SPD-Posse Bundes-Genossen wollen Niels Annen vor Jusos retten
Berlin - Samstag ist der Tag der Entscheidung. Dann treffen sich 90 SPD-Delegierte im Hamburger Wahlkreis Eimsbüttel, um ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl zu nominieren. Lange Zeit sah es so aus, als wäre die erneute Aufstellung des Abgeordneten Niels Annen eine reine Formalie. Schließlich war er der einzige Bewerber.
In insgesamt acht Distriktversammlungen stellte Annen sich der Basis. In jeder Versammlung wurden Delegierte für die Wahlkreiskonferenz gewählt. Nachdem das letzte Basistreffen vorbei war, meldete sich überraschend ein Gegenkandidat: Der 27-jährige Jurastudent Danial Ilkhanipour, Vorsitzender der konservativen Hamburger Jusos.
Das allein wäre noch kein Grund zur Sorge für den Platzhirsch Annen, aber es stellte sich heraus, dass die Jusos die Distriktversammlungen gezielt unterwandert hatten und nun in großer Zahl in der Wahlkreiskonferenz repräsentiert sind.
Der Trick ist nicht neu, gerade die Jusos sind bekannt dafür. Beim ehemaligen Juso-Bundeschef Annen hätten vielleicht etwas früher die Alarmglocken schrillen müssen. Doch zu spät - nun muss er um sein Mandat bangen. Die Aufregung ist groß, weil der 35-Jährige inzwischen ein gewisses Gewicht in der Partei erreicht hat. Als einer der Sprecher des linken Flügels zählt er zur bundespolitischen Prominenz, und als Außenpolitiker ist er eine der Nachwuchshoffnungen der Bundestagsfraktion.
Kopfschütteln in Berlin über die Provinzposse
Die Aussicht, dass Annen im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein könnte, sorgt in Berlin für Kopfschütteln. SPD-Chef Franz Müntefering intervenierte persönlich und erklärte dem Hamburger Landesvorsitzenden Ingo Egloff am Telefon, Annen sei unverzichtbar. Außenminister Frank-Walter Steinmeier leistete indirekte Schützenhilfe: In einem Interview mit der Lokalzeitung "Hamburger Abendblatt" lobte er, Annen kümmere sich "hervorragend" um Afghanistan.
Auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich wurde aktiv. "Wir unterstützen Niels Annen", steht über einem Aufruf, in dem Mützenich ihn als "ausgewiesenen Experten" preist. Zu den Unterzeichnern gehören die führenden Außen- und Rechtspolitiker der SPD, darunter Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans-Ulrich Klose, Walter Kolbow, Sebastian Edathy, Rainer Arnold und Gert Weisskirchen.
"Ich möchte Niels Annen als Außenpolitiker nicht verlieren", erklärt der konservative Abgeordnete Klose. Zwar ist er häufig anderer Meinung als Annen, aber dennoch voll des Lobes: Mit Annen könne man diskutieren, und vor allem sei er eingearbeitet. Das sei gerade in der Außenpolitik wichtig. "Es wäre ein herber Verlust für die SPD-Bundestagsfraktion", sekundiert der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy.
Klose: "Es wird sehr knapp"
Das Verhalten der Hamburger Jusos nennt Klose "anstößig" und "irritierend". Das Wort des früheren Hamburger Bürgermeisters hat in der Hansestadt Gewicht. Auch der Eimsbütteler Kreisvorstand stellte sich hinter Annen: Mit 16 zu 5 Stimmen bei zwei Enthaltungen wurde er zum Kandidaten des Vorstands gewählt. Kreischef Jan Pörksen schimpfte über die "gezielte Unterwanderung" durch die Jusos.
Ilkhanipour verteidigt seine Kandidatur hingegen als "urdemokratischen Vorgang". Selbst seine Kritiker räumen ein, dass er formal korrekt gehandelt habe. Allerdings habe er sich durch den späten Zeitpunkt seiner Kandidatur einer offenen Diskussion entzogen. Der Vorgang sei "mit dem Makel behaftet, dass einer vorher nicht gesagt hat, dass er antreten wird", sagte der Landesvorsitzende Egloff. Der langjährige Vorsitzende der IG Metall Küste, Frank Teichmüller, trat aus Protest gegen dieses "Kandidatenaufstellungssystem" gleich mitsamt Frau und Sohn aus der SPD aus.
Kenner der Hamburger Szene weisen darauf hin, dass die Kandidatur Ilkhanipours auch persönlich motiviert sei. Der Juso-Chef ist ein ehemaliger Mitarbeiter des Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Der Sprecher des rechten Seeheimer Kreises ist auf Bundesebene der Antipode des Linken Annen. Die beiden Hamburger sind sich seit langem in herzlicher Abneigung verbunden. Die Hamburger Jusos verorten sich im Unterschied zum Juso-Bundesverband auf dem rechten SPD-Flügel.
Annen kann an der Lage jedoch nichts mehr ändern. Die Vorwahlen sind gelaufen. Nun liegt es an ihm, die Delegierten der Wahlkreiskonferenz für sich zu gewinnen. "Es wird sehr knapp", fürchtet Klose.