verlockend. Den perfekten Kandidaten verschweigt er allerdings.
Gerhard Schröder beim Bundespresseball

Gerhard Schröder beim Bundespresseball

Foto: imago/ Future Image

Schöne Sache, diese Idee einer Grundrente für Geringverdiener, für die der Sozialminister Hubertus Heil gerade von seiner Partei gefeiert wird. Endlich mal wieder "SPD pur", jubelt die Vizefraktionschefin Katja Mast, und stimmt ja: Die Sozialdemokraten scheinen sich doch noch an die sogenannten kleinen Leute zu erinnern. Finde ich gut. Wird ihnen aber leider nichts bringen.

Nein, die SPD wird leider auch mit dieser grundsozialen Idee weiterhin in der tiefsten Umfragehölle schmoren. Und das nicht etwa deshalb, weil sie es versäumt hat, ihren Vorschlag nicht nur "Respekt-Rente" zu nennen, sondern, damit jeder ihre Vorzüge erkennt, "Gute-Respekt-Rente". So ist es doch heute eigentlich Pflicht bei sozialdemokratischen Vorstößen. Nein, die SPD bleibt unten, weil sie es nicht kapiert hat: Der Niedergang der Sozialdemokratie ist nicht alleine mit Sozialpolitik aufzuhalten.

Das sagt nicht irgendeiner, das sagt Gerhard Schröder - der letzte (und womöglich in mehrfacher Hinsicht: allerletzte) sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland im Gespräch mit dem SPIEGEL. Er muss es wissen, hat er mit seiner ganz speziellen Sozialpolitik den Niedergang der Sozialdemokratie doch überhaupt erst eingeleitet.

Aber wie soll es dann wieder aufwärts beziehungsweise vorwärts gehen mit der SPD? Schröder weiß jedenfalls, mit wem es nicht geht: Andrea Nahles. Keine ökonomische Kompetenz, kann sich nicht ordentlich ausdrücken, begeht Amateurfehler. Mehr muss er gar nicht sagen, die Frau ist erledigt. Was übrigens auch nicht geht: "Schlampigkeit im Kleidungsstil". Die Leute mögen es einfach nicht, wenn einer "im Kapuzenpulli zum SPD-Parteitag" geht. Damit meint Schröder womöglich Kevin Kühnert. Auf den meisten Parteitagsfotos ist der zwar mit ordentlichem Hemd aufzufinden, aber einen Brioni-Anzug trägt das Kerlchen jedenfalls nicht.

Nein, da muss schon ein anderer her, um die SPD zu retten. Olaf Scholz? Ja, vielleicht, gähn. Aber eigentlich: Sigmar Gabriel, der vielleicht "begabteste Politiker, den wir in der SPD haben". Das ist allerdings eine tolle Idee! Der Mann aus Goslar kann sich zweifelsohne geschliffen ausdrücken. Er ist unbestritten Profi. Und stets bestens angezogen. Womöglich hat er sogar ökonomische Kompetenz, immerhin war er schon Wirtschaftsminister.

Ja, das wäre doch mal was: Sigmar Gabriel wird SPD-Vorsitzender, der Partei geht's schlagartig wieder blendend, und bei der nächsten Wahl tritt Gabriel dann als Kanzlerkandidat an und gewinnt. Jetzt aber mal blöd gefragt: Gabriel war doch schon SPD-Vorsitzender, sogar ziemlich lange? Und hätte doch schon zweimal antreten und gewinnen können? Warum hat er das dann nicht gemacht? Wollte er etwa nicht? Tja, da greift die nächste Schröder-Wahrheit: "Wer um das höchste Regierungsamt kämpft, muss es unbedingt wollen."

Also doch kein Gabriel, schade. Aber wenn ich so darüber nachdenke: Griffige Formulierungen, größtes Verständnis für die Wirtschaft, bloß keine sozialen Wohltaten, dafür unbedingter Wille zur Macht und stets perfekt gekleidet... da gab es doch einen...

Als im vergangenen Herbst das gruselige Merz-Gespenst durch die Bundespolitik geisterte, da ergriff mich für einen kurzen Moment eine seltsame Sehnsucht. Wir waren auf dem Bundespresseball, alle redeten über das mögliche Comeback des schneidigen Aktienverkäufers aus Brilon und wie er womöglich im Handstreich die CDU und bald darauf das Kanzleramt übernehmen könnte. Zur Abwechslung gingen wir etwas tanzen. Plötzlich Gedrängel, es lag eine eigentümliche Spannung in der Luft, ich drehte mich um: Keine zwei Meter entfernt wirbelte da gut nach Mitternacht ein erstaunlich fitter Mittsiebziger samt Gattin übers Parkett, bestaunt und umschwärmt.

Und ich gebe zu, es mag auch am Weißwein gelegen haben, aber kurz dachte ich mir: Wenn schon einer zurückkommen muss, dann doch bitte Gerhard Schröder. Mensch, das waren Zeiten! 1998 waren wir jung, von der SPD nicht enttäuscht und von den Grünen auch noch nicht. Die Welt war damals zwar auch nicht in Ordnung, aber etwas mehr als heute war sie es doch. Und sie stand uns offen. Der Gedanke verflüchtigte sich dann aber schnell.

Denn auch wenn nur Schröder logisch erklären kann, warum ein Tempolimit falsch wäre - weil unsere Autos nämlich für hohe Geschwindigkeiten gebaut sind -, ist seine Rückkehr doch ausgeschlossen. Denn erstens verdient er mittlerweile so gut mit seinen Russland-Geschäften, dass er sich die Kanzlerschaft gar nicht mehr leisten könnte. Und zweitens ist nicht nur seine Zeit als aktiver Politiker abgelaufen, sondern auch die Zeit, in der Macker bei einer guten Zigarre ansagen konnten, was eine Frau nicht kann, wie mit armen Leuten umzuspringen ist und wie sich junge Leute anzuziehen haben.

Wenn Sie mich fragen, sollte sich die SPD sowieso keine allzu großen Sorgen um Personalfragen machen. Egal mit wem an der Spitze: Solange sie nur in der Großen Koalition bleibt, ist sie auf der sicheren Seite.

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